Österreichische UmweltanwältInnen fordern Umdenken bei der Bioenergienutzung. Die europäische Union will bis 2020 ein Fünftel ihres Energiebedarfs mit erneuerbaren Energieträgern abdecken und die Verhandlungen zur Vereinbarung eines ambitionierten Zieles von bis zu 40 % erneuerbaren Energieanteil bis 2030 sind im Laufen. Aktuell ist die energetische Nutzung von Biomasse der wichtigste Eckpfeiler bei der Nutzung erneuerbarer Energie in der EU, sowie auch in Österreich.
[[image1]]So wurden 2009 in der EU 9 % des Energiebedarfs erneuerbar gedeckt, wobei 67,7 % des primär erzeugten erneuerbaren Anteils aus Biomasse und Abfällen stammten. In Österreich wurden 2009 laut Statistik Austria 29,3 % des heimischen Energiebedarfs mit Erneuerbaren und Abfällen gedeckt, wobei knapp 59 % auf Bioenergie entfielen.
Dem weiteren Ausbau der Biomassenutzung wird in den österreichischen, wie auch europäischen Aktionsplänen weiterhin eine wichtige Bedeutung bei der Zielerreichung zugemessen. Die EU-Vorgabe für alle Mitgliedsstaaten, im Verkehrssektor bis 2020 den Energiebedarf zu mindestens 10 % erneuerbar zu decken, leistet(e) dem Energiepflanzenanbau und -import zur Produktion von Biotreibstoffen enormen Vorschub.
Ethisch und ökologisch äußerst fragwürdig
In den letzten Jahren haben aber immer mehr Studien gezeigt, dass insbesondere der aktuelle Anbau und Import von Biomasse/Energiepflanzen zur energetischen Nutzung wenig bis keine Treibhausgasemissionen einspart, und zusätzlich ethisch und ökologisch angesichts des zunehmenden Mangels an fruchtbaren Böden äußerst fragwürdig ist.
Die EU-Kommission hat mit der Einführung von Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe reagiert und plant gemäß der im Oktober 2012 vorgestellten, neuen Biokraftstoffstrategie, den Einsatz von Biokraftstoffen auf 5 % zu begrenzen und die Nachhaltigkeitskriterien weiter zu verschärfen.
Österreich setzt aber in seinen Strategieplänen nach wie vor auf den Bioenergieausbau, inklusive einer Erhöhung des forstlichen Holzeinschlages und des Anbaus von Energiepflanzen. Viele Studien weisen hohe, angeblich nachhaltige Ausbaupotentiale auf das Zwei- bis Dreifache der bisherigen Bioenergienutzung aus.
Die österreichischen UmweltanwältInnen haben die Bioenergieproduktion in Österreich genauer unter die Lupe genommen und sind sich in ihrem gemeinsamen Positionspapier einig:
Die land- und forstwirtschaftlichen Flächen Österreichs sind in Zeiten eines globalen Klimawandels mit zunehmenden Ernteausfällen zentrale Eckpfeiler unserer Ernährungs- und Versorgungssicherheit. Ihr ökologischer Wert und ihre Fruchtbarkeit sollten nicht für eine ineffiziente Energieproduktion gefährdet, bzw. ausgebeutet werden.
Die UmweltanwältInnen stellen deshalb fünf wesentliche Forderungen an die künftige Bundesregierung:
• Biomasse sollte auch aus Sicht des Klima- und Naturschutzes nachhaltig produziert und vorrangig der Ernährung und stofflichen Verwertung (Holzbau, Möbel) zugeführt werden.
• Die heimischen (und europäischen) land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sollten für diese wertvolle Arbeit so entlohnt werden, dass sie diese Aufgabe nachhaltig erfüllen und gegen (EU-)ausländische, nicht nachhaltige Billigkonkurrenz, insbesondere bei Ölen und Eiweißfuttermitteln, gut bestehen können. Hier ist vor allem ein Umdenken bei den EU-Förderrichtlinien im Rahmen des GAP nötig.
• In der Landwirtschaft sollten nur Zwischenfrüchte, Rest- und Abfallstoffe im Rahmen einer kaskadischen Nutzung zur Energiegewinnung herangezogen und am besten gleich wieder in der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung energetisch genutzt werden. Zusätzlich ist aber auf den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit zu achten, und der überwiegende Teil der Ernterückstände, bzw. der Nährstoffe auf das Feld rückzuführen. In der Forstwirtschaft sollte nicht nur im gesamtösterreichischen Schnitt, sondern auch auf regionaler Ebene nicht mehr geerntet werden, als dem jährlichen Holzzuwachs entspricht.
• Ackerflächen sollten stärker vor Versiegelung geschützt werden sowie vor weiteren Intensivierungsmaßnahmen, wie dem erhöhtem Einsatz von Dünger und Pestiziden. Die Ressource Boden ist nicht vermehrbar und fast nicht wieder herstellbar.
• Die vermehrte Bewirtschaftung von Brachen schadet häufig geschützten Tieren und Pflanzen und schmälert damit auch Ressourcen.
Die österreichische Energiestrategie ist in Fragen der Biomassenutzung nicht nachhaltig und muss daher neu ausgerichtet werden. Österreich wird seinen internationalen bzw. EU-rechtlichen Verpflichtungen in punkto Klimaschutz nur dann nachkommen können, wenn wir unseren Energieverbrauch drastisch reduzieren. In den Sektoren Raumwärme und Verkehr liegt das größte und am einfachsten umsetzbare Potential für eine markante Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs.
Als Begründung für ihre Position führen die UmweltanwältInnen folgende Fakten aus der heimischen Land- und Forstwirtschaft an:
Fakten zur heimischen Landwirtschaft
Österreich besitzt aktuell 1,37 Mio. Hektar Ackerfläche und 1,73 Mio. Hektar Grünland mit kontinuierlich sinkender Tendenz. So gingen seit 1960 rund 660.000 ha landwirtschaftliche Fläche durch Bau- und Siedlungstätigkeit bzw. Umwandlung in Wald verloren. Tatsächlich gibt es keine verfügbaren Flächen für die Bioenergienutzung auf Österreichs Äckern und Wiesen. Die noch vorhandene Fläche reicht nicht aus, um den Bedarf der heimischen Bevölkerung an landwirtschaftlichen Produkten – insbesondere für den hohen Fleischkonsum – abzudecken. So importiert Österreich jährlich ca. 500.000 Tonnen Soja als Futtermittel (großteils gentechnisch verändert) aus den USA, Kanada und den Regenwaldregionen Brasiliens und Argentiniens. Zusätzlich werden Speiseöle wie das umstrittene Palmöl und weitere Agrargüter zur Produktion von Ölen und biogenen Treibstoffen eingeführt. In dieser Situation werden 8,4 % der heimischen Ackerfläche für den Energiepflanzenanbau genutzt, obwohl damit nur 0,7 % des österreichischen Energieverbrauchs abgedeckt werden. Durch Maßnahmen zur Senkung des österreichischen Fleischkonsums könnte auch der Import von Palmöl und gentechnisch veränderten Futtermitteln aus Regenwald- und Savannengebieten gesenkt und die Ernährungssicherheit der Bevölkerung erhöht werden.
Fakten zur heimischen Forstwirtschaft
Österreich nutzt neben Reststoffen aus der Holzverarbeitung jährlich auch 11 Mio. Festmeter heimisches Hackgut und Brennholz energetisch. Gleichzeitig werden jedoch 10 Mio. Festmeter Holz nach Österreich importiert, vor allem für die ökologisch vorteilhaftere, stoffliche Verwertung in der Papierindustrie. Laut Bundesregierung soll der heimische Holzeinschlag von etwa 19 Mio. Festmeter bis 2020 auf bis zu 24 Mio. erhöht werden. Die angeblich noch bestehenden Potentiale für eine Erhöhung des Holzeinschlages liegen aber in schwer zugänglichen Schutzwäldern, in Schutzgebieten und im kleinbäuerlichen Grundbesitz, sodass einer verstärkten Nutzung rechtliche oder ökonomische Fakten entgegenstehen. Einige große Forstbetriebe ernten bereits mehr Holz als nachwächst und wirtschaften somit nicht nachhaltig.
Fakten zu Biomassepotentialen versus Gesamtenergieverbrauch
Der Grund für die geringe, energetische Ausbeute ist einleuchtend: Da Pflanzen nur etwa 0,5 % der eingestrahlten Sonnenenergie in Biomasse umwandeln, ist die Produktion von Biomasse als Energieträger weder flächen- noch kosteneffizient.
So könnten auf Basis der aktuell eingesetzten Technologien auf der gesamten heimischen Ackerfläche nur 8 % unseres jährlichen Energieverbrauchs abgedeckt werden. Auch der flächenmäßig imposante heimische Waldvorrat nimmt sich gegen den österreichischen Energieverbrauch mager aus. Würde man den kompletten österreichischen Wald abholzen, so könnte man mit der anfallenden Holzreserve unseren Energiebedarf gerade einmal für sechs Jahre decken.
Die Ziele der Österreichischen Energiestrategie hinsichtlich der Nutzung von Bioenergie sind daher unrealistisch und bedeuten eine weitere Intensivierung der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ (erhöhter Einsatz von Dünger, Pestiziden). Auch eine Nutzung von ökologisch wertvollen Flächen (z. B. Brachen oder Feuchtwiesen) sowie eine noch stärkere Auslagerung der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln ins Ausland, insbesondere in Regenwald- und Savannengebiete, sind zu befürchten.
Download weiterer Informationen
Das neue Positionspapier der österreichischen Umweltanwaltschaften „Nachhaltige Nutzung von Bioenergie in Österreich“ untermauert diese Aussagen mit Zahlen und Fakten und zeigt mit einem umfassenden Forderungskatalog den Weg zur nachhaltigeren Nutzung der Ressourcen Biomasse und Boden auf.
***
* Dipl.-Ing. Marion Jaros ist ausgebildete Biotechnologin und seit 15 Jahren Referentin für Chemie und technischen Umweltschutz in der Wiener Umweltanwaltschaft. Sie ist Hauptautorin und Koordinatorin des Positionspapiers „Nachhaltige Nutzung von Bioenergie in Österreich“ der österreichischen Landesumweltanwaltschaften.
Kontakt und Rückfragen: post@wua.wien.gv.at +43 (0)1 37979 – 0
Postanschrift Wiener Umweltanwaltschaft: 1190 Wien, Muthgasse 62