Freitag, 27. Dezember 2024
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Ibiza-Affäre: Was bisher fehlt, ist Transparenz!

Die Villa in Ibiza / Bildmontage: EU-Infothek

Österreichs Wähler entscheiden über eine neue Regierung, obwohl sie über die Drahtzieher des größten politischen Skandals seit Jahrzehnten im Unklaren gelassen werden. Keine gute Voraussetzung für den 29. September.

Die Ibiza-Affäre hält seit drei Monaten nicht nur Österreich in Atem. Schließlich ist der Sturz der Regierung eines EU-Landes kurz nach der Veröffentlichung eines heimlich gedrehten Videos durch ausländische Medien mit einem rechtspopulistischen Vizeregierungschef in der Hauptrolle bisher europaweit einmalig. Das Interesse ist daher gewaltig, mehr über Österreichs womöglich größten politischen Skandal der vergangenen Jahrzehnte zu erfahren.

Deshalb war die Spannung groß, als die beiden Reporter der „Süddeutschen Zeitung“, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, vor Kurzem ihr Buch „Die Ibiza-Affäre“ vorlegten. Schließlich waren es die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“, die exklusiv das geheime Video mit dem früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seinem Parteifreund Johann Gudenus zuerst veröffentlichten.

 Die Enthüller enttäuschten

Doch die Lektüre des Buches mit dem vielversprechenden Titel „Innenansichten eines Skandals“ erweist sich als Enttäuschung. Denn das Autorentandem verrät nichts über seine Quellen und schon gar nicht über die Hintermänner und Urheber des Skandals, die ÖVP-Chef Sebastian Kurz zum kürzesten Bundeskanzler der zweiten Republik gemacht haben.

Das war durchaus zu erwarten, denn Quellenschutz ist schließlich ein hohes Gut. Aber gar keinen neuen Hinweis über die Drahtzieher zu liefern, ist für den Leser dann doch eine Enttäuschung.

Die wahre und wirklich relevante Geschichte der Ibiza-Affäre muss erst noch geschrieben werden. Bisher kennen wir nur die „bestellten Wahrheiten“, wie der berühmte Autor der „Süddeutschen Zeitung“, Herbert Riehl-Heyse, die manipulativen Inhalte zu seinen Lebenszeiten nannte. Die großen Fragen bleiben unbeantwortet.

Wer hatte ein Interesse daran, die rechtskonservative Koalition zu stürzen? Wer wollte Strache und Gudenus politisch vernichten? Warum wurde das im Sommer 2017 versteckt gedrehte Video erst wenige Tage vor der Europa-Wahl veröffentlicht? Wem wurden die Ibiza-Aufnahmen neben dem Strabag-Gründer und Neos-Förderer Hans Peter Haselsteiner angeboten? Wer war an der operativen Durchführung der Falle unweit des Ortes Sant Rafael de Sa Creu auf Ibiza direkt und indirekt beteiligt?

Mitten in dieser politischen Ausnahmesituation finden am 29. September Wahlen statt. Die „bestellten Wahrheiten“ der Ibiza-Affäre und ihre Folgen entscheiden maßgeblich über den Auf- oder Abstieg der Parteien und damit auch über die künftige Verteilung der Macht im Land.

Immenser Imageschaden

Die frühere Regierungspartei FPÖ ist in der Defensive. Sie muss ohne ihren kampferprobten Volkstribunen Strache antreten. Noch immer ringt die Rechtspartei mit den dramatischen Folgen des immensen Imageschadens und buhlt um die ÖVP als erneuter Koalitionspartner. Und die ÖVP? Parteichef Kurz wird aller Voraussicht zum zweiten Mal Kanzler – in welchem Bündnis kann er sich nach dem Wahlergebnis aussuchen.

Doch nicht nur Parteien bleiben beschädigt zurück, sondern auch das Land. Die Ibiza-Affäre hat dem Ansehen Österreichs in Europa geschadet. Die pubertären Allmachtsfantasien und das mangelnde Demokratieverständnis eines Vizekanzlers in Mitteleuropa haben viele Entscheider im Ausland in dieser Form nicht für möglich gehalten. In der internationalen Politik gibt es eine harte Währung: das ist Vertrauen.

Dieses hohe Gut ist in Folge der Ibiza-Affäre stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Schon während ihrer Regierungszeit hatten ÖVP und FPÖ gegen ein schwindendes Vertrauen bei den EU-Partnern, allen voran Deutschland, zu kämpfen. Das wachsende Misstrauen europäischer Geheimdienste war dafür ein Beispiel. Kritiker fühlen sich nun bestätigt.

 Politisches Leichtgewicht

Im jetzigen politischen Vakuum lassen die Nachbarn unterdessen Österreich links liegen. Als Ungarns Premier Viktor Orbán und Kanzlerin Angela Merkel in Sopron (Ödenburg) vor kurzem an das „Paneuropäische Picknick“ – dem ersten Loch im Eisernen Vorhang – erinnerten, fand die Feier ohne österreichische Beteiligung statt. Ein Symbol. Dabei fand bekanntlich die größte Massenflucht von DDR-Bürgern seit dem Bau der Berliner Mauer 1961 damals am Grenzübergang zwischen dem burgenländischen St. Margarethen und ungarischen Sopronköhida statt. Es ist unübersehbar: Die Übergangsregierung aus Beamten macht Österreich derzeit zum politischen Leichtgewicht in Europa.

Auch ein Vierteljahr nach dem Auffliegen der Ibiza-Affäre, ist völlig unklar, wer durch Spionagekunst diesen Skandal inszeniert, vertrieben und bezahlt hat. Die Wähler sind daher gezwungen, ihre Entscheidung an der Wahlurne ohne ausreichendes Wissen über den Auslöser der vorgezogenen Nationalratswahlen zu treffen. Ein fataler Zustand, der zu einem verzerrten Wahlergebnis führen kann.

Können die Ermittlungsbehörden den Skandal tatsächlich noch vor den Wahlen restlos aufklären, hätte das zweifellos Folgen für den Wahlausgang. Dann wären die Bürger in der Lage, mit nachprüfbaren Fakten zur Geheimaktion ihre Wahl nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.

„Zur Abschaffung von Demokratie eignet sich nichts besser als Demokratie“, sagt der Philosoph Peter Sloterdijk. Denn Demokratie ist eine fragile, verletzliche Staatsform. Zu ihrem Erhalt und zu ihrer Weiterentwicklung gehört stets maximale Transparenz.

Wer sind die Hintermänner?

Genau diese Transparenz fehlt bisher in der Ibiza-Affäre. Nicht einmal das heimliche Schreddern von drei Festplatten durch einen Kanzleramtsmitarbeiter ist aufgeklärt. Im Gegenteil, Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein betonte zuletzt, die „Reißwolf“-Aktion sei rechtlich nicht zu beanstanden. Doch in der gelebten Demokratie ist nicht alles, was formaljuristisch legal ist, auch politisch legitim.

Die Ermittlungen zur Ibiza-Affäre sind und bleiben vorerst geheim. Mit dem Verweis auf deren Gefährdung will Übergangsinnenminister Wolfgang Peschorn nichts verraten. Nur so viel ließ er zuletzt im ORF-Interview durchblicken –, dass es „natürlich“ Hintermänner gebe, die der Öffentlichkeit nicht bekannt seien.

Doch genau darum geht es. Nichts hat vor der Wahl größere Priorität als genau diese Hintermänner mit eindeutigen Beweisen dingfest zu machen und die Sachverhalte im Detail aufzuklären, um eine möglichst faire Stimmabgabe zu ermöglichen. Es ist unerlässlich, die Drahtzieher sowie deren Motive schleunigst transparent zu machen. Es ist notwendig, dass die Ermittlungsbehörden alle ihre Energie auf eine rasche Aufklärung verwenden und frühzeitig erste Ergebnisse offenlegen. Alles andere fügt der Demokratie in Österreich schweren Schaden zu.

DER AUTOR

Dr. Hans-Peter Siebenhaar (* 1962 in Thurn, Franken) studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Theater- und Kommunikationswissenschaft und Neuere Geschichte. Seit 2013 ist er Korrespondent des „Handelsblatts“ für Österreich und Südosteuropa, seit 2014 Präsident des Verbandes der Auslandspresse in Wien. Im Zürcher Verlag Orell Füssli erschien sein Buch „Österreich – Die zerrissene Republik“.

Quelle:

2 Kommentare

  1. Ibiza wurde von langer Hand eingefädelt um Strache samt FPÖ zu zerbröseln. Wahrscheinlich schon zur NR Wahl 2017 geplant. Doch dann kam Silberstein dazwischen. Aktion auf Eis gelegt. Zur EU Wahl wieder hervorgeholt. Zerbröselung der FPÖ durch Video gelungen, Regierungshinauswurf aber wieder nicht. Rücktritt von Strache, Gudenus war zu wenig. Da musste nachgeholfen werden. Kurz wurde vermutlich sehr bedrängt, die “ jetzt oder nie “ Gelegenheit zu nutzen um auch Kickl loszuwerden, mit dem Wissen, dass dies zum erhofften Erfolg ( Sprengung der Regierung ) führen wird, was dann ja schlussendlich auch gelungen ist.
    Fazit: Regierungsbeteiligung der FPÖ nicht durch Ibiza gesprengt, sondern umgekehrt. Ibiza wurde bewusst geplant um Regierung zu sprengen. Der Wähler wartet noch immer auf die Auftraggeber dieser
    Aktion. Also viel Zeit ist nicht mehr, reinen Tisch zu machen.

  2. Cui bono@ Wem nutzt das? Es gibt in Europa massive Bestrebungen rechte Parteien vom regieren abzuhalten! Ähnlich nun auch in Italien! Auch die AFD wird mit 30% Stimmanteil geschnitten! Es geht nichts über wahre Demokratien wo 30% der Wähler einfach ignoriert werden!
    Der gesamte Ibizaskandal hat noch eine wichtige Komponente: Was wusste das BVT??!
    Wenn der deutsche Clown Böhmermann über Erpressungsversuche Bescheid weiß, auch die ganze linke deutsche Szene, das BVT auf Mitteilungen der Kronenzeitung angewiesen ist müsste man mal die Qualifikation des Führungspersonals hinterfragen!!
    Sollte das BVT jedoch Bescheid gewusst haben, vielleicht sogar am Sturz des Vizekanzlers mitgebastelt haben, wäre der Skandal noch größer!
    Von einem eigenen Geheimdienst müsste man sich erwarten können dass er solche Attentatsversuche gegen bestehende Regierung sofort auslöscht!
    Würde mich interessieren wie viele Anschläge auf Trump / Putin von ihren Geheimdiensten schon verhindert wurden!

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