Sonntag, 24. November 2024
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Syrien: Wofür steht der Westen?

In Syrien herrscht seit vielen Jahrzehnten der Assad-Clan. Dies hat den Westen nicht davon abgehalten, den Begründer der Dynastie, Hafiz al-Assad, trotz der Bombardierung der aufständischen Stadt Hamar in den 80er Jahren, den Hof zu machen. Das Regime schien berechenbar, zumal unter konservativen Amerikanern die Meinung vorherrschte, arabische Länder seien für Demokratie prinzipiell nicht geeignet.

[[image1]]Seitdem auch in Syrien der Arabische Frühling einsetzte und das Assad-Regime mit brutaler Gewalt seinen Besitzstand verteidigt, kam der Westen ins Zweifeln. Sarkozy hatte das junge Diktatorenpaar mehrfach nach Paris eingeladen und der französischen Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, Baschar al-Assad und seine junge, attraktive, in London ausgebildete Gattin Asma al-Assad  würden die moderne Elite säkularisierter arabischer Staaten verkörpern. In dem seit 2011 eskalierenden Bürgerkrieg in Syrien, hat das Assad-Regime sein wahres Gesicht gezeigt. Es setzte die Teile der Armee, die noch nicht desertiert haben, gegen die Zivilbevölkerung ein. Dort wo Greueltaten zu verrichten waren, wurden die regierungsnahen Milizen entsandt, um wehrlose Menschen am helllichten Tage reihenweise und bestialisch zu ermorden. Jene Syrer, die in Erinnerung an Hafiz al-Assad die diktatorischen Seiten des Regimes in Kauf genommen hatten, um zumindest Stabilität und damit ein geregeltes Auskommen zu erreichen, wandten sich vom Regime ab. Dies galt und gilt zunehmend auch für die christliche Bevölkerung, die Assad nicht vergeben kann, das eigene Volk hinzurichten.

Korrigiertes Syrienbild

Der Westen brauchte lange, um sein Syrienbild zu korrigieren. Verbale Proteste bahnten sich ihren Weg im Ausland, besonders in Frankreich bildeten sich Widerstandsgruppen von Menschenrechtsaktivisten, die, unterstützt durch Auslandssyrer, die unhaltbaren Zustände in Syrien geißelten. Doch zu einem tatkräftigen Eingreifen war niemand bereit. Dann gab es die wohl mehr spontane Äußerung des amerikanischen Präsidenten, mit dem Einsatz von Giftgas würde Assad die rote Linie überschreiten. Die Selbstachtung und Glaubwürdigkeit Amerikas und des gesamten Westens stand wohl bei dieser Erklärung  Pate. Wie kann man noch für Menschenrechte und Demokratie stehen, wenn man nicht bereit ist, offensichtliche und brutale Menschenrechtsverletzungen zu ahnden?

Die Untersuchungsergebnisse englischer Spezialisten sowie von UNO-Inspekteuren anhand der durch Giftgas in Syrien getöteten Menschen, legen nur eine Schlussfolgerung nahe: Die Regierung benutzt Giftgas gegen die eigene Bevölkerung.

Doch wer erwartet hatte, dass nun der Westen bereit sei, unter Waffengewalt die Assad-Veranstaltung abzupfeifen, der hat sich in der Führungsfähigkeit des amerikanischen Präsidenten getäuscht. Kaum hatte er die eigenen Streitkräfte angewiesen, die operativen Optionen für Schläge durch Lenkflugkörper darzulegen, meldete sich der Tyrann aus Damaskus und warnte die USA einen Krieg zu beginnen, der den Nahen Osten gänzlich unkontrollierbar machen würde. In England verlor Premierminister Cameron eine Abstimmung im Unterhaus, um militärisch die USA zu stützen. Die Europäer waren sich ebenso wenig einig. Frau Merkel will eine Wahl gewinnen und keinen Feldzug. Frankreich trommelt gerne, zumal dies nichts kostet und es Syrien ohnehin in der Tradition von Sykes-Picot für französisches Einflussgebiet hält.

Syrisches Giftgasarsenal unter internationale Kontrolle

Auch in den USA, nach dem Fiasko des Irakfeldzugs, der immerhin 900.000 chaldäische Christen einen Exodus bescherte, gab es flammende Proteste gegen die Bereitschaft des Präsidenten, eine militärische Operation zu führen.

Nun liegt der Vorschlag auf dem Tisch, man möge das syrische Giftgasarsenal einer internationalen Kontrolle unterstellen und im Gegenzug auf militärische Schläge verzichten. Russland, bedacht auf seinen letzten Verbündeten im Nahen Osten, stimmte dieser “Lösung“ zu, wohl wissend, dass man in einem chaotischen Land wie Syrien das Arsenal von Giftgas letztlich nicht kontrollieren kann. Baschar al-Assad ließ durch seinen Außenminister umgehend verkünden, dass dies eine diplomatische Lösung sei.

Wer sich an der Nase herum führen lassen will, wird an der Nase herum geführt werden. Scheinbar ist der amerikanische Präsident und auch die europäische Diplomatie aus Rücksichtnahme auf unterschiedlichste Befindlichkeiten in den jeweiligen Ländern nicht bereit, die diplomatische Lösung  als das zu bezeichnen, was es ist: Ein Täuschungsmanöver, also pure Ablehnung und Lebensverlängerung für ein Regime, das  Syrien weder Stabilität noch Frieden bringen kann. Die syrische Opposition in und außerhalb Syriens fühlt sich verraten. Der deutsch-syrische Schriftsteller Rafik Schami klagt den Westen wegen Verrats an. Recht hat er, denn nach der gegenwärtigen Appeasement-Politik von Obama ist Assad das Morden weiter erlaubt, nur nicht mit Giftgas.

Ein neuer internationaler Kriegsschauplatz ist im Entstehen begriffen

Nota bene: Der Hinweis auf militärische Gewalt, so wie er von US-Senator McCain mit einer gewissen Simplizität immer wieder erhoben worden ist, wirft ebenso viele Probleme wie Lösungswege auf. Denn wer einen Schlag führt, der nicht das Aggressionspotential des Assad-Regimes bricht, der muss zum Zweit- und Drittschlag bereit sein. Hierzu scheint, geschweige denn zur Entsendung von Bodentruppen, der Westen nicht bereit zu sein. Dennoch ist die Politik permanenten Zusehens völlig entmutigend für die syrische Opposition, die moralisch und intellektuell hoch gerüstet auf ihre Chance wartet, das geschundene Land wieder aufzurichten. Gleichzeitig wird Syrien immer mehr zum Gegenstand völlig unterschiedlicher Interessen. Ein neuer internationaler Kriegsschauplatz ist im Entstehen begriffen. Wenn der Westen nicht in der Lage ist, aus mangelnder Führung, den Schlag gegen Assad zu führen, nimmt er in Kauf, dass sich Islamisten und Al-Kaida zusammen mit der Hisbollah in Syrien die Hand geben. Dies ist weder im Interesse des Westens, noch im Interesse des syrischen Volkes.

 

 

 

 

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