Dienstag, 3. Dezember 2024
Startseite / Allgemein / Nur ein Erdbeben kann die Erwartungen für den Wahlsonntag noch auf den Kopf stellen

Nur ein Erdbeben kann die Erwartungen für den Wahlsonntag noch auf den Kopf stellen

Bildmontage EU-Infothek © Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS / WILKE

Die einzige spannende Sonntagsfrage betrifft, welche Auswirkungen haben die Ereignisse der letzten 10 Tage auf das Wahlverhalten.

Geht es nach den letzten Umfragen, so zeigt sich drei Tage vor dem Wahltag ein durchgehender Trend. Und das mit + bzw. – 1 Prozent. Die ÖVP darf mit 34 Prozent, die SPÖ mit 22, die FPÖ mit 20, die Grünen mit 11, die NEOS mit 8 Prozent rechnen. Für die Liste JETZT heißt es Abschied nehmen vom Parlament. Es ist im Grunde genommen, ein erstaunlich stabiles Resultat, das sich fast über den ganzen Sommer hinweg gezeigt hat. Die Ereignisse des Sommers, die Ibiza-Affäre, die Schmierenposse Schreddern, die Diskussion um die Parteifinanzen haben zwar immer wieder kleine prozentuelle Verschiebungen ergeben, aber zu keinen Umstürzen geführt.

Stärkung der Grünen auf Kosten der SPÖ

Über den Zeitraum von drei Monaten hat es bloß eine Reihe von Wählerströmen gegeben. Profiteur davon wurden die Grünen, die nun wieder zurück ins Hohe Haus kommen. Den Hauptteil der Stimmen konnten sie von der SPÖ lukrieren, die nun das schlechteste Ergebnis ihrer Parteigeschichte erwartet. Auch ein Zeugnis für die inhaltliche Leere der Sozialdemokraten, die es nicht verstanden haben, auf die neuen Fragen der Zeit eine zukunftsweisende und glaubwürdige Antwort zu geben. Ein nicht nur österreichisches sondern vor allem europäisches Problem. Attraktiv waren die Grünen allerdings auch für so manche Wähler der Volkspartei und zwar vor allem aus dem Bereich der Städte und des sie umgebenden so genannten Speckgürtels. Eine gesellschaftliche Gruppe, die durchaus zu gewissen Träumereien neigt.

Jungwähler-Manko bei der Volkspartei

Die Volkspartei selbst hat einerseits Wähler von der FPÖ zu sich herüberziehen können, musste aber andererseits auch Stimmen an die NEOS abgegeben. Was auch damit zusammenhängt, dass einige ihrer agierenden Personen aus dem Umfeld der ÖVP kommen und diese Bewegung an sich ein eher jugendliches Image hat. Interessant ist übrigens, dass die Volkspartei zwar mit Sebastian Kurz den jüngsten Bundeskanzler hatte und Parteivorsitzenden noch immer hat, aber bei den jugendlichen Wählern trotzdem nicht punkten kann. Tatsächlich liegt die ÖVP bei den bis zu 30-jährigen Wählern unter dem Durchschnitt, hingegen bei den über 45-jährigen weit darüber. Dazu kommt, dass Kurz zwar noch immer fast konkurrenzlos die Liste der populärsten Spitzenpolitiker anführt, allerdings bei den Qualitätsmedien mit mehr Widerspruch als noch vor einem halben Jahr rechnen muss. Da gibt es auch Gegenwind. Und was Kurz seit dem Misstrauensantrag fehlt, ist die internationale Präsenz, die eben nur ein Bundeskanzler hat.

FPÖ kann auf Stammwähler bauen

Und trotzdem gibt es für den Sonntag noch einige spannende Fragen. Allen voran, ob die jüngsten Affären rund um das Ibiza-Video und Heinz Christian Strache nicht doch noch kurzfristig Auswirkungen haben könnten. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass solche in letzter Minute hochgespielte Skandale die Wählerschaft kaum noch beeinflussen. Auch wenn, die Zahl jener, die sich noch nicht entschieden haben, wem sie letztlich die Stimme geben werden, relativ hoch ist. Nicht zuletzt, weil es sich dabei oft um Geschichten handelt, die für den Normalbürger nicht durchschaubar sind. Dazu kommt, dass es der FPÖ durchaus gelungen ist, sich ein Stammwählerpotential zu schaffen. Das übrigens gerade Herbert Kickl mit seinen Sprüchen anzusprechen weiß. Und zur Folge hat, dass die noch von Ex-Kanzler Christian Kern propagierte Rückholaktion von an die FPÖ abgewanderten SPÖ-Wähler verpuffen ließ.

Ein Mühlstein namens Rendi-Wagner

Bei der SPÖ ist jedenfalls sicher, dass der Angriff von Pamela Rendi-Wagner, in Zusammenhang mit Hofers fiebrigen Zustand bei der TV-Diskussion und dann noch mit seinem Lebenslauf, Kurz zwei Gesichter vorzuwerfen, ein Rohrkrepierer war. Damit konnte sie zwar bei den Hardcore-Sozialisten vielleicht Punkte für ihre Angriffigkeit sammeln, büßte aber bei den offenen Wähler schwer an Glaubwürdigkeit ein. Wenngleich man ihr attestiert, sich im Wahlkampf etwas besser als ursprünglich erwartet geschlagen zu haben, wird sie in den Umfragen heraus als ein Mühlstein am Hals der SPÖ gesehen. Das dürfte dann auch in der folgenden Personaldiskussion noch eine Rolle spielen. Offen ist allein, ob es der SPÖ gelingt, ihre Reserven noch in den letzten Tagen zu mobilisieren. In der Vergangenheit war dies ihr hin und wieder gelungen, aber die alten Zeiten der Solidarität gehören auch da wohl eher der Geschichte an.

Deutliche Verschiebung nach Mitte-Rechts

Das, was jedenfalls schon jetzt feststeht ist, dass sich die beiden großen politischen Lager nicht nur gefestigt haben, sondern auch eine deutliche Gewichtsverschiebung stattfand. Seit den ersten Nationalratswahlen 1945 gibt es in Österreich – ausgenommen die Zeit von Bruno Kreisky, also von 1971 bis 1983 – einen leichten Überhang für das so genannte bürgerliche Lager. Seit 2017 hat sich jedoch eine deutliche Kräfteverschiebung nach Mitte-Rechts ergeben, nämlich von knapp über 50 in Richtung 60 Prozent. Übrigens ein Phänomen, das man quer durch Europa feststellen kann und daher auch die Linke so unruhig macht. Eine Koalition ohne Kurz und die ÖVP ist jedenfalls aussichtslos – und daher auch die Warnung vor einem Rot-Grün-NEOS-Bündnis nicht wirklich realistisch. Da müsste es schon zu einem Stimmenerdbeben kommen, das aber nicht absehbar ist. Selbst wenn man immer wieder davon ausgehen muss, dass auch Umfragen ihre Tücken haben.

4 Kommentare

  1. Aus meiner Sicht laeuft Kurz Gefahr, ob der guten Umfragen, letztlich unter den Erwartungen zu landen was sein Image ein wenig ankratzen sollte.
    PRW als fachlich geeignete Ministerin, tat sich in Ihrer Rolle als Parteichef sehr schwer. Aus meiner Sicht waere eine Doppelspitze PRW (sachlich, good cop) und Leichtfried (angriffig, bad cop) besser gewesen.
    Mal sehen ob Gruene und Neos ihre Umfragewerte erreichen. Bei den Grünen denke ich das NICHT, Neos könnte zu Lasten Oevp die Erwartungen sogar leicht übertreffen. Jetzt sollte die TV preasenz auch leicht nutzen.
    Meine Prognose
    OEVP: 32%
    SPÖ: 23%
    FPÖ: 20%
    Gruene: 10%
    NEOS: 9%
    JETZT: 2%
    andere: 4%

  2. Nach meiner Meinung sind die Anschuldigungen der letzten Tage an Herrn Strache praktisch Inflationär und bewirken manch geistige Schubumkehr bei selbst hartgesottener Gegner der FPÖ , es gibt einen Namen für dieses Phänomen.
    Auch beim geringen Rückgang der Stimmen muss man berücksichtigen das es zum Teil der harte rechte Kern ist , der von der Partei enttäuscht ist und nicht das Video ausschlaggebend war .

  3. Naja, wenn man als Qualitätsmedien auch die Krone ansieht, ist seit dem Kauf der Anteile an Krone und Kurier durch den Kurz Freund Benko nur noch die FPÖ das Thema gewesen. Allerdings wurde mit allen Mitteln auf die FPÖ eingehackt. Bedenklich war nach dem Kauf die Absetzung von Brandtstätter beim Kurier und die „Versetzung“ des FPÖ freundlichen Chefredakteurs von Krone Online.
    Kurz kam in der Krone immer gut weg.
    Als besondere Farce bewerteten sog. Experten als Schiedsrichter, welche Karten verteilen konnten, politische Vorgänge. Diese „unabhängigen“ Experten vergaben Karten an die Parteien, wobei die ÖVP sehr gut abschnitt.

    Fazit: Während Strache für die FPÖ bei der Krone an Einfluss gewinnen wollte, hat Kurz das für die ÖVP über seinen Freund Benko erledigen lassen.

  4. Ich werde am kommenden Sonntag die FPÖ wählen! Denn diese sogenannten Skandale, immer die FPÖ betreffend, und immer wieder vor einer Wahl resp. irgendwelchen wichtigen Entscheidungen für Österreich, haben offensichtlich in Österreich „Kultur“ ! Sie werden von div. Parteien, Privatpersonen, etc. beauftragt und finanziert, teilw. oder großteils mit Steuergeldern, um die Politik in die gewünschte Richtung zu lenken ! Vor allem ist man daran interessiert, alte Strukturen zu belassen, ergo den Thron nicht freiwillig hergeben zu wollen ! Denn, jede Partei hat ihr Ibiza und sicherlich ihre „seltsamen“ Spesenkonten/-kontoführungen, davon bin ich felsenfest überzeugt ! Daher bleibe ich bei FPÖ, ich lasse mich nicht irre machen, von irgendwelchen manipulativen Vorgehensweisen, vor allem aber nicht durch den Zwangsgebührensender ORF und Konsorten ! Ich bin auch überzeugt, daß eine Beteiligung der Linken (Rot, Grün, teilw. Neos) bzw. eine linke Regierung überhaupt, Österreich und den Österreichern nicht gut tun würde !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

  Mag. Timo Gerersdorfer ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger und hat Prof. Gert Schmidt vertreten. Kommentar …