Das kanadische Sozialexperiment mit Sozialhilfe ohne Arbeitszwang hatte 1974 zur Verbesserung sozialer Parameter geführt. Allerdings zur Verschlechterung ökonomischer, warum es letztendlich eingestellt worden ist. Gibt es Alternativen?
1974 beschloss eine linke kanadische Regierung, im kleinen Örtchen Dauphin (Minnesota) ein Experiment zu wagen. Etwa eintausend Familien wurden fünf Jahre lang mit beträchtlichen Sozialleistungen unterstützt, ohne dafür Gegenleistungen erbringen zu müssen („Mincome“). Wer arbeiten wollte, dem kürzte jeder verdiente Dollar das Grundeinkommen um 50 Cent.
1978 schlitterte Kanada in eine Rezession mit Inflationsraten von über 10%. Das trieb die Kosten von ursprünglich kalkulierten zwei, drei Millionen schlussendlich auf über 17 Millionen Dollar und führte zur überhasteten Einstellung des Programmes 1978.
Money for Nothing
Um aus europäischer Sicht beurteilen zu können, muss man wissen, dass das kanadische Sozialsystem in den 1970ern gerade einmal das physische Überleben der Ärmsten sicherte. Das Mincome erhöhte die Sozialhilfe nun auf das Niveau der österreichischen Mindestsicherung, ließ aber eigenes Vermögen, zusätzliches Einkommen oder Nichtarbeit beliebig zu.
Wer 600 Dollar Mincome bezog und nebenbei für 400 Dollar jobbte, hatte 800 Dollar und konnte (in seiner gestützten Sozialwohnung) bescheiden aber vernünftig leben.
Weniger krank, mehr Schule
Die Sozialwissenschaftlerin Evelyn Forget von der University of Manitoba hat nun begonnen die Daten aufzuarbeiten und kam zu (vorhersehbaren) Ergebnissen: Die Arbeitsunfälle waren – genauso wie psychische Beschwerden und Scheidungen – etwas zurückgegangen, Teenager-Geburten etwas stärker. Zudem besuchten Manche jetzt länger die Schule, waren Viele zufriedener.
Nun konnten auch langlebige Konsumgüter wie Autos und Fernseher angeschafft werden, das schuf Beschäftigung vor Ort.
Schein-Wirtschaft
Doch hier beginnt die sozialwissenschaftliche Trickserei: Wenn Konsum nur zustande kommt, weil Menschen das Geld dafür geschenkt bekommen, erhält man „griechische Verhältnisse“. In Hellas Wirtschaft haben die geborgten Milliarden über Jahre hinweg zwar beeindruckende Wirtschafts-Steigerungsraten erzielt – jedoch nur in der Import-Wirtschaft. Als der Geldstrom 2009 versiegte, sank das BIP genauso schnell wieder wie es gestiegen war – lediglich die Schulden blieben.
Der Anreiz, eigene Produktionen zu begründen, war gesunken. Produkte aus „sozial unkomfortableren“ Ländern hatten die griechischen soweit verdrängt, dass eine griechische Industrie heute de facto nicht mehr existiert.
Griechischer Zuschussbetrieb
Auch in Kanada waren die Kosten für den Staat enorm: Auf heutige Preise hochgerechnet, erhielten Singels jährlich knapp 7.000 Dollar, Familien 18.000. Nicht dazu gezählt sind da die Ausgaben für subventionierte Sozialwohnungen, Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge.
Langfristig wäre noch der Steuerentgang dazugekommen. Denn erst einmal auf den Geschmack des süßen Lebens gekommen, würden viele Menschen ihren Konsum reduzieren. Dadurch würden weniger Güter und Dienstleistungen produziert werden, die gesellschaftliche Wertschöpfung sänke. Die Arbeitslosigkeit stiege, die Steuereinnahmen sänken.
Und irgendwann hätte das kanadische Projekt ein griechisches Ende ereilt.
Gescheitertes Otjivero
Ähnlich die Experimente im namibischen Otjivero. Dort bezahlen europäische Kirchen und Gewerkschaften seit 2008 ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von monatlich 10 Euro an jeden Erwachsenen (bis 60 Jahre). Wie erwartet sank die ärgste Armut schnell, stiegen Schul- und Spitalsbesuche. Und stiegen auch hier die (subventionierten Schein-)Umsätze von Kneippen und Kleinversorgern.
Die Einheimischen suchten weniger Arbeit bei umliegenden Farmen, ohne gleichzeitig aber eigene, nachhaltige Unternehmen zu gründen. Außerdem stand das Projekt permanent an der Kippe, weil Viele (Männer) ihr Geld einfach vertranken. Und das Dorf eine ungeheure Anziehung auf Zuzügler hatte, was die Geldgeber schlussendlich veranlasste, das BGE auf 8 Euro zu reduzieren und Einheimische zu beschränken.
Bei DM 1.200 Euro geschenkt?
Aufhorchen lässt immer wieder DM-Gründer Werner. In ganzseitigen Annoncen behauptet er, ein BGE von 1.200 Euro würde „unglaublichen Wohlstand“ schaffen. Natürlich meint Herr Werner nicht, dass seine Mitarbeiter 1.200 Euro von ihm persönlich geschenkt bekämen, wenn sie nicht mehr zur Arbeit. Die 1.200 sollten natürlich „andere“ bezahlen (nennt man so etwas nicht Salon-Sozialismus?).
In drei Monaten pleite
Würde man jedem erwachsenen Österreicher 1.200 Euro Steuergeld garantieren, wäre die Republik in sechs Monaten pleite.
Von einem Tag auf den anderen würden 90% der Teilzeit- und 25% der Vollzeitarbeiter zu Hause bleiben. Der Einzelhandel müsste 75% seiner Filialen schließen. Neben der Gastronomie, dem Gewerbe und weiten Teilen der Industrie müssten auch kleine Läden schließen. Die Landwirtschaft hätte keine Erntehelfer mehr.
Das BIP würde um ein Viertel einbrechen, die Steuereinnahmen sänken um 50%. Nun müsste man entweder die Steuern der Arbeitenden auf 100% erhöhen – oder staatliche Leistungen um 50% reduzieren (und jedes zweite Spital schließen). Beides hätte Revolten zur Folge.
Wer Phantasten wie Werner zuhört, der versteht, warum BGE-Modelle zum Scheitern verurteilt sind: Deren Schöpfer erliegen der tragisch-falschen Grundannahme, dass Menschen, denen man monatlich 1.200 Euro schenkt, dies freudig in große ökonomische oder soziale Arbeit umsetzen würden. Wer aber sieht, mit welcher ungeheuren politischen Gewalt Hunderttausende jährlich um ein paar Jahre zusätzliche Frühpensionsjahre (ohne ökonomische oder soziale Arbeit) kämpfen, der ahnt, warum der Traum vom intrinsisch motivierten Bürger immer ein Traum bleiben wird.
Und warum Leute wie Werner besser Parfum denn Utopien verkaufen sollten.