Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft wird Österreich einen eigenen China-Schwerpunkt setzen. Die Reise der Staatsspitze in das Reich der Mitte hat dazu mehr als einen Motivationsschub geleistet. Im Gespräch mit EU-Infothek präzisiert der Bundeskanzler seine Eindrücke und Schlussfolgerungen.
Fast eine Woche war die österreichische Staatsspitze mit Bundespräsident Alexander van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz, drei Ministern sowie einer ganzen Unternehmerschar in China. Mitgebracht haben sie nicht nur Wirtschaftsverträge sondern auch Eindrücke, Erfahrungen und Informationen. Sowie zwei Konferenzen, die im Rahmen der EU-Präsidentschaft stattfinden werden. Nämlich eine mit ASEM, ein interregionales Gesprächsforum, das für den multilateralen Austausch zwischen Europa und Asien in den Bereichen Politik, Finanzen und Wirtschaft, Kultur, Bildung, Umwelt- und Klimaschutz genutzt wird. Und eine weitere mit ASEAN, eine internationale Organisation südostasiatischer Staaten mit Sitz in Jakarta, an der auch China teilnehmen wird.
Eine Woche lang bildete die Berichterstattung in den österreichischen Medien einen Schwerpunkt. Was aber blieb im Kern abseits der Pandabären und des ersten ÖBB-Containerzuges, der auf die 13-tägige Reise über 9.800 Kilometer nach Wien geschickt wird, übrig. EU-Infothek wollte vom Bundeskanzler Kurz wissen, wie er rückblickend diesen Staatsbesuch sieht und vor allem welche Schlussfolgerungen er daraus für Österreich und Europa zieht.
EU-Infothek: Was hat den stärksten Eindruck von der China-Reise hinterlassen?
Kurz:
China hat eine enorme Dynamik und ein Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent. Es ist ein sehr innovatives Land, das Vorreiter bei Forschung und Entwicklung ist. Die Reise war ein Erfolg, und dass wir mit dem Bundespräsidenten und Ministern gemeinsam aufgetreten sind, war da auch sehr hilfreich. Immerhin konnten in China Aufträge in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an Land gezogen werden (Anm. der Redaktion: 1977 betrugen die österr. Ausfuhren nach China nicht einmal 300 Millionen Schilling).
Abgesehen von diesen offiziell klingenden Formulierungen, was zählte persönlich zu den stärksten Erlebnissen?
Beeindruckend waren die Treffen mit chinesischen Unternehmern am Rande des Boao Forums (Jack Ma von Alibaba sowie Baidu), die zeigen, wie schnell China im Bereich Digitalisierung voranschreitet und welche Herausforderungen hier auf Europa zukommen.
Was ist vom Versprechen einer Marktöffnung zu halten?
Dass Präsident Xi am Dienstag letzte Woche beim Boao-Forum auf Hainan weitere wirtschaftliche Öffnungen angekündigt hat, ist gut und richtig. Nun müssen diese Ankündigungen aber auch umgesetzt werden. Etwa beim Freihandel. Wir haben ein Interesse daran, dass das Land die Standards erfüllt, die es erfüllen muss. Wir würden uns in China noch mehr Rechtsstaatlichkeit und Planbarkeit wünschen.
Wie sollte die EU auf China zugehen?
Wir brauchen weiterhin einen offenen Dialog und eine möglichst enge Kooperation, sei es wirtschaftlich, kulturell oder politisch. China ist politisch wie wirtschaftlich eine aufstrebende Supermacht. Wir müssen daher einen möglichst engen Austausch pflegen und zugleich Bereiche, wo wir unterschiedlicher Meinung sind, etwa was den in vielen Bereichen abgeschotteten chinesischen Markt oder die Menschenrechte betrifft, offen ansprechen.
Und welche Aktivitäten wird Österreich im Rahmen der EU-Präsidentschaft setzen?
Es gibt einen ASEM Gipfel am 18./19. Oktober in Brüssel, zu dem wir einladen. Premierminister Li Keqiang hat seine Teilnahme bereits zugesagt. Parallel dazu wird das österreichische Außenministerium auch im Rahmen des Ratsvorsitzes einen Asien Schwerpunkt setzen, etwa gemeinsam mit ASEAN eine internationale Organisation südostasiatischer Staaten mit der auch China enger zusammenarbeiten will.
Ist das Projekt Seidenstraße eine Chance oder besteht die Gefahr einer Verlockung?
Die Bundesregierung unterstützt diesen Prozess grundsätzlich. Daher hat Verkehrsminister Norbert Hofer in Peking auch eine diesbezügliche Absichtserklärung unterzeichnet. Zugleich ist es uns wichtig, hier eng abgestimmt mit unseren europäischen Partnern vorzugehen, um noch offene Fragen gemeinsam mit China zu klären.
Wie sieht die chinesische Führung das Angebot Nord-Koreas sowie die Konfrontation zwischen den USA und Russland?
China ist als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates und als Nachbar Nordkoreas ein ganz wichtiger diplomatischer Player in dieser Frage. Wir sehen es als positiv, dass China zuletzt seine Position ein Stück weit verändert hat. Damit gibt es nun auch eine Chance, dass Nordkorea umdenkt.
Was die Position im Syrienkonflikt betrifft, wird auf das Gespräch von Außenministerin Karin Kneissl mit ihrem Amtskollegen Wang Yi verwiesen. Seine Aussagen decken sich mit der relativ bedeckten Haltung Pekings in letzter Zeit. So sprach sich das chinesische Außenministerium wie schon bei anderen Gelegenheiten „grundsätzlich gegen Gewaltanwendung zur internationalen Konfliktbeilegung“ aus und forderte im Übrigen eine „umfassende, faire und sachliche Untersuchung“ über einen möglichen C-Waffeneinsatz. Im UN-Sicherheitsrat hat China die russischen Vetos im UN-Sicherheitsrat entweder durch Enthaltung oder ein eigenes Veto mitgetragen.