Unglaublich, was ein US-Präsident, der kürzlich zum Auslaufmodell geworden ist, an einem einzigen Tag noch alles anstellen kann. Barack Obama legte jedenfalls am vergangenen Montag einen verdammt schlechten Start in die Woche hin: Zunächst einmal hat er angedeutet, dass Washington die Regierung in Kiew mit Waffen versorgen könnte, damit sie sich im Kampf gegen die von Moskau unterstützten Separatisten leichter täte.
Sodann mischte sich Obama auch noch in den Konflikt zwischen der EU und Griechenland ein, indem er für den neuen Regierungschef Alexis Tsipras Partei ergriff: „Man kann Länder, die sich mitten in einer Depression befinden“, sagte er, „nicht immer weiter ausquetschen“. Eine Wirtschaft „im freien Fall“ brauche dringend eine Wachstumsstrategie, nur so könne die Schuldenlast der Griechen reduziert werden.
Zwei Wortmeldungen also aus dem Weißen Haus zu den derzeit größten Krisenherden Europas – und beide Male hat die „lahme Ente“ einen riesigen Unsinn geschnattert: Obama müsste sich zum einen bewusst sein, dass eine militärische Unterstützung der ukrainischen Regierung die Russen enorm reizen und die Gefahr eines noch größeren Krieges erheblich verstärken würde. Einige EU-Top-Politiker, allen voran Angela Merkel, haben gottlob sogleich gekontert, dass sie diese Idee für Unfug halten. Zum anderen war es ein völlig falsches Signal, einem Opportunisten wie Tsipras zur Seite zu springen, der auf seiner Rundreise durch Rom, Paris, Brüssel und London allen Ernstes einen Schuldenschnitt anpeilt, aber zugleich tausende ehemalige Staats-bedienstete wieder einstellen möchte; einem Volkstribun die Mauer zu machen, der die Troika sprengt, die Griechenland bislang über Wasser gehalten hat, sodass der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank plötzlich im Regen stehen; mit einem „Geisterfahrer“ („Der Spiegel“) öffentlich zu sympathisieren, der eine völlig andere Richtung eingeschlagen hat und beispielsweise die Auflagen und Vorhaben der Geldgeber ignorieren will, indem er etwa die Privatisierungswelle stoppt.
Obama zieht es offenbar vor, ständig zu europäischen Problemen Stellung zu nehmen, die ihn im Grunde wenig angehen, anstatt sich mit den zahlreichen Troubles im eigenen Land zu befassen. Er tut nämlich so, als würde es Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten, die bei 18,2 Billionen Dollar hält und jede Sekunde um 33.762 Dollar wächst, gar nicht geben. Just an seinem schwarzen Montag legte er auch noch den Entwurf zum US-Haushaltsplan für 2016 vor – und der hat es in sich: Der Präsident will nämlich – so wie Alexis Tsipras in Athen – die eiserne Sparpolitik lockern, den Mittelstand – ähnlich wie Österreichs Bundesregierung – mit Steuerentlastungen belohnen und schließlich – was in vielen Ländern „in“ ist – die Reichen und die Großkonzerne stärker zur Kasse bitten. Obama plant beispielsweise ein pompöses Infrastrukturprogramm im Ausmaß von einer halben Billion Dollar, er möchte den Verteidigungsetat auf fast 600 Milliarden Dollar steigern, und er wünscht sich alles in allem, die im Sommer 2011 gestartete „stumpfsinnige Austeritätspolitik“ (Obama) zu beenden. Am Ende soll 2016 ein Defizit in Höhe von 474 Milliarden Dollar rauskommen.
Friede mit Fidel
Es würde sich um den pompösesten US-Staatshaushalt aller Zeiten handeln, aber es ist sonnenklar, dass er niemals in dieser Form beschlossen wird. Die Republikaner, die seit den Zwischenwahlen im November beide Kammern des Kongresses kontrollieren, werden den Obama-Vorschlag mit Sicherheit abschmettern. Sie engen seinen Aktionsradius auch sonst extrem ein: Der einstige „Yes, we can“-Polit-Superstar hat infolge des Machtverlusts zum Beispiel keine Chance, auf die Veröffentlichung des grausamen „CIA-Folterreports“ vor wenigen Wochen angemessen zu reagieren – daher kann er den brutalen Geheimdienst nicht einmal ansatzweise in die Schranken weisen. Den Folterknechten, die etwa in dem auf Kuba gelegenen Terrorgefängnis Guantanamo jahrelang ihr Unwesen trieben, drohen jedenfalls keine strafrechtlichen Konsequenzen. Dieses unverständliche Faktum ist einer Demokratie ebenso unwürdig wie die Tatsache, dass weiße Polizisten, die im Vorjahr etliche Schwarze erschossen haben, keine Anklage zu befürchten hatten. Der Unmut in weiten Teilen der Bevölkerung über die neuen Rassenprobleme ist speziell seit den dramatischen Ereignissen in Ferguson groß – doch der schwarze Präsident bleibt untätig. No, he can‘t… – er kann gar nichts mehr.
Obama, den sein Macht- und Imageverlust enorm zu stören scheinen, muss sich notgedrungen an Nebenfronten bemerkbar machen – und geht damit zum Beispiel den EU-Politikern gehörig auf die Nerven. Als immer noch erster Mann der Weltmacht Nummer Eins, die seit Jahrzehnten ständig Kriege geführt hat, in Konflikte verwickelt war und selbst Krisen verursacht hat, ist sein Meinungsschwenk im Fall Ukraine, an die er nunmehr doch Waffen liefern möchte, absolut kontraproduktiv. Womöglich handet es sich dabei aber bloß um heiße Luftblasen, mit denen er den großen Gegenspieler im Kreml, Wladimir Putin, einfach nur ärgern möchte. Denn im US-Haushaltsplan 2016 sind für die Ukraine nur relativ bescheidene Kreditgarantien von maximal einer Milliarde Dollar vorgesehen – und die sollte das Land wirklich sinnvoller verwenden als durch weiteres Krieg-Führen. Im Übrigen will sich Obama in jüngster Zeit offenbar als Friedenstaube profilieren, weil er auf eine Annäherung zum jahrzehntelangen Erzfeind Kuba setzt. Der alte Fidel Castro legt sich zwar nicht quer, aber wirklich fidel ist er über die neue Situation nicht: Obama, ließ er ausrichten, sei ihm nach wie vor suspekt.