Donnerstag, 21. November 2024
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FRONTEX und EUROSUR: Fluch oder Segen für „boat people“?

Die verheerende Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa, die am 3. Oktober 2013 insgesamt 380 Personen das Leben kostete, lenkte einmal mehr den Blick auf die unhaltbare Situation der gemeinsamen Flüchtlingspolitik in der EU. Die zeitgleiche Einrichtung des neuen Grenzüberwachungssystems EUROSUR veranlasste die Kommissarin Cecilia Malmström bei einer Anhörung im Europäischen Parlament am 10. Oktober 2013 dazu, festzustellen, dass dieses System solche Flüchtlingskatastrophen in Zukunft vermeiden helfen werde.

[[image1]]Diese Äußerung rief unter den Abgeordneten heftigen Widerspruch hervor. So erklärte die Abgeordnete der Grünen, Ska Keller, „dass EUROSUR der Bekämpfung der illegalen Migration und überhaupt nicht der Seerettung dient, wie es jetzt dargestellt wird“. Was ist nun die Wahrheit? Dient EUROSUR der weiteren Abschottung Europas oder der Rettung von in Seenot geratenen „boat people“? Treffend wird dazu in einem Leitartikel formuliert: „Eurosur – dein Feind und Helfer“.[1])

Bevor auf die ausgesprochen komplexen Fragen des Flüchtlings- und Migrationsrechts näher eingegangen werden kann, müssen zunächst die dabei angesprochenen rechtlichen Status der einzelnen Personen kurz dargestellt werden, um damit das notwendige Vorverständnis herzustellen. Dabei ist grundsätzlich zwischen politischen Flüchtlingen, Wirtschaftsflüchtlingen, subsidiär Schutzberechtigten und Migranten zu unterscheiden. 

Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte, Migranten

Ein (politischer) Flüchtling ist gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (1952)[2]) eine Person, „die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und (…) nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen“. Gemäß Artikel 33 Ziff 1 der Genfer Flüchtlingskonvention darf ein politischer Flüchtling an der Grenze des Staates, in dem er um Asyl ansuchen will, nicht zurückgewiesen oder -geschoben werden („Non-Refoulement-Verbot“). Ein Wirtschaftsflüchtling hingegen, der nicht politisch verfolgt wird und seinen Heimatstaat nur deswegen verlassen hat, um seine wirtschaftliche Situation zu verbessern, darf nicht asyliert werden. Der Grund dafür ist einfach der, dass man ansonsten dessen Heimatstaat gegenüber den Vorwurf erheben würde, repressiv zu sein und damit politische Flüchtlinge zu produzieren.  

Subsidiär Schutzberechtigte[3]) sind im Gegensatz dazu Fremde, deren Asylantrag zwar abgewiesen wurde, deren Leben oder Gesundheit aber in ihren Herkunftsstaaten bedroht ist. Sie sind daher weder AsylwerberInnen noch Asylberechtigte iSv Flüchtlingen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (1951), benötigen aber Schutz vor Zurück- oder Abschiebung in ihren Heimatstaat, in dem unter anderem willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts iSv Bürgerkrieg herrscht. Subsidiär Schutzberechtigte können in Österreich beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, der mit einer befristeten Aufenthaltsberechtigung verbunden ist. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn diesem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird.[4]) Durch das FNG-Anpassungsgesetz[5]), das in Umsetzung der sogenannten „EU-Statusrichtlinie“[6]) erlassen wurde, wurden in Österreich eine Reihe weiterer einschlägiger Änderungen des Rechtstatus des subsidiär Schutzberechtigten eingeführt. Daneben kann aber auch aus humanitären Gründen ein sogenannter vorübergehender Schutz gewährt werden.

Migranten wiederum sind aus der Sicht ihres Herkunftslandes Auswanderer (Emigranten), aus Sicht des Aufnahmelandes hingegen Zu- oder Einwanderer (Immigranten). Die Umschreibung „Menschen mit Migrationshintergrund“ fasst Migranten und ihre Nachkommen unabhängig von der tatsächlichen Staatsbürgerschaft zusammen.

Welchen Personengruppen gegenüber ist nun die EU – und wenn ja, in welcher Intensität – wozu unionsrechtlich verpflichtet? 

Gemeinsame Asylpolitik der EU?

Gemäß Artikel 67 Absatz 2 AEUV hat die EU eine gemeinsame Politik in den Bereichen Asyl, Einwanderung und Kontrollen an den Außengrenzen zu entwickeln, die sich auf die Solidarität der Mitgliedstaaten gründet und gegenüber Drittstaatsangehörigen angemessen ist. Gemäß Artikel 78 Absatz 1 AEUV wiederum hat die EU eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz zu entwickeln, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll, so wie dies in der Genfer Flüchtlingskonvention (1951) und dem einschlägigen New Yorker Protokoll (1967) verankert ist.

Wenngleich es sich bei diesen Kompetenzzuweisungen lediglich um zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten geteilte Kompetenzen[7]) handelt, ist die EU aufgerufen, für sich eine konsistente Asylpolitik auszubilden, was aber bis heute noch nicht der Fall ist. So wurde 2007 lediglich ein Europäischer Flüchtlingsfonds für den Zeitraum 2008 bis 2013 eingerichtet[8]) und mit 614 Mio. Euro dotiert, eine Summe, die für einen sechsjährigen Zeitraum und der Fülle der zu erledigenden Probleme viel zu gering veranschlagt wurde. Für den Schutz der Außengrenzen gegen illegale Migrationsströme wurde allerdings durch die Gründung der beiden Agenturen bzw Systeme FRONTEX und EUROSUR vorgesorgt.

FRONTEX und EUROSUR

2004 wurde die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU (FRONTEX)[9]) mit Sitz in Warschau eingerichtet, die ihre Tätigkeit im Mai 2005 aufnahm und dazu dienen soll, die Mitgliedstaaten beim Schutz ihrer Außengrenzen operativ zu unterstützen. 2007 wurde FRONTEX mit einem Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke (RABIT) ausgestattet[10]) und 2011 wurde die FRONTEX-Errichtungsverordnung grundlegend novelliert, unter anderem auch deswegen, um die Entwicklung und den Betrieb eines technischen europäischen Grenzüberwachungssystems zu unterstützen.[11]) Dieses, European Border Surveillance System (EUROSUR) genannte Instrument, wurde zwar bereits 2008 konzipiert[12]), aber erst Ende Oktober 2013 vom gemeinsamen „EU-Gesetzgeber“, dem Europäischen Parlament[13]) und dem Rat[14]), definitiv beschlossen. Zweck der Errichtung von EUROSUR ist die logistische Unterstützung sowohl der Mitgliedstaaten als auch von FRONTEX[15]) bei deren Bemühungen zur Überwachung der Schengen-Außengrenzen zu Wasser und zu Lande, um damit die Zahl der irregulären Migranten, die bisher unentdeckt in die EU eingereist sind, zu vermindern.[16]) Durch EUROSUR sollen die für die Überwachung der Land- und Seeaußengrenzen zuständigen nationalen Behörden, wie Polizei, Grenzschutz der Küstenwache – untereinander schneller und einfacher einschlägige Informationen austauschen können, die sie zB durch Satelliten, Drohnen oder Offshore-Sensoren gewonnen haben.

Für diejenigen 18 Mitgliedstaaten, die an der südlichen und östlichen Außengrenze der EU gelegen sind,[17]) gilt die EUROSUR-Verordnung bereits vom 1. Dezember 2013 an, für die restlichen 7 Mitgliedstaaten[18]) aber erst ab dem 1. Dezember 2014.

Zögerliche Reaktion des Europäischen Rates

Obwohl die EU-Flüchtlingspolitik auch auf der Agenda des Europäischen Rates vom 24./25. Oktober 2013 in Brüssel stand, konnte sich dieser aber bedauerlicherweise auf keine konsistente Vorgangsweise einigen und rief in seinen Schlussfolgerungen lediglich dazu auf, „die Aktivitäten von FRONTEX im Mittelmeer und an den südöstlichen Grenzen der EU zu verstärken. Die rasche Einführung des neuen Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) durch die Mitgliedstaaten wird entscheidend dazu beitragen, dass Schiffe und illegale Einreisen entdeckt werden, was dazu beiträgt, dass Menschenleben an den Außengrenzen der EU geschützt und gerettet werden“.[19])

Im Übrigen beschloss der Europäische Rat (erst) im Juni 2014 wieder auf Migrations- und Asylfragen zurückzukommen. Zu einer grundlegenden Änderung der EU-Flüchtlingspolitik im Sinne einer gerechteren Lastenteilung – etwa in Form einer massiven finanziellen Aufstockung des EU-Flüchtlingsfonds zugunsten der Hauptaufnahmeländer Griechenland, Italien, Spanien, Malta und Zypern, oder einer anteilsmäßigen Umverteilung der Flüchtlingsmassen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten – konnten sich die Staats- und Regierungschefs aber nicht entschließen.

Da nach den geltenden schengen- bzw. unionsrechtlichen Bestimmungen der „Dublin III-Verordnung“[20]) derjenige EU-Mitgliedstaat für die Qualifikation, Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen zuständig ist, auf dessen Territorium die Flüchtlinge zuerst eintreffen (Erstasylstaat), fühlen sich die vorstehend erwähnten zumeist angelaufenen Mittelmeeranrainerstaaten finanziell überlastet und fordern eine solidarische Lastenteilung durch die anderen EU-Mitgliedstaaten. Die Bundesrepublik Deutschland wies aber solche „Umverteilungspläne“ brüsk zurück[21]) und erklärte in diesem Zusammenhang, dass sie nicht nur in Zahlen, sondern auch umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung, mehr Asylwerber aufnehme, als zB das Erstasylland Italien.[22]) In der Bundesrepublik kamen 2012 rund 945 Asylwerber auf eine Mio. Einwohner, in Italien dagegen nur 260.[23])     

In den Debatten im Europäischen Rat vom 24./25. Oktober 2013 wurde wiederholt auf die Arbeiten der von den EU-Innenministern auf Anregung der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström eingesetzten Arbeitsgruppe verwiesen, die nach Wegen suchen soll, „die bestehenden Instrumente“ der EU-Flüchtlingspolitik besser zu nutzen. Auf deren erster Sitzung am 24. Oktober 2013 ging es vor allem um die Zusammenarbeit der Empfängerländer der Asylanten- und Migrantenströme mit den Herkunfts- und Transitländern derselben sowie den effektiven Einsatz der Grenzschutzagentur FRONTEX im  Kampf gegen Menschenhandel und Schlepperbanden. 

Bevorzugte Migrations- bzw Flüchtlingsrouten auf dem See- und Landweg

Flüchtlinge und damit Asylwerber sowie Migranten als Zu- oder Einwanderer benützen auf ihrem Weg nach Europa verschiedene Routen – sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg – deren Inanspruchnahme bzw deren konkreter Verlauf je nach Intensität der auf ihnen stattfindenden Kontrollen immer wieder geändert wird. Vor allem die illegalen Schlepperbanden verfügen über ein hochentwickeltes Warnsystem und können dementsprechend die von ihnen geschleusten Flüchtlings- und Migrationsströme zwischen den einzelnen Hauptrouten rasch umleiten. Grundsätzlich lassen sich aber seit einigen Jahren eine Reihe von fixen Hauptrouten feststellen, auf denen die Flüchtlings- und Migrationsströme von Afrika nach Europa gelangen. Im Einzelnen sind dies die folgenden Routen:[24])           

Auf der Westafrikanischen-Route (von Marokko, Westsahara oder Mauretanien nach den Kanarischen Inseln) waren im Jahr 2012 insgesamt 170 irrreguläre Grenzübertritte von Asylanten/Migranten zu verzeichnen, die sich – nach den hauptsächlichsten Herkunftsländern der Flüchtlinge/Migranten – wie folgt aufdifferenzieren lassen: Marokko 100, Gambia 40, Senegal 20.

Über die Westliche Mittelmeer-Route (von Ceuta und Melilla nach Spanien) fanden 2012 insgesamt 6.400 illegale Grenzübertritte von Asylanten/Migranten statt, wobei die beiden wichtigsten Herkunftsländer der Flüchtlinge/Migranten Algerien (mit 2.020 Flüchtlingen) und Marokko (500) waren, bei 1.410 Flüchtlingen aber der Heimatstaat nicht festgestellt werden konnte.

Auf der Zentralen Mittelmeer-Route (von Tunesien oder Libyen nach Lampedusa oder Malta) ereigneten sich 2012 insgesamt 10.380 illegale Grenzübertritte von Asylanten/Migranten, wobei die hauptsächlichsten Herkunftsländer der Asylanten/Migranten Somalia (3.390), Tunesien (2.240) und Eritrea (1.890) waren.

Auf der Route über Apulien und Kalabrien waren 2012 insgesamt 4.770 irreguläre Grenzübertritte von Asylanten/Migranten zu verzeichnen, wobei die drei wichtigsten Herkunftsländer der Flüchtlinge/Migranten Afghanistan (1.710), Pakistan (1.160) und Bangladesch (500) waren.

Über die Östliche Mittelmeer-Route (von der Türkei nach Griechenland und Bulgarien) fanden 2012 insgesamt 6.390 illegale Grenzübertritte von Asylanten/Migranten statt, wobei die drei wichtigsten Hauptherkunftsländer der Asylanten/Migranten Afghanistan (1.670), Kosovo (940) und Pakistan (860) waren.                

Auf der Balkan-Route (von Bosnien & Herzegowina und Serbien nach Ungarn) ereigneten sich 2012 insgesamt 37.220 illegale Grenzübertritte von Asylanten/Migranten, wobei die drei wichtigsten Herkunftsländer Afghanistan (9.560), Syrien (7.130) und Bangladesch (4.600) waren.

Auf der Osteuropäischen-Route (von der Ukraine nach Polen und der Slowakei) fanden 2012 insgesamt 1.600 illegale Grenzübertritte von Asylanten/Migranten statt, wobei die drei wichtigsten Herkunftsländer Georgien (330), Somalia (260) und Afghanistan (200) waren.

Wechsel zwischen den Migrations- bzw Flüchtlingsrouten

Die Erwartung sinkender Flüchtlings- bzw. Migrantenzahlen durch stärkere Kontrollen hat sich Ende 2013 nicht nur nicht erfüllt, sondern in das genaue Gegenteil verkehrt – der Zuwachs an illegalen Grenzübertritten hat sich seit dem ersten Quartal 2013 im vierten Quartal 2013 um 155% erhöht. Wie ein von der Agentur FRONTEX am 23. Oktober 2013 vorgelegter Bericht belegt, sind viele Flüchtlinge/Migranten wegen der verstärkten Kontrollen auf den Landrouten einfach auf die gefährlicheren Seerouten ausgewichen, sodass die Zahl der Aufgriffe auf dem Meer um 93% auf insgesamt 10.223 zunahm, wohingegen jene an den Landgrenzen um 18% auf 14.582 zurückging, eine Entwicklung, die sich sehr anschaulich am Beispiel der vorstehend erwähnten Östlichen Mittelmeer-Route veranschaulichen lässt. Wegen der verschärften griechischen Kontrollen am Grenzfluss Evros/Meriç mit der Türkei ging die Zahl der aufgegriffenen illegalen Grenzgänger um 68% auf 4.532 zurück. Damit nahm aber der Druck auf den Südosten Italiens – aufgrund der verstärkten Inanspruchnahme der vorstehend erwähnten Apulien und Kalabrien-Route – zu, auf der um etwa 13 Prozent mehr Flüchtlinge (1.288) aufgegriffen wurden. Ebenso nahm der Druck auf  die bulgarisch-türkische Grenze zu, und es kam zur Ausbildung einer neuen Route über das Schwarze Meer.

Die meisten Flüchtlinge/Migranten sind aber auf das zentrale Mittelmeer ausgewichen, wo sich bereits im zweiten Quartal – dh noch vor den aktuellen Flüchtlingstragödien vor Lampedusa im Oktober dieses Jahres – ein sprunghafter Anstieg der Flüchtlings-/Migrantenzahlen feststellen lässt. Die dabei gezählten 5.311 Aufgriffe entsprechen einem Zuwachs von 108% im Vergleich zum zweiten Quartal des Jahres 2012. Von den Flüchtlingen, die trotzdem über Landrouten nach Europa kamen, wählten die meisten den Übertritt der serbisch-ungarischen Grenze, wobei 8.937 Flüchtlinge/Migranten aufgegriffen wurden, was einer Steigerung um 537% (!) gegenüber dem vorjährigen Vergleichszeitraum entsprach.[25]) Die Migrations- bzw Flüchtlingsrouten verhalten sich daher wie kommunizierende Gefäße: der Schwund auf der einen Route wird durch einen Zuwachs auf einer anderen Route wieder ausgeglichen.

Das Hauptkontingent der illegalen Migranten wählt aber einen anderen Weg: Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen reisen 70 bis 80 Prozent der Zuwanderungswilligen mit einem Touristenvisum in die EU ein und beantragen nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung entweder Asyl oder tauchen in die Illegalität ab und entziehen sich so einem Aufgriff durch die Behörden.

Kosten der Flucht bzw der Flüchtlingsbetreuung

Wirft man einen Blick sowohl auf die Kosten, die die Fluchthilfe eines einzelnen Asylsuchenden durch Schlepperbanden verursacht, als auch auf die Gesamtkosten, die die Flüchtlingssituation in der EU in einem Jahr verursacht, so stellen sich die Zahlen folgendermaßen dar. Eine Fluchthilfe von Afrika nach Europa durch organisierte Schlepper kostet zwischen 5.000 und 10.000 Euro, wobei allein die Überfahrt über das Mittelmeer zwischen 1.000 und 2.000 Euro zu veranschlagen ist. Bedenkt man, dass auf dem Anfang Oktober vor Lampedusa gekenterten Schiff über 500 Personen zusammengepfercht waren, kann man sich die „Gewinnmarge“ der Schlepperbanden leicht ausrechnen.  

Was die Administrierung und Betreuung der 2012 in der gesamten EU vorhandenen mehr als 300.000 Flüchtlinge[26]) – die Illegalen nicht eingerechnet – betrifft, so verursachen diese insgesamt einen finanziellen Aufwand zwischen 25 und 30 Mrd. Euro, wobei Kosten für Anwälte, Personal und Behördeneinsätze nicht berücksichtigt sind. Allein schon aus dieser finanziellen Überlegung – vom humanitären Aspekt ganz abgesehen – wäre die EU gut beraten, sich so rasch als möglich zu einer konsistenten Flüchtlings(hilfe-)politik durchzuringen.

Fazit

Wenngleich sowohl FRONTEX als auch EUROSUR durchaus dazu beitragen können, Schiffbrüchige eher zu orten, als das bisher durch die jeweilige Küstenwachen der Fall war, so dienen diese beiden Grenzüberwachungssysteme vordringlich doch dazu, illegale Migranten von der Einreise in den jeweiligen EU-Mitgliedstaat abzuhalten. Dass bei diesen heiklen Untersuchungen auf der Hohen See die schwierige Grenzziehung zwischen illegalen Migranten bzw. Wirtschaftsflüchtlingen und politischen Flüchtlingen nicht immer exakt vorgenommen wird, ist offensichtlich.          

Die Unterscheidung zwischen politischen Flüchtlingen, die ein Recht auf Asylgewährung haben und Migranten bzw Wirtschaftsflüchtlingen, denen an sich kein Asyl zu gewähren ist, fällt im Einzelfall oft schwer,[27]) da die geschleppten Personen auf Geheiß der Schlepper ihre Personaldokumente vernichten, damit weder ihre Identität noch ihr Heimatland festgestellt werden kann. Die (Schutz-)Behauptung, aus einem jeweils umkämpften Land zu kommen, in dem sie politisch verfolgt wurden oder Furcht vor politischer Verfolgung hatten, ist demgemäß schwer zu überprüfen bzw. im Täuschungsfall noch schwerer zu widerlegen.

Das ist – neben der komplexen und oft überlangen Verfahrensdauer für die Erledigung von Asylanträgen – mit ein Grund, warum wir gegenwärtig in Österreich etwa 22.000 Asylwerber haben,[28]) obwohl Österreich als „Erstasylland“ auf dem Landweg durch einen Asylsuchenden völkerrechtlich bzw unionsrechtlich korrekt nicht mehr erreicht werden kann. Österreich ist komplett von freien Staaten umgeben, in denen – spätestens – ein solcher Asylantrag zu stellen gewesen wäre. Lediglich auf dem Luftweg könnte Österreich von einem politisch Verfolgten als „Erstasylland“ erreicht werden. Dies wäre aber auch nur dann der Fall, wenn die Fluggesellschaft den jeweiligen Asylwerber rechtswidrig – diese hat ja vor Antritt der Reise zu prüfen, ob jeder Passagier über die für eine Einreise in das Bestimmungsland des Fluges notwendigen Papiere verfügt – an Bord genommen hat. Für diesen Fall hat sie ihn aber auf eigene Kosten wieder auszufliegen.


[1]) //www.dw.de/eurosur-dein-feind-und-helfer/a-17150631.

[2]) Artikel 1 lit. A Ziff 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 idF des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1955/55 idF BGBl. 1974/78).

[3]) Gemäß § 8 Asylgesetz 2005 (BGBl. I 2005/100 idF BGBl. I 2009/122). 

[4]) Vgl. dazu die Erkenntnisse des VerfGH U 1053/2012-14, vom 12. September 2013 und U 2478/2012-17, vom 13. September 2013.

[5]) BGBl. I 2013/68. 

[6]) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; Amtsblatt EU 2011, L 337, S. 9 ff.

[7]) ISv Artikel 4 Absatz 2 lit. j) AEUV.

[8]) Entscheidung Nr. 573/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Mai 2007 zur Einrichtung des Europäischen Flüchtlingsfonds für den Zeitraum 2008 bis 2013; Amtsblatt EU 2007, L 144, S. 1 ff.

[9]) Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004; Amtsblatt EU 2004, L 349, S. 1 ff.

[10]) Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007; Amtsblatt EU 2007, L 199, S. 30 ff.

[11]) Artikel 2 Absatz 1 lit. i) der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 (Fußnote 9) durch Artikel 1 der Verordnung (EU) Nr. 1168/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011; Amtsblatt EU 2011, L 304, S. 1 ff.

[12]) KOM(2008) 68 endg.  

[13]) Legislative Entschließung vom 10. Oktober 2013; EP P7_TA(2013)0416.

[14]) Rat 15079/13 Public vom 22. Oktober 2013.

[15]) Vgl. dazu allgemein Seehase, J. Die Grenzschutzagentur FRONTEX (2013).

[16]) Vgl. Council adopts regulation establishing the EUROSUR system; Rats-Dok. 15031/13 PRESSE 426, vom 22. Oktober 2013.

[17]) Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn und Zypern.

[18]) Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich sind von der EUROSUR-Verordnung nicht erfasst.

[19]) Europäischer Rat vom 24./25. Oktober 2013, Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 25. Oktober 2013; EUCO 169/13, CO EUR 13, CONCL 7, S. 18 (Ziff. 47).

[20]) Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), Amtsblatt EU 2013, L 180, S. 31 ff.

[21]) Küstner, K. Deutschland ist der Verhinderer, //www.tagesschau.de/kommentar/eu-gipfel146.html.

[22]) Siehe EU-Grenzüberwachungssystem kann  starten, in: Handelsblatt vom 22. Oktober 2013.

[23]) Alles beim Alten, //www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel144.html.

[24]) Vgl. Steininger, A. Wege nach Europa, //www.tagesschau.de/ausland/fluechtlingsrouten100.hmtl; Migrationsrouten in die EU, //www.dw.de/migrationsrouten-in-die-eu/a-17152215.

[25]) Flüchtlinge suchen sich neue Routen, in: SN vom 24. Oktober 2013, S. 6.

[26]) UNHCR (ed.), Asylum Trends 2012 (2013), S. 2.

[27]) Szabo, E. Erlauben wir Afrikanern die Einreise, in: SN vom 24. Oktober 2013, S. 6 spricht in diesem Zusammenhang bei Flüchtlingen/Migranten aus Afrika von 98% (!) Wirtschaftsflüchtlingen, ohne dafür allerdings eine Quelle anzugeben.  

[28]) Die Kosten für die Betreuung dieser Flüchtlinge betragen pro Jahr rund 1 Mrd. Euro; Szabo (Fußnote 27).

 

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