Donnerstag, 26. Dezember 2024
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Vive Emmanuel Macron! Oder: Ein Wunder mit Ablaufdatum

Heute geht es an dieser Stelle um die Frage, was Donald Trump, Emmanuel Macron und Christian Kern verbindet. Wenngleich die zwei zuletzt Genannten garantiert todunglücklich wären, in einem Atemzug mit dem US-Präsidenten genannt zu werden, sind überraschend viele Gemeinsamkeiten nicht zu leugnen:

Alle drei sind keine gestandenen Politiker, sondern – wenn man so will – ehrgeizige Quereinsteiger oder Spätberufene, vielleicht auch in ihrer speziellen Situation eine Art Notnagel.

Alle drei profitieren zweifellos davon, keinerlei politische Erfahrungen mitzubringen, unvorbelastet zu sein vom gängigen Politsystem, das immer mehr Menschen so auf die Nerven geht.

Alle drei haben es verstanden, sich als Garanten für einen herbeigesehnten Umschwung bzw. für eine neue Aufbruchsstimmung in ihrem Land darzustellen, als unkonventionelle Regisseure längst fälliger Reformen.

Alle drei können durchaus mit Charisma punkten – auch wenn sich das auf sehr unterschiedliche Art äußert -, sie sind rhetorisch besser als die meisten Berufspolitiker und wirken am Rednerpult auch überzeugender als diese.

Alle drei können für sich in Anspruch nehmen, bislang beruflich erfolgreich gewesen zu sein – wenn auch auf verschiedenen Levels – sowie beachtliche Managementqualitäten mitzubringen, was bei gestandenen Politikern ja nicht selbstverständlich ist.

Alle drei haben auch das nötige Glück gehabt, um ganz oben landen zu können – sei es durch die russischen Hacker-Aktionen gegen demokratische Server oder unglückliche Personalentscheidungen der französischen Sozialisten sowie die Staatsaffäre rund um die Ehefrau des konservativen Kandidaten – tja. und auch in Österreich hat der Zufall beim Kanzler-Wechsel vor einem Jahr irgendwie Regie geführt.

Alle drei sind letztlich aber auch zum Zug gekommen, um jemand anderen zu verhindern oder aus dem Amt zu kippen, der bzw. die als noch größeres Übel betrachtet wurde – nämlich Hillary Clinton, Marine Le Pen und Werner Faymann. Diese Strategie der Wahlmanager ist zumindest in den USA und in Frankreich optimal aufgegangen.

Große Unterschiede

Im Detail unterscheiden sich die drei Newcomer freilich in einer Reihe wichtiger Punkte – vor allem natürlich in ihren politischen Grundeinstellungen, aber auch bei sonstigen Kriterien. Zum Beispiel altersmäßig: Während der frühere Immobilienmogul im Weißen Haus demnächst 71 wird, hat der einstige ÖBB-Generaldirektor im Vorjahr erst den Fünfziger gefeiert, und der französische Benjamin wird im kommenden Dezember gar erst vierzig.

Auch der politische Background ist in allen drei Fällen grundverschieden: Der neue US-Präsident, der noch niemals zuvor politisch aktiv gewesen ist, nahm die Republikanische Partei gegen deren Willen sozusagen in Geiselhaft, um sein persönliches Ziel umsetzen zu können. Macron hingegen, eine Erfindung von Francois Hollande, warf sein Ministeramt bald frustriert hin, brach mit der Parti Socialiste und gründete im Vorjahr seine eigene – angeblich unabhängige – Bewegung En Marche!. Damit hat er den etablierten politischen Lagern zunächst einmal einen Tiefschlag versetzt – womöglich wird er sie aber bald wieder brauchen. Christian Kern schließlich hat sich von der ihm schon immer nahestehenden SPÖ lange genug bitten lassen, das Ruder zu übernehmen und die krisengebeutelten Roten wieder auf Vordermann zu bringen bzw. irgendwie an der Macht zu halten.

Riesige Unterschiede sind an dem ungleichen Polit-Trio auch in Stilfragen festzumachen: Trump hat sich als polternder Populist, rechtskonservativer Nationalist und begeisterter Protektionist profiliert – ein rhetorisch beinahe brutaler Volkstribun, der zum einen gegen das Establishment zu kämpfen schwört und zugleich seiner Zielgruppe das Blaue vom Himmel zu versprechen versucht. Macron und Kern, die vom Typ her gar nicht so weit auseinander sind, präsentieren sich bevorzugt als ebenso moderne wie modische, ebenso intellektuelle wie dynamische, ebenso engagierte wie selbstbewusste Hauptdarsteller auf der politischen Bühne, wo der Slim-Fit-Anzug genauso perfekt sitzen muss wie jede Geste und jede Randbemerkung. Frisch, unverbraucht, unabhängig, recht sympathisch, telegen und allzeit PR-affin – ist das tatsächlich der neue Politiker-Typus, nach dem sich so viele sehnen?

Die Realität ist ein Hund…

Ja, im Grunde schon – die 08/15-Staatsmänner und ihre Parteien haben nämlich fast alles verspielt. Freilich: Die Praxis sorgt stets für weitaus größere Probleme als die Neuen erwartet haben. Dass Donald Trump in seinen ersten hundert Tagen weltweit belächelt, aber auch gefürchtet wurde, obwohl er außer sich mit penetrantem Selbstlob zu überschütten wenig zu Stande brachte, ist evident (siehe EUI 02.05.2017). Christian Kern, der nunmehr bereits ein Jahr lang im Kanzleramt sitzt, dürfte sich den Job ebenfalls viel einfacher vorgestellt haben als die Chose tatsächlich ist. Der Dauerkonflikt mit schwarzen Hardlinern à la Wolfgang Sobotka wird ihn wohl ebenso nerven wie persönliche Vergleiche mit Mister Bean oder Humphrey Bogart – besonders schlimm dürfte es ihn treffen, wenn er als „Werner Faymann mit Sonnenbrille“ veräppelt wird. Denn das kann nur bedeuten, dass Kern für seine Kritiker um nichts besser ist als sein erfolgloser Vorgänger.

Kerns politische Zwischenbilanz sieht dementsprechend bescheiden aus, weil Rot und Schwarz unentwegt an den optimalen Zeitpunkt für Neuwahlen denken und in der Tagesarbeit folglich nur herzlich wenig weiterbringen. Als genialer Wunderwuzzi hat sich der einstige ÖBB-Generaldirektor in der Politik jedenfalls nicht annähernd bewährt – zumindest bisher noch nicht. Die Zukunftsaussichten sehen für ihn auch alles andere als erfreulich aus: Selbst wenn er es schafft, dass heuer nicht mehr gewählt wird, könnte es dem Kanzler passieren, dass er im kommenden Jahr entweder hinter dem blauen Evergreen HC Strache oder dem Shootingstar der Stunde Sebastian Kurz nur Zweiter wird – oder gar bloß Dritter. Was gewiss das abrupte Aus einer am Beginn vielversprechenden Polit-Karriere wäre – und zugleich für viele das Ende jener Illusion, dass es nicht nur herkömmliche Politiker gibt, von denen wir längst genug haben, sondern auch solche, die einen anderen Zugang zum Regieren haben.

So gesehen sollte sich auch der momentane Retter der Grande Nation justament in der Phase seines gewaltigen Triumphs auf härtere Zeiten gefasst machen: Falls Emmanuel Macron, auf dessen Strahlkraft derzeit sogar noch alle EU-Staaten hoffen, bei den Parlamentswahlen demnächst nicht erneut eine Riesensensation und damit eine starke Präsenz seiner Partei in der Nationalversammlung schafft, dann dürfte es auch für ihn sehr rasch sehr eng werden. Sein glanzvoller Nimbus als Polit-Zampano, der aus dem Nichts kam und die Massen begeistern konnte, könnte nämlich rasch wieder verblassen – und aus dem unorthodoxen Wahlsieger, der Frankreich eigenen Aussagen zufolge unbedingt einer Frischzellenkur unterziehen möchte, ein ganz normaler Politiker werden, wie etwa Francois Hollande, dem wirklich niemand nachweint…

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