Beim letzten Meeting in Santiago de Chile hat es keine Einigung gegeben, doch der „Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht“ kämpft weiterhin um einen Kompromiss – nach der Devise: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das international besetzte Gremium will die Geldinstitute weiterhin mit höchst unangenehmen Spielregeln quälen, doch die amerikanischen und die europäischen Mitglieder trennt eine tiefe Kluft. Im Prinzip geht es darum, ob die Europäer das drohende Regelwerk, das ihnen bis zu 300 Milliarden Euro mehr an Eigenkapital abverlangen würde, noch verhindern können.
In den kommenden Wochen, womöglich sogar Monaten wird sich weisen, ob die nach der Stadt Basel benannte Institution, die der Bankenbranche mit dem immer noch nicht umgesetzten Basel III-Paket bereits riesige Auflagen verordnet hatte, die Geldhäuser noch mehr unter Druck setzt – oder ob die jahrelange Regulierungswut doch noch gestoppt wird. Was heute als weltweites Schreckgespenst der Bankiers gefürchtet wird, wurde bereits 1974 auf Initiative der Zentralbanken der G10-Staaten gegründet. Das – wie es auf Englisch firmiert – Basel Committee of Banking Supervision (BCBS) – ist seit damals in Basel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt und hat es sich zur Hauptaufgabe gemacht, internationale Standards in Form von Richtlinien und Empfehlungen für die Aufsichtsbehörden von Kreditinstituten zu erarbeiten, um damit die weltweite Stabilität der Finanzmärkte zu stärken. Diese rechtlich nicht bindenden Richtlinien werden im Normalfall in nationales Recht umgesetzt – etwa via EU-Richtlinien – , könnten jedoch auch ignoriert werden, weil das Komitee mangels Legitimität letztlich nur beratende Funktion hat.
Heute gehören dem Baseler Ausschuss, der alle drei Monate zusammentritt, die Repräsentanten der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden von 27 Ländern an – neben den Vertretern der zehn führenden Industrienationen auch Delegierte aus Argentinien, Australien, Brasilien, China, Hongkong, Indien, Indonesien, Korea, Luxemburg, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, Spanien und der Türkei an (siehe Tabelle unten). Zum Kreis der Mitglieder, der im Jahr 2009 gleich um 14 erweitert worden ist, zählt auch die Europäische Zentralbank (EZB).
Europas wichtigste Aufpasser
Der Baseler Ausschuss wird seit fünf Jahren von Stefan Ingves, dem Gouverneur der Schwedischen Zentralbank als Chairman geleitet, dem mit William Coen ein langjähriger einschlägiger Experte als Generalsekretär zur Seite steht. Die europäischen Keyplayer sind letztlich die obersten Repräsentanten aus drei Ländern:
O Aus Deutschland ist die 52-jährige EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger bereits seit acht Jahren – ehemals als Vertreterin der Bankenaufsicht BaFin und Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank – in einer zentralen Rolle mit von der Partie. Weitere Schwergewichte im Meinungsbildungsprozess sind der 48-jährige Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, der vor seinem nunmehrigen Job Kanzlerin Angela Merkel als Berater für Wirtschafts- und Finanzpolitik zur Seite gestanden war, und der 55-jährige Felix Hufeld, der seit März 2015 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Präsident vorsteht.
O Frankreich ist in diesem erlauchten Kontroll-Zirkel mit dem erst seit einem Jahr amtierenden Boss der Banque de France, Francois Villeroy de Galhau, 57, vertreten, weiters mit Édouard Fernandez-Bollo, dem Generalsekretär der Aufpasserorganisation ACPR (Autorité de contrôle prudentiel et de résolution) und schließlich mit Danièle Nouy, der früheren Generalsekretärin der Baseler Institution, die nunmehr als oberste Bankenaufseherin der EZB-Erfindung „Single Supervisory Mechanism“ (SSM) fungiert.
O Das Vereinigte Königreich setzt primär auf den gebürtigen Kanadier Mark Carney, 49, einen ehemalige Goldman Sachs- bzw. Bank of Canada-Manager, der seit Mitte 2013 als Gouverneur der Bank of England fungiert, übrigens als erster Ausländer auf diesem Posten in der 319-jährigen Geschichte der englischen Zentralbank. Er fiel bislang vor allem deshalb auf, weil Kanada die seinerzeitige Finanzkrise im Vergleich zu anderen Staaten ohne größere negative Konsequenzen überstehen konnte.
Den genannten Top-Kontrolloren steht – so wie ihren Kollegen aus anderen Ländern – ein Heer einschlägiger Experten zur Seite, die für den Baseler Ausschuss seit Jahren unentwegt eine Flut von Studien, Gutachten, Arbeitspapieren und was weiß der Teufel noch alles produzieren. Im Grunde genommen muss ihr ureigenstes Interesse sein, die Geldinstitute an eine möglichst kurze Leine zu nehmen, um damit teilweise skandalöse Fehlentwicklungen, die es vor der großen Bankenkrise zuhauf gegeben hat, zu vermeiden. Dieses Bestreben, die Europäer im Prinzip mit den US-Amerikanern einen sollte, ist allerdings in einen transatlantischen Konflikt gemündet: Die US-Ausschussmitglieder wollen, getrieben von Lobbys wie der American Bankers Association, Spielregeln durchboxen, die von den vergleichsweise schwächeren Großbanken am alten Kontinent als geradezu existenzbedrohend empfunden werden – was nicht verwundert, denn die haben das gestrenge, 2010 verabschiedete Regelwerk Basel III noch nicht verdaut. Würden sich die Amis letztlich durchsetzen, wäre wohl die Versorgung der europäischen Realwirtschaft mit Krediten noch mehr als ohnedies schon gefährdet.
Starke Achse Berlin-Paris
Deshalb bilden EU- und andere Politiker seit Monaten eine starke Phalanx, die im Interesse der europäischen Geldhäuser Widerstand gegen die drohenden Vorhaben leisten, allen voran EU-Finanzmarkt-Kommissar Valdis Dombrovskis: Er hat bereits Ende September deutliche Korrekturen bei der geplanten Offensive gefordert. Naturgemäß müssen folglich auch die obersten Repräsentanten der europäischen Notenbanken ihren regulatorischen Eifer einbremsen und die übergeordneten Interessen in den Vordergrund rücken. Der deutsche Bundesbank-Präsident Weidmann etwa stellte kürzlich klar: „Wir brauchen Regeln, die einerseits die unternehmerische Risikobereitschaft nicht unnötig belasten und anderseits die Finanzstabilität wirksam sichern“. Sein Fazit lautete: „Aus Basel III darf kein Basel IV werden“.
Weidmanns französischer Kollege Villeroy de Galhau sprach sich schon längst immer wieder gegen die angedachten Maßnahmen aus, und BaFin-Präsident Hufeld drohte gar, die Verhandlungen platzen zu lassen. Grund: Die europäischen Banken sind längst auf den Barrikaden, weil sie eine zusätzliche signifikante Erhöhung der Mindestkapitalanforderungen fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb haben etwa die Branchenverbände in den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Finnland in einer konzertierten Aktion die Befürchtung geäußert, dass derartige Weichenstellungen das Wirtschaftswachstum in ihren Ländern dämpfen würden.
Der Basler Ausschuss, der an sich zur Stärkung des internationalen Bankensystems beitragen und vorhandene Lücken im internationalen Bankaufsichtssystem schließen soll, steht damit vor einer Zerreißprobe: Einerseits fordert etwa EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger angesichts der Tatsache, dass „Banking seit Jahren ein globales Geschäft“ ist, eine globale, einheitliche Regulierung, um die Stabilität sicherzustellen. Sonst würde nämlich etwas eintreten, wovor zum Beispiel die Ratingagentur Fitch warnt: Die Regeln in beiden Regionen würden auseinander driften, womit es noch schwieriger wäre, die Stärke unterschiedlicher Banken miteinander zu vergleichen. Deshalb forderte etwa Claudio Borio, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Bankenaufseher eindringlich auf, die neuen Kapitalvorschriften nicht zu verwässern, sondern möglichst rasch zu verabschieden.
Anderseits wollen sich die europäischen Top-Kontrollore, ähnlich wie auch der japanische Zentralbank-Chef Haruhiko Kuroda, keinesfalls einem Diktat der US-Kollegen beugen – nur weil diese damit argumentieren, dass Banken in den Staaten mit strengeren Vorgaben konfrontiert seien als die europäischen. Im Gegenzug wird behauptet, dass Europa in Wahrheit die Hauptlast der schärferen Kapitalregeln zu tragen hätten und nicht noch weiter belastet werden dürfen. Das heißt also: Beide Seiten glauben, dass ihre Geldinstitute jeweils zu stark reglementiert und folglich eindeutig benachteiligt seien.
Kompromiss schon im Jänner?
Trotz dieser scheinbar ausweglosen Patt-Situation zeigt sich zumindest der Ausschuss-Chairman Stefan Ingves optimistisch, dass eine baldige Einigung bei einem Sondertreffen des Baseler Gremiums erzielbar sei und die angepeilten Kompromissvorschläge schon im Jänner von den Chefs der Notenbanken und Bankaufsichtsbehörden abgesegnet werden können. Dabei würden dem Vernehmen nach kleinere Kreditinstitute weitaus besser aussteigen als systemrelevante Geldhäuser wie die Deutsche Bank, für die wohl eine strengere Verschuldungsquote festgeschrieben werden dürfte. Diese könnte freilich wiederum durch längere Übergangsphasen abgefedert werden. Knackpunkt in den kommenden Verhandlungen werden mit Sicherheit die derzeit üblichen bankinternen Modellen zur Berechnung der Risiken und die Berechnung von Risikopositionen in den Bankbilanzen sein. Insbesondere die Deutschen wehren sich gegen den von den USA-Vertretern geführten Feldzug für die Eindämmung der in Europa gebräuchlichen Risikomodelle.
Die EZB, die 127 Großbanken direkt beaufsichtigt – 3.200 kleinere Institute der Eurozone werden von den nationalen Aufsehern überwacht – möchte jedenfalls in den nächsten drei Jahren diese internen Modelle prüfen, mit denen risikogewichtete Aktiva berechnet werden. Erklärtes Ziel ist, dass Banken künftig nicht zu hohe Risiken eingehen, um profitabler zu werden – damit stellen die Aufpasser letztlich die Überlebensfähigkeit von Geschäftsmodellen auf den Prüfstand. Die Zwangsjacke, in die Geldhäuser in Folge der großen Krise gesteckt wurden, wird also tendenziell nicht gelockert. Womit von der vielerorts herbeigesehnten Deregulierung der Bankenbranche, für die offenbar der nächste US-Präsident Donald Trump einzutreten scheint, keine Rede sein kann.
In Kürze lesen Sie in Teil 3 dieser Serie, dass die Vorschriften für Banken dringend entrümpelt werden müssten
Tabelle
Der Basler Ausschuss
Das sind die wichtigsten Bankenaufseher der Welt, die Beobachter im gefürchteten Regulierungs-Gremium und die Institutionen, mit denen der Basler Ausschuss zu kooperieren pflegt.
- Die Mitglieder:
Aus 27 Ländern stammen die folgenden Institutionen mit ihren obersten Repräsentanten:
Land | Institution | Gouverneur / Chairman / Präsident |
Argentinien | Banco Central Argentina | Federico Adolfo Sturzenegger |
Australien | Reserve Bank of Australia | Philip Lowe |
Australian Prudential Regulation Authority (APRA) | Wayne Byres | |
Belgien | National Bank of Belgium | Jan Smets |
Brasilien | Banco Central do Brazil | Ilan Goldfajn |
China | People’s Bank of China | Zhou Xiaochuan |
China Banking Regulatory Commission | Shang Fulin | |
Europäische Union | Europäische Zentralbank (EZB) | Mario Draghi |
EZB Single Supervisory Mechanism (SSM) | Danièle Nouy | |
Frankreich | Banque de France | Francois Villeroy de Galhau |
Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR) | Édouard Fernandez-Bollo | |
Deutschland | Deutsche Bundesbank | Jens Weidmann |
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) | Felix Hufeld | |
Hong Kong SAR | Hong Kong Monetary Authority | Norman T.L. Chan |
Indien | Reserve Bank of India | Urjit R. Patel |
Indonesien | Bank Indonesia | Agus D.W. Martowardojo |
Italien | Banca d’Italia | Ignazio Visco |
Japan | Bank of Japan | Haruhiko Kuroda |
Financial Services Agency | Nobuchika Mori | |
Kanada | Bank of Canada | Stephen S. Poloz |
Office of the Superintendent of Financial Institutions (OSFI) | Jeremy Rudin | |
Korea | Bank of Korea | Juyeol Lee |
Financial Supervisory Service | Kwon Hyouk-Se | |
Luxemburg | Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) | Claude Marx |
Mexico | Banco de Mexico | Agustín Guillermo Carstens |
Comisión Nacional Bancaria y de Valores | Jaime González Aguadé | |
Niederlande | De Nederlandsche Bank | Klaas Knot |
Russland | Central Bank of the Russian Federation | Elvira Nabiullina |
Saudi Arabien | Saudi Arabian Monetary Agency | Ahmed Abdulkarim Alkholifey |
Singapur | Monetary Authority of Singapore | Ravi Menon |
Südafrika | South African Reserve Bank | E L Kganyago |
Spanien | Banco de Espana | Luis M. Linde |
Schweden | Sveriges Riksbank | Stefan Ingves |
Finansinspektionen | Erik Thedéen | |
Schweiz | Schweizerische Nationalbank | Thomas J. Jordan |
Swiss Financial Market Supervisory Authority (FINMA) | Mark Branson | |
Türkei | Central Bank of Turkey | Murat Çetinkaya |
Banking Regulation and Supervision Agency (BRSA) | Mehmet Ali Akben | |
Vereinigtes Königreich | Bank of England | Mark Carney |
Prudential Regulation Authority (PRA) | Sam Woods | |
USA | Board of Governors of the Federal Reserve System | Janet L. Yellen |
Federal Reserve Bank of New York | William C. Dudley | |
Office of the Comptroller of the Currency | Thomas J. Curry | |
Federal Deposit Insurance Corp. (FDIC) | Martin J. Gruenberg |
2. Mit Beobachter-Status:
Land | Institution |
Chile | Central Bank of Chile / Banking and Financial Institutions Supervisory Agency |
Malaysien | Central Bank of Malaysia |
Vereinigte Arabische Emirate | Central Bank of the United Arab Emirates |
weitere Institutionen: | |
Basel Consultative Group (siehe unten) | |
Bank for International Settlements | |
European Banking Authority (EBA) | |
Europäische Kommission | |
Internationaler Währungsfonds |
3. Die Basel Consultative Group:
Die Mitglieder dieser von Karl-Friedrich Cordewener (Bank für Int. Zahlungsausgleich) und Bryan Stirewalt (Dubai Financial Services Authority) geleiteten Gruppe sind:
Land | Institution |
Bulgarien | Bulgarian National Bank |
Chile | Banking and Financial Institutions Supervisory Agency |
China | China Banking Regulatory Commission |
Dänemark | Danish Financial Supervisory Authority |
Deutschland | Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) |
Frankreich | French Prudential Supervision and Resolution Authority (ACPR) |
Georgien | National Bank of Georgia |
Kolumbien | Unit of Financial Regulation |
Malaysien | Central Bank of Malaysia |
Mexiko | Comision Nacional Bancaria y de Valores |
Neuseeland | Reserve Bank of New Zealand |
Norwegen | The Financial Supervisory Authority of Norway |
Österreich | Finanzmarktaufsicht (FMA) |
Peru | Superintendencia de Banca Seguros y AFP |
Philippinen | Central Bank of the Philippines |
Polen | Polish Financial Supervision Authority |
Qatar | Qatar Financial Centre Regulatory Authority |
Thailand | Bank of Thailand |
Tschechische Republik | Czech National Bank |
Tunesien | Central Bank of Tunisia |
Ungarn | Central Bank of Hungary |
Vereinigte Arabische Emirate | Dubai Financial Services Authority |
Financial Services Regulatory Authority | |
Abu Dhabi Global Market |
4. Das weltweite Netz der Kontrollore:
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht kooperiert mit
O dem Financial Stability Board (FSB), Basel,
O der Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (International Association of Insurance Supervisors – IAIS), Basel,
O der Association of Deposit Insurers (IADI), Basel,
O dem Committee on Payments and Market Infrastructure (CPMI), Basel,
sowie mit
O der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), Paris,
O der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions – IOSCO), Madrid,
O dem Internationaler Währungsfonds (IWF), Washington, sowie
O der Weltbank (World Bank), Washington.