Der Chefpropagandist des französischen Europas, Jean Dominique Giuliani, seines Zeichens Präsident der Robert-Schumann-Stiftung, hatte bereits am 18.12. die Begleitmusik für den Brüsseler-Gipfel erklingen lassen. Zwar verstehe er die Besonderheit der Verteidigungsfragen bzw. der Kooperation auf diesen Gebieten. Indessen könne Europa nicht länger abrüsten, während die gesamte Welt aufrüste.
[[image1]]Insbesondere müsse sich Europa für das Engagement französischer Streitkräfte stark machen oder zumindest die Lasten seines Engagements in Afrika tragen:
„Französische Soldaten engagieren sich in Afrika und Frankreich versucht, seine europäischen Partner davon zu überzeugen, dass ein Einsatz notwendig ist, wo unsere Interessen und Prinzipien betroffen sind.“[1]
Die Teilnehmer des Verteidigungsgipfels in Brüssel hatten die indirekte Botschaft Frankreichs wohl verstanden. Allein ihnen fehlte der Glaube daran, dass es im europäischen Interesse und aufgrund europäischer Werte notwendig sei, in Zentralafrika neben französischen Soldaten auch andere Streitkräfte der Europäischen Union tätig werden zu lassen und dafür auch noch die Zeche zu zahlen. Für diesen Einsatz der alten Kolonial- und Ordnungsmacht Afrikas konnte Frankreich auf dem Gipfel das Geld seiner Partner nicht locker machen. Aber für ein Trostpflaster war gesorgt, denn im Punkt 8 der Schlussfolgerung des Gipfels heißt es, dass die Krisenreaktionsfähigkeiten der EU zu verbessern seien und dass die finanziellen Aspekte der EU-Missionen und Operationen auf der Grundlage eines Berichtes der hohen Vertreterin zügig zu prüfen seien und zwar auch im Kontext der Überprüfung des ATHENA-Mechanismus, um das System der Finanzierung zu verbessern.
Im Übrigen verharrte der Gipfel, wie zu erwarten, auf bekannten Standpunkten. Frankreich will -möglichst unter seiner Führung- europäische Gefechtsverbände, um diese in seinem Interesse und auf Kosten der anderen EU Mitglieder überall dort tätig werden zu lassen, wo es dem französischen Interesse entspricht. Großbritannien blockt bei jeder weiteren Vergemeinschaftung unter Hinweis auf die bestehende NATO-Organisation sowie der Möglichkeit bilateraler Verbesserungen. Die Mehrheit der EU-Staaten interessiert sich wenig für Verteidigungspolitik bzw. mogelt sich, wie die Bundesrepublik Deutschland, durch jede Krise durch. Also ändert sich an den Strukturen insbesondere den institutionellen Strukturen schon deshalb nichts, weil die europäische Verteidigungsagentur weiterhin keine Aufgaben bekommen hat, Beschaffungsprojekte mit entsprechenden Budgets zu finanzieren. Was bleibt, sind eine Reihe von Absichtserklärungen, die für sich genommen nicht unerheblich sind und den unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen Rechnung tragen. Dazu gehört die Willensbekundung bei sogenannten MALE-Drohnen, ein Programm für die nächste Generation aufzulegen. Dieses MALE-Drohnen-System für den Zeitraum 2020 bis 2025 solle erstmalig in das europäische Luftverkehrssystem bis 2016 integriert werden und ab 2014 hinsichtlich der Forschung und Entwicklung finanziert werden.
Ungehört blieb der Wunsch nach einem europäischen Streitkräfte-Hauptquartier
Eine Luftbetankungskapazität solle entwickelt werden und zwar insbesondere im Hinblick auf die Schaffung von mehr-rollenfähigen Tank- und Transportflugzeugen. Ferner sei die Satellitenkommunikation und die Cybersicherheitsstrategie zu verbessern.
Ungehört blieb der Wunsch verschiedener französischer Kreise nach einem europäischen Streitkräfte-Hauptquartier. Auch hier musste ein Trostpflaster herhalten. So begrüßte der Europäische Rat die bestehenden Kooperationsmodelle wie das europäische Lufttransportkommando und bittet die Mitgliedstaaten zu prüfen, ob dieses Model auch auf andere Bereiche übertragen werden könne.
Und schließlich erfolgte ein erneuter Aufruf zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie zwecks Schaffung einer integrierten, technologischen Verteidigungsbasis. Mehr als daran zu appellieren, dass die verteidigungsspezifischen Richtlinien aus dem Jahre 2009, die eine weitgehende Ausschreibungspflicht für nahezu alle Beschaffungsprojekte im militärischen Bereich vorsehen, auch in nationales Recht umgesetzt werden, blieb den Gipfelteilnehmern nicht übrig. Denn die Defragmentierung der nationalen Beschaffungsmärkte wird allein durch die besagten Beschaffungsrichtlinien nicht gelingen. Dazu haben die großen Quertreiber, insbesondere Frankreich durch seine verstaatlichte Rüstungsindustrie, zu viele Handlungsparameter behalten, die ihnen die Abschottung des eigenen Marktes erlauben. Wer gegenwärtig beobachtet, mit wie viel finanzielle Unterstützung der französische Heerestechnikkonzern Nexter –zu 100% staatlich- mit dem Munitionsproduzenten SNPE –zu 100% staatlich- fusioniert wird, sollte sich keinen Illusionen hingeben. Auf dem Gebiet der Rüstungsbeschaffung redet Frankreich europäisch und handelt weiterhin nationalistisch. Dort wo große Technologie und Produktlinien partiell europäisiert worden sind, wie bei EADS, sind die nicht-französischen Standorte mittlerweile dabei, auf einen Zuliefererstatus reduziert zu werden.
Es bleibt also, traurigerweise, bei der europäischen Verteidigungspolitik und der sogenannten europäischen Rüstungsbeschaffung bei Lippenbekenntnissen. Derweil unterlässt es die Europäische Kommission, die vergaberechtlichen Vergehen und die Subventionen in dem durch staatliche Ingerenz gekennzeichneten Rüstungssektor entschieden und ohne Rücksicht auf politische Interessen zu bekämpfen. Dies ist ein historisches Versäumnis, das sich für Europa als fatal herausstellen könnte. Die Europäische Union sucht also weiterhin nach einer Persönlichkeit, die als industrieller Systemdenker vergleichbar mit der visionären Kraft eines Walter Rathenau nicht nur von kommenden Dingen redet, sondern hierfür eine operative Tagesordnung entwirft.
[1] So Giuliani am 18.12. auf der Homepage der Robert-Schumann-Stiftung