
EuGH beschränkt erneut Datenverarbeitung – strenge Auslegung des „Minimierungsgebots“ – persönliche Anrede kann diskirminierend sein – besonders Online-Shops davon betroffen – weitreichende Auswirkungen – Sensibilität im Umgang mit persönlichen Daten gefordert – Schadenersatz möglich
EuGH beschränkt erneut Datenverwendung
Im neuen Erkenntnis des EuGH wird erneut ein strenger Maßstab bei Datenverarbeitern angelegt. Gemäß DSGVO (Art. 5 Abs. 1 lit c) dürfen für eine Verarbeitung nur die objektiv gesehen notwendigsten Daten verarbeitet werden („Minimierungsgebot“).
Ein Online-Shop darf zusätzlich zu Produktdaten und Konditionen den Namen, die Anschrift und – abhängig von den Zahlungsmodalitäten – Kontodaten eines Kunden erfassen. Nicht jedoch sein Geburtsdatum, seine Vorlieben oder seine Vermögensverhältnisse.
Das Koppelungsverbot verbietet derartige Erhebungen, frei nach dem Motto „Der Kunde will etwas von mir, dann muss er auch mit Daten bezahlen.“
Mit der Entscheidung C-394/23 hat der EuGH nunmehr klargestellt, dass auch die Erfassung der Anrede (konkret „Herr“ oder „Frau“) im Rahmen einer Onlinebestellung gegen dieses „Minimierungsgebot“ verstößt.
Im konkreten Fall hatte ein Kunde gegen die Praxis der französischen Nationalbahnen (SNCF) geklagt, im Onlineformular eine Geschlechtsfestlegung zu verlangen. „Dies sei im geschäftlichen Verkehr üblich und diene der freundlichen Kommunikation“, so kurz zusammengefasst die Rechtfertigung der SNCF.
Strenge Auslegung des „Minimierungsgebots“
Gegen diesen saloppen Umgang mit persönlichen Merkmalen spricht sich der EuGH im neuen Urteil aus. „Es kann tatsächlich sinnvoll sein, eine persönliche Anrede zu verwenden, dies muss jedoch im Einzelfall objektiv begründbar sein und dem Kunden transparent erklärt werden. Die bloße Berufung auf ‚übliche Praxis‘ reicht nicht aus“, so das klare Urteil des EuGH.
Persönliche Anrede kann diskriminierend sein
In weiterer Folge führt der EuGH aus, dass derartige geschlechstspezifische Zuschreibungen diskriminierend sein können. Wobei es ausreicht, dass die Möglichkeit der Diskriminierung besteht bzw. der Betroffene dies so empfindet.
Besonders Online-Shops davon betroffen
In einer Blitzanalyse hat die ARGE DATEN einige Dutzend Onlineshops analysiert. In mehr als der Hälfte wird eine Anrede „Herr“/“Frau“ bei Einkauf verpflichtend verlangt. Beim Rest ist dieses Feld nicht verpflichtend oder es gibt – als Notlösung – noch weitere Optionen, wie „Divers“, „Anderes“, …
Die Erhebung hat jedoch zahlreiche weitere schwerwiegende Fehlerquellen aufgedeckt. Verpflichtende Abfragen des Geburtsdatums, Angaben der Beweggründe einer Bestellung oder persönliche Interessen fallen darunter. Zusätzlich verwenden zahlreiche Shops den Shopbesuch und den Bestellvorgang für die Ermittlung von Kundeninteressen. Eine Praxis, die ebenfalls dem Minimierungsgebot widerspricht.
Hans G. Zeger, Obmann der ARGE DATEN:
„Offensichlich sind die Verpflichtungen der DSGVO noch immer nicht bei der Mehrzahl der Shop-Betreiber angekommen. Abgesehen von rechtlichen Formalfloskeln und – meist fehlerhaften – Cookie-Bannern, verhalten sich die Betreiber noch wie in der IT-Steinzeit.“
Weitreichende Auswirkungen
Abgesehen vom Anlassfall, dem Online-Shop einer Bahngesellschaft, trifft dieses Problem zahlreiche Branchen und Bereiche. Besonders österreichische Transportunternehmen, Freizeiteinrichtungen (wie Skiliftbetreiber), Verleihdienste, Wohnungsvermittlerdienste, Bewerbungen usw verwenden üppige Formulare und erheben Daten, die in keinem Zusammenhang mit dem Verarbeitungszweck stehen.
Erwähnt sei nur die Praxis Fotos bei Bewerbungen zu verlangen oder – wie mehrfach festgestellt – Wohnungsvermittlung auf Grund des Namens einzuschränken.
Lesen Sie hier den vollständigen Artikel auf argedaten.at
Quelle:
- ARGE DATEN / Genderdebatte im Datenschutzrecht angekommen, argedaten.at, 16.03.2025