Samstag, 21. Dezember 2024
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Hallo Ö1? Hier spricht Radio Tirana!

Der staatliche Radiosender trifft seine Themen- und Gästeauswahl traditionell so, als wäre das Land noch immer sowjetisch besetzt. Eine 25%-Grenze sollte ein Viertel aller politischen Beiträge bzw. aller Sendezeiten für „nicht-linke“ Sichtweisen reservieren.

[[mage1]]Radio Tirana

Wenn Philosoph Christian Felber im Ö1-Radiokulturhaus gegen Kapitalismus und Eigennutz predigt, dann stellt niemand lästige Fragen – schon gar nicht jemand von Ö1. Man ist ja unter Freunden.

Im roten Staatssender berichten Philosophen und Soziologen im Stakkato über die Ausbeutung indigener GewerkschafterInnen durch US-amerikanische Konzerne. Man beklagt sinnentleerte Gesellschaften, vom Finanzkapital gelenkt. Und deren Bürger, die sich aus Frust über fehlende Mitbestimmungsmöglichkeiten in sinnlosem Frust-Konsum ergehen.

Stimmungsbild Ö1? Rom: Tag eins vor seinem Untergang.
Nachfolgend ein Blitzlicht politischer Sendungen der letzten beiden Werktage. Kurios. Aber traurig.

21.3. (9:05)  Radiokolleg: „ Sinnkrise in der Arbeitswelt. Aufgehetzte Arbeiter“
Ö1: „In der Arbeitswelt macht sich die große Sinnkrise breit. Arbeitsprozesse werden sinnentleert, Unternehmensziele undurchschaubar, der Sparzwang hetzt die Mitarbeiter gegeneinander auf.“ Wilhelm Schmid, Philosoph, ist als Kritiker von Kapitalismus und Profitgier bekannt. Mit ihm spricht Michael Kerbler.

21.3. (14:05)  Von Tag zu Tag: „Spekulanten, Heuschrecken, Profithaie“
Rainer Rosenberg spricht mit Dieter Stiefel über dessen Buch „Als Heuschrecken noch Haifische genannt wurden“. Laut Ö1 handelt es sich dabei um den jüdischen Korruptionisten, Kulturmäzen, (…), Großkapitalisten und Profithai Castigliani. Rosenberg: „Der Untertitel lautet: Die Metaphysik der Haifische. Was ist so metaphysisch bei einem Spekulanten?“ Antwort: „Fressen und gefressen werden. Für den Unternehmer Castigliani war alles käuflich…“

21.3. (16:00)  Da Capo: Tonspuren: „Gegen die soziale Not“
Christian Lerch spricht über den Vorarlberger Schriftsteller Franz Michael Felder. Der anti-klerikale Felder prangerte die soziale Not Mitte des 19. Jahrhunderts an und kämpfte gegen Monopolisten.

22.3. (14:05)  Von Tag zu Tag: „Verschwörung anonymer Wirtschaftsmächte“
Ö1: „Die Welt läuft aus dem Ruder und niemand stoppt sie. Wer kann die Welt verändern und wie?“ Zu Gast bei Elfi Geiblinger ist Klaus Firlei, Präsident der linken Robert Jungk-Stiftung. Der Markt hätte nur eine ganz begrenzte Funktion, so Firlei und: „Wir werden von anonymen Mächten beherrscht“.

22.3. (16:00)  Im Gespräch: „Es geht ein Gespenst um in Europa“
So beginnt auch das Kommunistische Manifest. Im Interview Michael Kerblers mit Paul Liessmann endet der Satz: Es ist das Gespenst der Fremdbestimmtheit. Philosoph Liessmann war als Student bei den Marxistisch-Leninistischen Studenten. Ö1: Eine wachsende Zahl von Europäern bezweifelt, dass die Macht noch vom Volke ausgeht. Der Vorschlag von Ö1: Philosophen sollten stärker eingreifen.

Philosophischer Marxismus

Auf Ö1 gibt es jedenfalls keinen Mangel an Philosophen. Zumindest nicht an solchen wie Marx, Adorno, Fromm, Jungk oder Marcuse („Kann Philosophie denn nur marxistisch?“).

Mit der einseitigen Auswahl an Themen, Interviewgästen und Fragestellung hält Ö1 seit vielen Jahren ein linkes Stimmungsbild am Köcheln. Man erweckt den Eindruck, als wäre „unser System“ moralisch und materiell am Ende. Bewusst hebt Ö1 marxistische Utopien und Grund-Missverständnisse (wie den Glauben an die Verschwörung durch das Kapital, die Banken und die Reichen) in die Mitte der Gesellschaft. Und verschafft ihnen ein Erklärungsmonopol, weil man auf konservative oder wirtschaftsliberale Gegenpositionen verzichtet. Damit entsteht eine „Fin de Siecle“-Stimmung, wie sie marxistische Utopien schon in den 1920er-Jahren erzeugt haben.

„25% Anderssein“ erlauben

Von allen ORF-Sendern braucht Ö1 am schnellsten die 25%-Regel:
• „Linke“ Themen können gerne auch weiterhin gewählt werden. Es müssen dann aber 25% der Sendezeit für konservative oder wirtschaftsliberale Standpunkte reserviert sein.
• Über das gesamte Programm hinweg gesehen müssen 25% aller politischen Interviewpartner aus dem Nichtlinken-Milieu stammen
• Insgesamt müssen 25% der philosophischen Ansätze ihren geistigen Ursprung in konservativen oder wirtschaftsliberalen Gedankenwelten haben.

Ö1 demokratisieren

Österreich braucht Demokratie wie der Hungernde den Bissen Brot.
Alle staatlichen Fernsehsender und Radiostationen werden – wie die meisten Boulevardmedien – von der „Staatspartei“ kontrolliert (oder wenigstens „inspiriert“). Seit Jahrzehnten ist jede andere Partei außer der Staatspartei chancenlos, den Bundeskanzler durch offene Wahlen stellen zu können. Das wäre aber eine wesentliche Voraussetzung von Demokratie.

Wenn nichtlinke Ideen nicht endlich eine faire Chance auf öffentlichen Diskurs bekommen, dann bleibt Österreich geographisch weiterhin näher bei Weißrussland als bei Westminster.
 

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