Donnerstag, 21. November 2024
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Die humanitäre Seite der EU

Der Start ins Neue Jahr ist ein idealer Anlass,  die ansonst so häufig gescholtene Europäische Union einmal ins Scheinwerferlicht zu rücken.

Grund für das heute fällige Lob  sind zum einen  humanitäre Hilfsaktionen, mit denen Brüssel einige – großteils afrikanische – Staaten unterstützt, die gegen Armut, Hungersnöte und Flüchtlingswellen ankämpfen müssen; zum anderen ist das finanzielle Engagement der EU-Kommission positiv zu bewerten, das primär aus demokratiepolitischen Gründen etlichen Ländern zuteil wird, die sich ebenfalls in einer – wenn auch anders gearteten – prekären Situation befinden, darunter die Ukraine, aber auch Armenien und mehrere Balkanstaaten.

Speziell in der Vorweihnachtszeit hat sich die Union diesbezüglich erfreulicher Weise ganz besonders ins Zeug gelegt, sodass allein im vergangenen Dezember mehrere Hilfspakete beschlossen und beträchtliche Summen bewilligt wurden. Die einschlägigen Initiativen im Zeitraffer:

O  Anfang Dezember hat Neven Mimica, der EU-Kommissar für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, in Cote d‘Ivoire (Elfenbeinküste) bei einem Treffen mit dem dortigen Premierminister einen mit rund 112 Millionen Euro dotierten Jahresaktionsplan unterzeichnet, der aus dem 11. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) finanziert wird. Dabei geht es um zwei wichtige Projekte, nämlich die Förderung des Energiesektors und die Entwicklung des ländlichen Raums. Die Europäische Union möchte das Land, in dem erst vor kurzem Präsidentschaftswahlen stattgefunden haben,  weiterhin dabei unterstützen, den Frieden und sozialen Zusammenhalt zu festigen und wirtschaftliches Wachstum zu sichern.

O  Am 7. Dezember beschloss die Kommission eine Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung der Dezentralisierungsreform in der Ukraine und der Stärkung der dortigen Gebietskörperschaften. Mit 97 Millionen Euro soll die Verwaltung gestärkt werden, 10 weitere Millionen aus dem so genannten Stabilitäts- und Friedensinstrument werden für die Wiederherstellung staatlicher Strukturen bereitgestellt. Alles in allem  belief sich die Finanzhilfe der EU an die Ukraine im Jahr 2015 auf 200 Millionen Euro. Das Land stehe, wie es EU-Vizepräsidentin Federica Mogherini formuliert hat, „auf der Tagesordnung der EU weiterhin ganz oben.“

O  Am 10.  Dezember gab Christos Stylianides, EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, bekannt, dass Brüssel zur Unterstützung der Flüchtlinge auf der Westbalkanroute eine zusätzliche Soforthilfe in Höhe von 13 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Damit sollen etwa in Serbien und Mazedonien Notunterkünfte, Nahrungsmitteln, medizinische Versorgung u.a. finanziert werden.

O  Am 11. Dezember wurde zwecks Armutsbekämpfung in Eritrea eine neue, langfristig angelegte Unterstützung im Ausmaß von 200 Millionen Euro angekündigt, die – so wie im Fall Cote d‘Ivoire – aus dem 11. Europäischen Entwicklungsfonds finanziert wird. Mit dieser Summe  sollen einerseits Arbeitsplätze geschaffen und die Lebensbedingungen verbessert, anderseits die Stromversorgung im Lande ausgebaut und die Landwirtschaft gefördert werden.

O  Ebenfalls am 11. Dezember verabschiedete die EU-Kommission ihr geplantes, eine Milliarde Euro umfassendes Programmpaket zur Unterstützung von Reformen in Ländern, die der Union beitreten möchten. Diese Mittel werden aus der so genannten Heran-führungshilfe (IPA II) aufgebracht und kommen etwa Albanien, Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro, Serbien und der Türkei – mit 255 Millionen größter Nutznießer – zugute. In erster Linie geht es dabei um Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, Demokratie, gute Regierungsführung, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, Bildung und Entwicklung des ländlichen Raums. Auf diese Weise soll „die politischen und wirtschaftlichen Reformprozesse dieser Staaten auf ihrem Weg in die EU“ unterstützt werden, erläuterte der zuständige Austro-Kommissar Johannes Hahn.

O  Am 14. Dezember erhöhte die Kommission ihre humanitäre Hilfe im Zusammenhang mit der Krise im Jemen um 15 Millionen Euro  – 37 Millionen sind  im abgelaufenen Jahr bereits zur Verfügung gestellt worden. Die EU will den humanitären Organisation vor Ort helfen, lebensrettende Aktivitäten in den Bereichen Nahrungsmittel-versorgung, Gesundheitsfürsorge sowie Wasser- und Sanitärver-sorgung zu intensivieren. Auf Grund des bewaffneten Konflikts in den vergangenen Monaten, der eine große Zahl ziviler Opfer gefordert hat, benötigen rund 21 Millionen Menschen – das sind 82 Prozent der Gesamtbevölkerung – dringend Hilfe jeglicher Art.

O  Am 16. Dezember wurde in Brüssel ein mit 30 Millionen Euro dotiertes Programm präsentiert, das Armenien dabei unterstützen soll, Reformen durchzuführen, seiner Bevölkerung bessere Beschäftigungs-möglichkeiten zu eröffnen und die armenische Zivilgesellschaft enger an demokratischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

O  Am 17. Dezember genehmigte die EU-Kommission weitere fünf Millionen Euro, um der Bevölkerung in Burundi sowohl daheim als auch außerhalb des Landes beizustehen.  2015 sind mehr als 220.000 Menschen vor der Gewalt in benachbarte Länder wie Tansania, Ruanda, Uganda und die Demokratischen Republik Kongo geflohen.  Sie benötigen dort insbesonders Unterkünfte, sauberes Trinkwasser, Sanitäreinrichtungen sowie medizinische Betreuung, um die Ausbreitung von Epidemien wie Cholera zu verhindern. Der Großteil der mehr als 100.000 burundischen Flüchtlinge, die in Tansania Zuflucht suchten, ist im dortigen Lager Nyarugusu untergebracht, wo zuvor bereits 60.000 kongolesische Flüchtlinge aufgenommen worden sind. Jetzt werden zwei neue Camps errichtet, um die chaotischen Zustände etwas zu entschärfen.

O  Am 21. Dezember bewilligte die Kommission  weitere 20 Millionen Euro, die zur Bekämpfung der Hungersnot im Südsudan dienen sollen. Der seit Dezember 2013 andauernde Konflikt, der zwei Millionen Menschen zur Flucht in Nachbarländer gezwungen hat, ist trotz des Friedensabkommens vom August 2015 nicht beigelegt, vor allem im Bundesstaat Unity kommt es nach wie vor zu Kampfhandlungen und massiven Menschenrechtsverletzungen. Bei Übergriffen auf humanitäre Helfer wurden bereits 41 Menschen getötet. Insgesamt hat die EU im Vorjahr den Südsudan und die von der Krise betroffenen Nachbarländern mit 165 Millionen Euro unterstützt.

O  Am 22. Dezember  gab es für eine Finanzhilfe im Ausmaß von 12 Millionen Euro grünes Licht, die für Afghanistan bereitgestellt werden. Die drastische Verschärfung des gewaltsamen Konflikts in städtischen als auch ländlichen Gebieten hat das Land in eine dramatische humanitäre Krise gestürzt, wobei der Zugang zu den Hilfsbedürftigen auf Grund der prekären Sicherheitslage ebenso schwierig wie gefährlich ist.  2015 wurden von der Europäischen Union 40 Millionen Euro bereitgestellt, um die ärgste Not der afghanischen Bevölkerung zu lindern.

O  Am 23. Dezember fiel in Brüssel schließlich die Entscheidung, der  Bevölkerung in Libyen mit einem 6,6 Millionen Euro umfassenden Finanzpaket zur Hilfe zu eilen. Priorität sollen dabei zum einen die Modernisierung des Gesundheitsbereichs, zum anderen die Unterstützung von Jugendlichen haben, die im Stabilisierungsprozess eine zentrale Rolle übernehmen könnten.

Rekordsumme für 2016

Die Weichen für das heurige Jahr wurden Mitte Dezember auch schon gestellt: Bei den  1,1 Milliarden Euro, die allein für humanitäre Hilfen budgetiert sind, handelt es sich um den bislang höchsten Betrag, mit dem das Leid von Millionen Menschen gelindert werden soll, die auf Grund bewaffneter Konflikte, Naturkatastrophen oder dramatischer Wirtschaftskrisen in Not geraten sind. Diese Mittel werden den Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak, dem Libanon oder Jordanien eben so zugute kommen wie Vertriebenen in Kolumbien, Myanmar und Afghanistan – allesamt Länder, die nicht gerade im Fokus der Europäer stehen. Naturgemäß werden sie teilweise auch in der Ukraine, im Südsudan, der Sahelzone und der Region um den Tschad-See landen. Obwohl der

Großteil schon jetzt verplant ist, stehen rund 190 Millionen Euro in Reserve parat, um für unvorhersehbare Katastrophen gewappnet zu sein.
Auch wenn unzählige kurzsichtige bzw. ignorante EU-Skeptiker in ganz Europa wohl eisern die Meinung vertreten, dass solche Zahlungen überflüssig seien, weil etwa Hungersnöte in Afrika die Europäische Union absolut nichts angingen, erübrigt sich dazu jegliche Diskussion:  Es muss selbstverständlich sein, dass eine vergleichsweise reiche Staatengemeinschaft wie die EU armen Ländern bei Bedarf humanitäre Hilfe leistet – auch wenn sich die jeweiligen Katastrophen tausende Kilometer von uns entfernt abspielen. Jede Kritik an offensichtlich verantwortungsbewussten EU-Politikern, die ein Herz für Arme, Hungernde, Verfolgte oder aus ihrer Heimat Vertriebene zeigen, ist jedenfalls letztklassig und durch absolut nichts zu rechtfertigen. Es handelt sich nämlich beileibe nicht nur um eine Frage der Menschlichkeit, wenn Europa den am schlimmsten betroffenen Krisengebieten finanzielle Hilfestellung leistet: Was sich beispielsweise in der Ukraine, in Syrien oder in Afrika ereignet, hat für die Europäische Union auch eine eminent politische Dimension – schließlich handelt es sich sozusagen um Nachbarn von nebenan, deren Probleme, wie uns die Flüchlingswelle klar gemacht hat, sehr rasch zu unseren und eine riesige Herausforderung werden können…
 

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