Donnerstag, 19. Dezember 2024
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Die nächste EU-Regierung wird eine 3er Koalition sein

Das EU-Parlament in Straßburg / Bild © CC0 Creative Commons Mcruetten/Pixabay (Ausschnitt)

Geht es nach den derzeitigen Prognosen, dann wird nach den Wahlen im Frühjahr kommenden Jahres in der EU-Kommission und im EU-Parlament wohl kaum ein Stein auf dem anderen bleiben.

In Brüssel beschäftigt sich eine eigene Abteilung im EU-Präsidium mit den Umfragen in den 27 Mitgliedsländern, um in etwa abschätzen zu können, mit welchen Parteien und Fraktionsstärken nach den kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament zu rechnen ist. Die Berechnungen dieser Abteilung lassen derzeit die Köpfe in den verschiedenen Parteizentralen bereits rauchen. Zeichnen sich doch mittlerweile eine Reihe von Stimmenbewegungen ab, die einiges an Veränderungen für die nächste Legislaturperiode erwarten lassen.

Nachwehen des Brexit

Und das hängt nicht nur damit zusammen, dass Großbritannien ausscheidet, was die Zahl der Mandate von 751 auf 705 schrumpfen lässt. Und dazu muss man wissen, dass nicht das Abschneiden der einzelnen Parteien ausschlaggebend ist, sondern das Stärkeverhältnis der Fraktionen. Um überhaupt eine Fraktion bilden und damit mitsprechen zu können, bedarf es des Zusammenschlusses von mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens 7 EU-Mitgliedstaaten.

Bislang wurde das EU-Parlament von einer schwarz-roten Koalition gewissermaßen beherrscht. Das machte sich auch in der Bildung der Kommission bemerkbar, wenngleich die Entsendung des jedem Land zustehenden Kommissars von der jeweiligen nationalen Regierung abhängt. Schwarz-Rot dürfte aber, wie es derzeit aussieht, nicht mehr die Modefarbe bleiben. Um eine EU-freundliche Mehrheit zustande zu bringen, wird es wohl einer Dreier-Koalition bedürfen. An deren Spitze der Präsident stellt, den jene Fraktion erhält, die über die relative Mehrheit verfügt.

Keine Jamaika-Koalition

In Brüssel selbst, aber auch zwischen den politischen Köpfen in den 27 verbleibenden EU-Hauptstädten wird schon vorgefühlt, wie es nach dem 26. Mai 2019 in Europa weitergehen könnte. Ein Jamaika-Bündnis, das heißt eine Koalition aus konservativen Zentrumsparteien, Sozialdemokraten und Grünen, wird für Straßburg und Brüssel nicht wirklich angedacht. Das hängt schon allein damit zusammen, dass die Grünen zu unsichere Kantonisten und zudem überwiegend links orientiert sind. Im Fokus stehen daher die Liberalen, die schon seit längerem dafür werben, auch in die Spitze der EU miteingebunden zu werden.

Einen nicht unwesentlichen Faktor spielen dabei die Franzosen. Hat sich doch nach langem Hin und Her Präsident Emmanuelle Macron entschieden, keine eigene Fraktion zu bilden, sondern sich dem liberalen Alde-Bündnis (Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) anzuschließen. Für die Liberalen ein guter Anlass, um endlich aus dem bisherigen Schattendasein heraustreten zu können. Und es kommt noch ein weiterer interessanter Aspekt hinzu. Legt doch Macron Wert auf eine Achsenbildung mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Und daran dürfte sich auch nichts ändern, wenn Merkel selbst von der Bühne abtritt.

Zahlenspiele weisen auf die Gewinner hin

Wie sehr alles in Europa in Bewegung ist, zeigen die Zahlenspiele, mit denen die für die Beobachtung der Meinungstrends zuständige Abteilung im EU-Präsidium konfrontiert ist.

Der stärkste Gewinner (+48 Mandate) dürften neue Parteien sein, aus denen sich eine neue Fraktion bilden dürfte. Dazu gehört vor allem die italienische, eher links-populistische „5-Sterne-Bewegung“, die bereits angekündigt hat, sich jedenfalls nicht mit den rechtspopulistischen Parteien zu verbünden.

Diese Gruppierung, die nationale ENF-Fraktion (Europa der Nationen und der Freiheit), darf mit starken Gewinnen rechnen (+24 Mandate). Diese Gewinne werden hauptsächlich auf das Konto der Lega aus Italien und der AfD aus Deutschland gehen. Das Abschneiden von Rassemblement National (RN) mit Marine Le Pen ist trotz des augenblicklichen politischen Stimmungstiefs von Macron noch ungewiss.

Auf der Gewinnerseite stehen wird wohl auch die liberale ALDE (+31 Mandate). Das gilt auch für die Grünen, die nach starken Verlusten wieder im Aufwind und es daher schaffen sollten, den Fraktionsstatus zu erhalten. Der Hoffnungsschimmer geht vor allem auf Deutschland zurück, wo die Grünen bereits auf dem zweiten Platz vorgestoßen sind und die SPD von dort verdrängt haben.

Kleine und große Verlierer

Als Folge des Brexit dürfte eine Fraktion, nämlich die EFDD (Europa der Freiheit und Direkten Demokratie) ihren Fraktionsstatus verlieren. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs verlässt nämlich auch die UKIP, die ganz wesentlich den Brexit verursacht hat, dem EU-Parlament. Existenzängste darf auch die konservative ECR (Europa der Konservativen und Reformisten) haben, nachdem die britischen Konservativen „Good bye“ sagen müssen.

Und wie sieht es in den beiden so genannten großen politischen Lagern aus? Als die großen Verlierer gelten heute die Sozialdemokraten, zusammengeschlossen in de S&D-Fraktion. Sie müssen dem allgemeinen politischen Trend in Europa folgend mit erheblichen Abstrichen rechnen. Sogar der Verlust des Status der zweitstärksten Fraktion ist denkbar. Von den derzeit 186 Mandaten könnten jedenfalls bis zu 50 Sitze verloren gehen, so lauten jedenfalls die derzeitigen Prognosen.

Wenngleich auch die christdemokratisch-konservative Europäische Volkspartei EVP ihre 219 Mandate nicht halten wird können und ein Minus von 20 Abgeordneten im Raum steht, was wiederum mit dem Durchhänger von CDU/CSU in Deutschland zusammenhängt, so ist ihr die Nummer 1 auch weiterhin nicht zu nehmen. Am Geschick ihres Spitzenkandidaten und Fraktionsführers Manfred Weber wird es wohl liegen, wie die „Regierungsverhandlungen“ ausgehen. Sicher ist nur, dass das EVP-S&D-Bündnis im EU-Parlament keine Mehrheit mehr hat. Außer, es geschieht noch ein Wunder und eine totale Trendumkehr.

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