Donnerstag, 21. November 2024
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Finanzminister Löger: „Wir wollen im System und nicht bei den Menschen sparen“

Bild © CC pixabay/niekverlaan (Ausschnitt)

Die neue Bundesregierung hat kürzlich mit der Einführung des Familienbonus und der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge erste Vorhaben präsentiert. Im Gespräch mit der EU-Infothek erläutert Finanzminister Hartwig Löger, wie er bei den Staatsfinanzen den Turnaround schaffen will.

 

Sie wurden am 18. Dezember als Finanzminister angelobt. Wie haben Ihre Familie und Ihre Freunde auf Ihren Karrieresprung reagiert?

Es gab zwei Phasen: Sebastian Kurz hat mich mit einiger Vorlaufzeit gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, auf die Regierungsbank zu wechseln. Dann, einige Tage vor der Angelobung, kontaktierte er mich mit dem konkreten Angebot. Schnell war klar, dass ich diese spannende Aufgabe gern übernehmen werde. Sowohl Familie als auch Freunde unterstützen mich sehr in meiner neuen Funktion.

Ihr Amtsvorgänger ist im „Zweitberuf“ Winzer. Welches ist ihr bevorzugtes Hobby?

Als frischgebackener Großvater ist mein schönstes Hobby, Zeit mit meinem Enkerl und meiner Familie zu verbringen. Bestenfalls in Kroatien, wo wir regelmäßig und seit Jahren unseren Urlaub verbringen.

Was ist für Sie der gravierendste Unterschied zwischen dem Job eines Politikers und dem eines Firmenchefs?

Als Firmenchef wie auch jetzt als Finanzminister ist es meine Hauptaufgabe, vorformulierte Ziele, wie etwa die Senkung der Abgabenquote auf 40 % oder die Staatsschuldenquote auf unter 70 % zu drücken, zu erreichen und auf dem Weg dorthin eine Diskussion zu ermöglichen, die unterschiedliche Interessen zusammenzuführen lässt. Klar, das funktioniert in der Politik anders als in der Wirtschaft. Aber Sebastian Kurz hat sich bewusst dafür entschieden, Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen in sein Team zu holen, um neue Sichtweisen hineinzubringen.

Sind die Gestaltungsmöglichkeiten für einen Finanzminister größer als für einen CEO?

Meine Gestaltungsaufgaben für die kommenden Jahre sind durch das Regierungsprogramm weitgehend abgesteckt. Ich werde also mein Möglichstes geben, um all das konsequent umzusetzen. Es gibt aber auch Spielräume, die über das Regierungsprogramm hinausgehen. Hier werde ich zusätzlich Akzente setzen. Als Finanzminister trage ich jetzt Verantwortung für alle Österreicherinnen und Österreicher. Meine Entscheidungen sind also von größerer Tragweite und ich muss mehr Parameter bedenken als im Kosmos eines Unternehmens.

Möglichst schnell Nulldefizit erreichen

Sie haben angekündigt, Ineffizienzen beseitigen und bei den Ausgaben sparen zu wollen. Wird das ausreichen, um in ein, zwei bis drei Jahren einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen?

Das Nulldefizit wollen wir so schnell wie möglich erreichen. Daher werden wir, gerade wenn es um die Beseitigung der Ineffizienzen geht, konsequent vorgehen. Wir wollen im System und nicht bei den Menschen sparen. Während wir im Doppelbudget 2018/2019 für das Jahr 2018 wohl noch ein strukturelles Defizit von 0,5 Prozent erreichen, wollen wir möglichst bald zum Nulldefizit kommen.

Schließen Sie Steuererhöhungen bzw. höhere Steuern aus, sollte sich die Konjunktur 2019 wieder abkühlen?

Unser Ansatz ist, die Menschen ehrlich zu entlasten. Dazu gehört, dass wir ihnen, während wir ihnen etwas in die linke Tasche geben, es ihnen rechts nicht wieder aus der Tasche nehmen. Unter dem Strich soll den Menschen mehr bleiben.

Die Staaten profierten seit Jahren von historisch niedrigen Zinsen. Müssten Sie bei den geplanten Einsparungen nachjustieren, wenn die Zinsen wieder steigen?

Wir können auf einer positiven Konjunktur aufbauen und wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins, wenn überhaupt, nur sanft zu erhöhen beginnt. Das sind Entwicklungen, die wir selbstverständlich in unsere Berechnungen einbeziehen. Unser Planungshorizont erstreckt sich ja über mehrere Budgetperioden und so sind wir auch hier um Langfristigkeit und Nachhaltigkeit bemüht.

2019 soll der Brexit vollzogen werden. Wie wird sich das auf die österreichischen Beitragszahlungen an die EU auswirken? Rechnen sie mit deutlich höheren Beiträgen für den Nettozahler Österreich?

Österreich setzt sich dafür ein, dass nach dem Brexit die EU-Ausgaben im Ausmaß des wegfallenden UK-Nettobeitrags reduziert werden. Dadurch würde kein Mitgliedsstaat höhere Beiträge leisten müssen. Würden die EU-Ausgaben nach dem Brexit gleich bleiben, müsste der Nettobeitrag Großbritanniens von den anderen Nettozahlern kompensiert werden.

Ihre Amtsvorgänger Schelling, Spindelegger und Fekter haben sich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer stark gemacht. Wie ist Ihre Position dazu, wird es eine solche geben?

Meine Vorgänger und insbesondere Hans Jörg Schelling haben hier starke Initiativen gesetzt und ich möchte diese Linie weiter führen. Beim ECOFIN in Tallin im Oktober haben ja alle zehn an der Steuer interessierten Staaten die so genannten core engines akzeptiert. Und man hat sich darauf geeinigt, die noch offenen Fragen an die Expertengruppe weiterzugeben. Erst wenn die entsprechenden Ergebnisse der Arbeit auf Expertenebene vorliegen, wird es wieder konkrete Gespräche auf politischer Ebene geben.

Im Wahlkampf hat die ÖVP eine saftige Steuerreform versprochen. In einem ersten Schritt werden nun Familien entlastet. Wann werden auch alle anderen Steuerzahler etwas spüren?

Klares Ziel der Regierung ist, die Abgabenlast der Österreicherinnen und Österreicher auf 40 Prozent zu reduzieren. Mein Ansatz ist sogar, keinen 4er mehr davor zu haben. Entlastung ist das Stichwort. Mit Sofortmaßnahmen wie der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab 1.7.2018 und dem Familienbonus ab 1.1.2019 haben wir erste Schritte gesetzt. Eine echte Steuerstrukturreform wird ab 2020 in die Wirkung gehen.

Keine weiteren Privatisierung geplant

Können Sie sich weitere Privatisierung von Staatsbetrieben vorstellen?

Die uns in der ÖBIB anvertrauten Unternehmen behaupten sich ohne staatliche Unterstützung erfolgreich in ihren Märkten und leisten zusätzlich einen milliardenschweren Dividendenbeitrag für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Unsere Position hierzu ist klar: Es braucht eine mittel- und langfristige Strategie, wie insgesamt mit den Beteiligungen der Republik umzugehen ist. Privatisierungen sind nicht Teil dieser Überlegungen. Die bestmögliche Wahrnehmung der Eigentümerinteressen bedeutet, den Interessen aller österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verpflichtet zu sein.

Speziell im Kampf gegen das illegale Glücksspiel wird der Ruf nach mehr Finanzpolizisten laut. Sind Sie für eine Aufstockung der Beamten, zumal sich diese „rechnen“ würde?

Die Aufgaben der Finanzpolizei sind gezielte Kontrollen in Bereichen der Betrugsbekämpfung wie das von Ihnen genannte Glückspiel oder wenn es um Lohn- und Sozialdumping geht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen hier durch sehr gute Vorarbeit hervorragende Erfolge erzielen. Wir werden uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren und so freie Kapazitäten schaffen.

Haben Sie Verständnis dafür, dass es in der EU noch immer Steueroasen gibt?

Die Schließung von Steuerfluchtrouten war und ist ein Anliegen der europäischen Finanzminister. Österreich verfolgt hier seit Jahren eine klare Strategie gegen jede Art von Steuer- und Abgabenbetrug. Auch ich werde mein Möglichstes tun, um hier auf nationaler, europäischer und internationaler Eben weitere Schritte in diese Richtung zu setzen.

Seit Jahren wird über die Einführung eines EU-Finanzministers diskutiert, der für mehr Budgetdisziplin bei den Mitgliedsstaaten sorgen soll. Wie stehen Sie dazu?

Frankreichs Präsident Macron und auch Kommissionspräsident Juncker haben klar ihre Vorstellungen geäußert, wie sie die Zukunft der Europäischen Union sehen. Bei einer Gemeinschaft dieser Größenordnung wird es Zeit brauchen, um alle diese Ideen gut zu durchdenken. An diesem Prozess beteilige ich mich gerne. Wichtig wird sein, Ziele zu definieren, wohin wir uns als Gemeinschaft entwickeln wollen. Erst dann können wir über Strukturen und einzelne Posten sprechen.

Kärntner Hypo wird Steuerzahler insgesamt 5,65 Milliarden Euro kosten

Wie lange wird die ehemalige Kärntner Hypo das Budget noch belasten bzw. wie viel hat dieser Skandal den Steuerzahler bis dato gekostet?

Der Bund hat der ehemaligen Kärntner Hypo, heute HETA Asset Resolution AG, seit 2008 Eigenkapital in Höhe von 4,35 Mrd. EUR zugeführt. Darüber wird die HETA bis 2022 1,3 Mrd. EUR an Haftungen in Anspruch nehmen. Weitere Zahlungen sind nicht vorgesehen.

Haben Sie sich schon damit beschäftigt, wer Ewald Nowotny als OeNB-Chef nachfolgen soll? Sind sie eher für eine interne Lösung oder bevorzugen Sie jemanden von außerhalb, etwa aus dem Bereich der Wissenschaft?

Der Vertrag von Gouveneur Nowotny läuft noch bis Ende August. Wir werden zeitgerecht eine Entscheidung treffen, wer künftig unsere Interessen in der EZB vertreten wird.

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