Peinlich, peinlich: Das Innenministerium ist endgültig zur Zentralstelle für politische Blamage geworden. Die groteske Lachnummer rund um die defekten Wahlkarten-Kuverts findet im Ausland großen Widerhall – und im eigenen Land zweifeln Wählerinnen und Wähler zusehends an der Funktionstauglichkeit der für viele wichtige Aufgabenbereiche zuständigen Dienststelle in der Wiener Herrengasse. In internationalen Medien wird die Republik genüßlich mit Spott überhäuft, und für gelernte Österreicher liegt die Vermutung nahe, dass es derartige Hoppalas bei Wahlen schon immer gegeben haben dürfte. Offensichtlich deshalb, weil in Österreich – wie es der frühere Wien-Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ ausdrückt – eine „Schlampokratie“ herrsche.
Die auf rot-weiß-roter Schlamperei basierende Briefwahl-Posse ist so ungefähr das Unnötigste, was diesem Land hätte passieren können: Die beiden Kandidaten um die Präsidentschaft verdienen Mitleid, weil sie nahezu ein Jahr lang werden wahlkämpfen müssen, und die Wahlberechtigten sind ebenfalls zu bedauern, weil ein dreifacher Urnengang nicht gerade jedermanns Lieblingshobby sein dürfte. Man sollte freilich die Kirche schon im Dorf lassen: So überflüssig dieses „Debakel“ (Alexander Van der Bellen) auch mit Sicherheit ist – ein „demokratiepolitisches Fiasko“, das der „Standard“ ortete, sieht anders aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, wo Wahlergebnisse schamlos manipuliert werden, wird bei uns, nicht zuletzt vom gestrengen Verfassungsgerichtshof, monatelang gekämpft, dass die Stimmenabgabe möglichst sauber ist. Das heißt also: Die Demokratie ist keineswegs beschädigt, dafür aber umso mehr die Bürokratie.
Wann gibt es Konsequenzen?
Die Frage nach den Schuldigen ist leicht zu beantworten: Innenminister Wolfgang Sobotka als Vorsitzender der Bundeswahlbehörde steht seit Monaten ebenso im Regen wie seine drei Stellvertreter – die Beamten Robert Stein, Mathias Vogl und Gregor Wenda. Schließlich vertreten diese vier Herren die oberste Wahlbehörde, womit sie automatisch die Letztverantwortung zu übernehmen haben, falls etwas schief läuft. Und daneben gegangen ist nicht nur bei der Stichwahl am 22. Mai einiges, sondern leider auch danach. Es ist schlichtweg unbegreiflich, dass etwa die zuständigen Beamten nicht in der Lage waren, Wahlkarten-Kuverts produzieren zu lassen, die keinerlei Beanstandungen aufweisen. Und es ist ein veritabler Skandal, wie in Folge dieser Inkompetenz Millionen an Steuergeldern für zusätzliche Wahlkosten fällig werden.
Die Frage, welche Konsequenzen es nach diesen ministeriellen Skandalen gibt, ist schon ungleich schwerer zu beantworten. Im Moment gibt es noch gar keine, weder in personeller noch in wirtschaftlicher oder juristischer Hinsicht – sprich: Schadenersatz-forderungen. Dass da und dort der Rücktritt von Minister Sobotka gefordert wird, mag verständlich sein – ein solcher Schritt brächte in der derzeitigen Situation allerdings herzlich wenig. Der ÖVP-Politiker, gerade mal fünf Monate in diesem Amt, müsste allerdings wie im Fußball eine gelbe Karte sehen – und falls ihm als oberstem Verantwortlichen so etwas Ähnliches nochmals passiert umgehend von der politischen Bühne verschwinden. Dass nach Abschluss der internen Untersuchungen im Ministerium andere Köpfe rollen müssen, denen Unfähigkeit vorzuwerfen ist, wäre freilich schon ebenso zu erwarten wie eine strenge organisatorische, strukturelle und personelle Evaluierung des in Verruf geratenen Hauses. Obendrein erwarten die Bürgerinnen und Bürger vollauf zu Recht, dass sie bald über die rechtlichen Maßnahmen informiert werden, die gegen die das Schlamassel verursachende Druckerei ergriffen werden. Schließlich geht es jetzt um nicht weniger, als das Vertrauen vieler frustrierter Österreicher in die Verwaltung und die zuständigen Politiker wieder halbwegs herzustellen…