Ökonomen vergleichen Beitrittsländer mit einem „synthetischen Referenzland“.
[[image1]]Den nicht wenigen Gegnern der EU werden die Berechnungen nicht gefallen, die Nauro F. Campos (Brunel University/IZA-Bonn), Fabrizio Coricelli (Paris School of Economics/CEPR-London), Luigi Moretti (University of Padova) zu den ökonometrischen Folgen eines EU-Beitritts angestellt haben. Denn abgesehen von Griechenland stellen sie in jeder der vier im Zehnjahresabstand erfolgten Beitrittswellen in Hinsicht auf Wachstum und Produktivität für jedes Beitrittsland Vorteile gegenüber ihrer Nicht-EU-Simulation fest. Diese wären „signifikant positiv und substantiell“ und würden für alle Beitrittsländer im Schnitt bei zehn Prozent liegen und für die letzten drei Beitrittswellen sogar auf zwölf Prozent ansteigen.
Das „synthetische“ Referenzland
Nun ist die Frage, was wäre geschehen, wenn ein Land zu seinem Beitrittszeitpunkt eben nicht beigetreten wäre, klarerweise nicht mit Sicherheit zu beantworten. Folglich kann jegliche Berechnung bestenfalls eine mehr oder weniger plausible Schätzung sein, die die Ökonomen zu erreichen versuchen, indem sie zu jedem Beitrittsland ein synthetisches Referenzland entwickeln. Dieses Referenzland ergibt sich aus einem Mix aus anderen Ländern, deren ökonomische Situation, gemessen an den für das Modell relevanten Variablen, möglichst genau dem Vergleichsland entspricht, nur dass diese Länder nicht gerade der EU beitreten. Dabei wird statistisch zudem auf Regionen herunter gebrochen, wobei für Österreich übrigens eine Kombination aus 11,2 % Australien, 27,4 % Kanada und 61,4 % der Schweiz herangezogen wurde.
Angegebene Ergebnisse an der „Untergrenze der Wachstums- und Produktivitätseffekte“
Weil die Integrationsprozesse jedoch in vielen Bereichen erfolgen und es plausibel sei, dass über diese Bereiche und in der Zeit Variationen auftreten, steige die Komplexität der Konstruktion des Vergleichsmaßstabes. Darüber hinaus wird ein EU-Beitritt lange im Voraus angekündigt, wodurch die daraus resultierenden positiven Effekte vorweggenommen werden könnten. Letztendlich sehen die Ökonomen auch das Problem, dass es in jedem der letzten vier Jahrzehnte jeweils eine Beitrittswelle gegeben hat, wo jeweils stark unterschiedliche ökonomische Verhältnisse herrschten und sich auch die jeweiligen Beitrittsländer ökonomisch stark unterschieden haben, weshalb solide statistische Schätzungen sehr schwer zu leisten wären. Das hätten die Ökonomen freilich beachtet, so dass ihre Ergebnisse daher als „konservativ“ bzw. als „Untergrenze der tatsächlichen Wachstums- und Produktivitätseffekte eines EU-Beitritts“ anzusehen wären.
Dabei sei der BIP-Pro-Kopf Zuwachs in Irland am stärksten gewesen, während das Produktivitätswachstum in Dänemark, UK, Portugal, Spanien, Österreich, Finnland, Estland, Polen, Litauen und Lettland jedenfalls signifikant angestiegen sei. Indes fielen die Zuwächse in Schweden, Tschechien, Slowakei, Slowenien und Ungarn zwar noch immer positiv aus, waren aber deutlich geringer. Während sich in Schweden nur die Arbeitsproduktivität signifikant verbessert habe, würden hingegen Österreich und Finnland zeigen, dass eine EU-Mitgliedschaft sowohl in Hinsicht auf das BIP pro Kopf als auch bei der Arbeitsproduktivität eine „permanente Wachstumsdividende“ liefern könne.