Die Ruhe an den Märkten in den vergangenen Monaten war trügerisch. Die Eurokrise ist noch lange nicht überwunden. Die nervösen Reaktionen auf die politische Unsicherheit in Portugal zeigt, wie fragil die Lage nach wie vor ist. Und Portugal ist beileibe nicht der einzige Unruheherd. Auch aus Griechenland und Italien kommen schlechte Nachrichten.
[[image1]]„Uns gefällt diese Instabilität nicht“, sagte Marco Buti, Generaldirektor für Wirtschaft und Währung bei der EU-Kommission, am Freitag vormittag in Lissabon. Immerhin sieht es so aus, als ob Neuwahlen in Portugal vorerst abgewendet wurden. Ministerpräsident Pedro Passos Coelho hat den kleinen Koalitionspartner CDS davon überzeugt, in der Regierung zu bleiben. Passos Coelho hatte angekündigt, um diese Regierung zu kämpfen: „Ich lasse mein Land nicht im Stich.“
Noch ist aber unklar, wie stabil die Regierung nach den Wirren der vergangenen Tage sein wird. Und es ist unklar, ob die Wirtschaftspolitik neu ausgerichtet wird. CDS-Parteichef Paulo Portas hatte sein Amt als Außenminister niedergelegt, weil er mit der Nachfolge des am Montag zurückgetretenen Finanzministers Vitor Gaspar nicht einverstanden war. Die Nachfolgerin Maria Luis Albuquerque stehe für denselben Austeritätskurs, kritisierte Portas.
Sollte die CDS künftig für eine Abkehr vom Sparkurs sorgen, dann hätten Portugal und die Eurozone ein Problem. Die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank prognostiziert, dass die portugiesische Staatsverschuldung im kommenden Jahr auf 124 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen wird. Sollte Portugal künftig mehr ausgeben, könnte der Anstieg noch deutlich höher ausfallen.
Die portugiesische Regierung hatte sich bisher redlich bemüht, die Auflagen des Hilfspakts mit einem Volumen von 78 Milliarden Euro zu erfüllen. Die tiefe Rezession, die in ihr drittes Jahr geht, hat allerdings die Haushaltskonsolidierung erschwert. Für dieses Jahr haben die internationalen Geldgeber bereits Konzessionen gemacht, aber selbst das neue, höhere Defizitziel von 5,5 Prozent des BIP stellt eine große Herausforderung dar.
Rückkehr des Landes an die Finanzmärkte sehr unwahrscheinlich
Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva betonte am Freitag, dass die jüngsten Ereignisse die für das kommende Jahr vorgesehene vollständige Rückkehr des Landes an die Finanzmärkte sehr viel unwahrscheinlicher erscheinen lasse als noch vor ein paar Tagen. Das dreijährige Hilfspaket der internationalen Geldgeber läuft im Juni 2014 aus und in Brüssel wird schon überlegt, ob das Land ein weiteres Hilfspaket bekommt oder ob andere Optionen einen sanften Übergang an die Finanzmärkte sicherstellen können. Eine vorsorgliche Kreditlinie des Rettungsschirms ESM kommt streng genommen nicht in Frage, weil es Ländern ohne Hilfsprogramm vorbehalten soll. In der Krise sind in Brüssel aber schon viele Regeln aufgeweicht worden.
Griechenland kann sich in den kommenden Tagen ebenfalls vermehrter Aufmerksamkeit sicher sein. Die Minister der Eurozone treffen sich am Montag und wollen erörtern, ob Griechenland die nächste Milliardentranche aus dem Rettungspaket erhält. Das Land hat erneut Auflagen zum Abbau des öffentlichen Dienstes nicht erfüllt. Nun kommt es darauf an, ob die Troika ein Auge zudrückt oder auf strikte Einhaltung pocht.
Gleichzeitig läuft in Italien der Staatshaushalt aus dem Ruder. Die italienische Statistikbehörde berichtete in dieser Woche, dass das Haushaltdefizit im ersten Quartal 2013 auf 7,3 Prozent des BIP gesprungen ist, nachdem es im Vorjahreszeitraum 6,6 Prozent betragen hatte. Ministerpräsident Enrico Lette sieht neue, flexiblere EU-Haushaltsregeln für „Zukunftsinvestitionen“ als großen Sieg, was darauf schließen lässt, dass sich sein Sparwille in Grenzen hält.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betonte am Donnerstag, dass die jüngsten Ereignisse in Lissabon und die nervöse Reaktion der Märkte beweise, dass es gefährlich ist, den Eindruck zu erwecken, ökonomische Ungleichgewichte nicht mehr korrigieren zu wollen. Er nannte dies die wichtigste Lektion der vergangenen Tage. Offenbar ist sie noch nicht überall begriffen worden.