Donnerstag, 21. November 2024
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EU-Rat: Bald spielt justament Griechenland die erste Geige

Am 1. Jänner 2014 übernimmt Griechenland den Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union. Das  ist ungefähr so, als würde eine Balletteuse trotz Meniskusleiden Primaballerina in der Wiener Staatsoper werden. Es ist zwar von langer Hand geplant, dass die Griechen zum fünften Mal turnusmäßig für sechs Monate die Ratspräsidentschaft ausüben, doch dass sie ausgerechnet im EU-Wahljahr drankommen, ist – nach all dem, was seit 2010 passierte – viel Pech für die Union.

[[image1]]Immerhin war der südeuropäische Inselstaat Auslöser der dramatischen Wirtschafts-, Finanz- und Staatsschuldenkrise, die noch längst nicht restlos überwunden ist. Die Hellenen, die rasch ihre einstige Reputation eingebüßt haben, mussten bekanntlich angesichts ihrer unlösbar scheinenden Troubles mit massiver EU-Hilfe in mehreren Tranchen vor dem Staatsbankrott gerettet werden.

Jetzt hat aber die alles entscheidende Gläubiger-Troika, bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds,  zum ungünstigsten Zeitpunkt anscheinend die Nase voll: Sie gab soeben bekannt, die in Aussicht gestellte Auszahlung von einer Milliarde Euro bis auf Weiteres einzufrieren, weil die griechische Regierung versprochene Reformen noch nicht umgesetzt hat. Griechenland steckt also, obzwar es bislang sechs beinharte Sparpakete zu verkraften hatte, nach wie vor bis zu den Knien im ökonomischen Schlamassl: Ein Fünftel der Wirtschaftsleistung ist verloren, die Nettoverschuldung macht noch immer horrende 322 Milliarden Euro aus, und die Arbeitslosenquote liegt zur Zeit bei 27 Prozent.

Deshalb ist es ein fatales Signal, dass justament das schwer angeschlagene Land nunmehr von Litauen den Ratsvorsitz übernehmen wird. Schließlich ist es in dieser Rolle nicht nur für die Vertretung des Rates gegenüber anderen EU-Organen, etwa der Kommission und dem Parlament, zuständig, sondern auch für die Repräsentation der Union in  internationalen Organisationen und gegenüber Drittstaaten. Obendrein wird den Griechen die Organisation und der Vorsitz bei sämtlichen Meetings des Europäischen Rates sowie der zahlreichen Ausschüsse und Arbeitsgruppen obliegen.

Mission Impossible

Das alles kann letztlich nicht gut gehen: Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras, erst seit Juni 2012 im Amt, konnte zwar gerade im Parlament das Budget 2014 durchboxen, das angesichts des erhofften kleinen Wirtschaftswachstums von 0,6 Prozent erstmals wieder einen ebensolchen Überschuss verheißt. Trotzdem glaubt ihm in ganz Europa kaum jemand, dass es mit den Griechen wieder so richtig aufwärts geht. Samaras wird jedenfalls in den kommenden Monaten alle Hände voll zu tun haben, um die ungelösten internen Probleme seines Landes halbwegs in den Griff zu bekommen.

Dem Chef der konservativen Nea Dimokratia wird folglich mit Sicherheit die nötige Zeit fehlen, um sich gleichzeitig um europäische Angelegenheiten zu kümmern. Für Finanzminister Yannis Stournaras, der ebenfalls gerne in Zweckoptimismus macht, wird es ebenfalls andere Prioritäten geben, als permanent an endlosen Sitzungen mit EU-Kollegen teilzunehmen, die ihm herzlich wenig Sympathien und Wohlwollen entgegenbringen. Schließlich dürfte auch Außenminister Evangelos Venizelos – der Vorsitzende der Sozialdemokraten fungiert in der großen Koalition zugleich als stellvertretender Ministerpräsident – rasch die Erfahrung machen, dass er mit noch so brillanten Auftritten das kaputte Image seines Landes nicht aufpolieren wird können.

Das bedeutet demnach: Unter griechischem Vorsitz wird der Rat wohl oder übel an Lähmungserscheinungen zu leiden haben, die seine Effizienz  erheblich  limitieren  könnten. Er wird jedenfalls, wenn man es weniger elegant formuliert, im ersten Halbjahr 2014 bei Sachthemen herzlich wenig weiterbringen. Die mangelnde Akzeptanz eines Landes, das am europäischen Rettungstropf hängt und von etlichen Mitgliedsstaaten massiv unter Druck gesetzt wird, ist dafür jedoch keineswegs der einzige Grund: Für den zu erwartenden Stillstand bis Jahresmitte wird wohl auch das Faktum verantwortlich sein, dass die Union schon bald im Zeichen des EU-Wahlkampfes steht, was nicht bloß die Kräfte im Rat, sondern auch jene der Kommission und des EU-Parlaments weitgehend absorbieren könnte. Die Phase der Untätigkeit ist damit allerdings, muss befürchtet werden, beileibe noch nicht zu Ende. Denn danach werden sich die 28 Regierungschefs monatelang primär mit Personalfragen befassen, und das Pokerspiel um den nächsten Kommissionspräsidenten und andere europäische Topfunktionen dürfte zentrale Themen, etwa die Bankenunion oder den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, unweigerlich in den Hintergrund drängen.

Und dann ist Italien dran

Und nachdem ein Unglück – Griechenland in Kombination mit  der EU-Wahl – bekanntlich nicht alleine kommt, wird Italien im Juli die Ratspräsidentschaft übernehmen. Also erneut ein krisengebeuteltes Land, das so sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dass ihm die Agenda der Staatengemeinschaft ziemlich egal sein muss. Die Regierung in Rom unter Ministerpräsident Enrico Letta, der erst seit April amtiert, steht auf dermaßen wackeligen Beinen, dass es sehr fraglich ist, ob es sie im zweiten Halbjahr 2014 überhaupt noch geben wird. Die leidige Affäre Berlusconi dürfte zwar Geschichte sein, aber bei den Italienern weiß man ja nie, was noch alles kommt. Die berühmte Troika sitzt auch den Italienern im Genick, beäugt Neuverschuldung und Gesamtstaatsschulden argwöhnisch und fordert vehement dringende Reformen ein. Fix ist jedenfalls, dass von Italien keine großartigen für die Europa-Politik zu erwarten sind.

Die logische Konsequenz? Der unsinnige Modus, dass die Ratspräsident-schaft jedes halbe Jahr turnusmäßig von einem anderen EU-Land übernommen wird, sollte schleunigst abgeschafft werden. Der Rat hat seit November 2009 mit Herman Van Rompuy ohnedies einen Full-Time-Präsidenten. Und sofern der Nachfolger des farblosen Belgiers, der auch die Euro-Gipfeltreffen zu leiten hatte, für diese zentrale Funktion besser geeignet wäre, könnte sich die Union Experimente wie mit Griechenland und Italien künftig ersparen.

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