Bei der Affäre um das Bistum Gurk-Klagenfurt könnte es vor allem um einen Richtungsstreit innerhalb der katholischen Kirche gehen.
Die Diskussion um die Führung der Diözese Gurk-Klagenfurt durch den mittlerweile zum Diözesanbischof von St. Pölten ernannten Alois Schwarz erhitzt die Gemüter. Sowohl innerhalb der katholischen Kirche als auch außerhalb. Für so manche Kirchenkritiker ein willkommener Anlass, um sich wieder einmal an der Fehlbarkeit kirchlicher Würdenträger zu delektieren. Tatsächlich haben die Vorgänge in Kärnten einen zumindest zweifachen Hintergrund, der ein neues Licht auf diese „Affäre“ wirft.
Öffnung der Kirche
Europa, das so genannte christliche Abendland, ist mittlerweile der säkularisierteste Kontinent. Ganz im Gegensatz zu Afrika, Amerika und auch Asien, wo vor allem die katholische Kirche Zulauf erhält und weltweit als die am stärksten wachsende Religion gilt. Zahlen liefert die Statistik: Während von 2010 bis 2017 die Zahl ihrer Gläubigen weltweit um 10 Prozent zugenommen hat, ist ihre Zahl in Österreich hingegen um den fast gleich hohen Prozentsatz gesunken.
Dieser Entwicklung versucht man mit verschiedenen Maßnahmen entgegenzuwirken. Das zentrale Schlagwort lautet „Öffnung“. Dabei geht es unter anderem darum, wie dies auch von Papst Franziskus immer wieder postuliert wird, die Kirche lebens- und volksnah zu gestalten. Daher sollen unter anderem die Sakramente wiederverheirateten Geschiedenen gespendet werden, Frauen ein Priestergewand tragen können, durch die Lockerung des Zölibats Priester auch heiraten dürfen.
Personaldiskussion
Die Stimmen jener kirchlichen Würdenträger, die offen darüber nachdenken werden immer häufiger. Auch innerhalb der österreichischen Kirche. Und Bischof Schwarz gehört zu jenen, die sich nicht innerhalb der Kirchenmauern verschanzen sondern öffentlich laut darüber nachdenken. Das hat ihm übrigens in der Diözese St. Pölten, wo er seit Spätsommer an der Spitze steht, unter dem Kirchenvolk viel Sympathie eingebracht. Nicht zuletzt, wo seine Vorgänger Kurt Krenn und Klaus Küng ein sehr konservatives Religionsbild vertraten.
Die zweite Geschichte ist, dass Kardinal Christoph Schönborn im kommenden Jahr seinen 75sten Geburtstag erreicht, den Heiligen Vater um seine Versetzung in den Ruhestand ersuchen und sich in ein Kloster nach Vorarlberg zurückziehen will. Seit 1995 ist er Erzbischof von Wien und hat die österreichische Kirche durch schwierige Zeiten Zeit geführt, wobei ihm – der als hochgeschätzter Theologe im Vatikan gilt – nachgesagt wird, sich bei so manchen wichtigen Entscheidungen nicht wirklich zu exponieren. Was zu einem gewissen Reformstau in der österreichischen Kirche insgesamt beigetragen hat.
Missachtung einer Weisung
Offen über das Zölibat nachzudenken, sich auch Frauen als Priester vorstellen zu dürfen, das hat sofort einige Hardliner gegen Bischof Schwarz mobilisieren lassen. Hinzu kommt noch, dass er als einer der Anwärter für die Nachfolge von Kardinal Schönborn gilt. Im Vatikan wird hinter vorgehaltener Hand schon seit längerem darüber gesprochen, dass die Kirche in Österreich eines Reformschubs bedürfen würde. Und Schwarz gilt – im Gegensatz zu einigen seiner Mitbrüder, denen man in Rom „Provinzialismus“ nachsagt – als Hoffnungsträger.
Die wirtschaftliche Abschlussbilanz der Tätigkeit von Schwarz als Bischof der Diözese Gurk-Klagenfurt und sein offenes Bekenntnis für Reformansätze innerhalb der katholischen Kirche waren daher offenbar ein willkommener Anlass, um eine Intrige zu knüpfen. Dafür spricht, dass entgegen der ausdrücklichen Weisung des Vatikan das sechsköpfige Domkapitel von Gurk vor Weihnachten an die Öffentlichkeit ging, um gewissermaßen Anklage zu erheben. Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger, dem selbst Ambitionen auf den Kärntner Bischofsstuhl nachgesagt werden, von ihm aber dementiert wurden, erhob bei dieser Gelegenheit schwere Vorwürfe gegen den Amts-, Führungs- und Lebensstil jenes Bischofs, dem er sieben Jahre lang ergeben gedient hatte.
Sinneswandel
Und hier trifft man bereits auf eine Ungereimtheit. Denn bei der offiziellen Verabschiedung von Alois Schwarz im Sommer 2018 wurde an verbalem Weihrauch nicht gespart. Vor allem seine seelsorgerische Tätigkeit und berührenden Predigten wurden besonders und das wörtlich hervorgehoben. So etwa erklärte Guggenberger – damals noch Generalvikar – dass Schwarz das religiöse Klima in Kärnten nachhaltig positiv geprägt, Glaube und Lebenswirklichkeit der Menschen vereint habe.
Schwarz, der nachdem der Vatikan nun mit dem Salzburger Erzbischof Franz Lackner einen Visitator ernannt hat, der die Diözese Gurk-Klagenfurt prüfen und damit zur Aufklärung beitragen soll, hält sich mit öffentlichen Erklärungen bewusst zurück. Das Verhalten seiner ehemaligen Mitstreiter macht ihn aber betroffen: „Ich war fassungslos, was die Domkapitulare alles formuliert haben, denn wir saßen immer am Tisch zusammen, waren in den Gremien zusammen, im Konsistorium. Also es gab ja viele Begegnungen und wir haben ja vieles in der Diözese Gurk-Klagenfurt miteinander auf den Weg gebracht“.
Ein reiches Bistum
Die Diskussion, die in den Medien geführt wird, entbehrt auch nicht einer gewissen Oberflächlichkeit, wie eingehende Recherchen ergeben. Dazu gehört, dass man Diözese und Bistum in einen Topf wirft. Bei der Diözese handelt es sich genau genommen um den Verwaltungsbereich, der in diesem Fall Kärnten betrifft. Da geht es um die Einnahmen aus den Kirchenbeiträgen, die Administration durch die Pfarren. Beim Bistum handelt es sich um die Rechts- und Verwaltungshoheit, dazu gehören die so genannten Mensalgüter. Darunter versteht man im Wesentlichen Immobilien oder Grundstücke, sowie deren Erträge. In Kärnten umfasst das ca 8.500 Hektar Waldbesitz, Forstbetriebe mit Jagd und Fischereirechten wie das Stift St. Georgen am Längsee beziehungsweise Schlösser wie die Straßburg oder die bischöfliche Residenz in Klagenfurt.
Im Falle von Kärnten geht dieses Mensalgut, auf die Heilige Hemma von Gurk zurück, das seit 1074 treuhänderisch als Stiftung dem jeweiligen Bischof zur Verwaltung anvertraut wird. An sich hält sich die Kirche über ihr Vermögen bedeckt. Das Bistum Gurk dürfte aber zu den wohlhabendsten zählen. Sein Vermögen wird auf 175 Millionen Euro, jenes von Wien auf 152 Millionen Euro geschätzt. Die Finanzen des Bistums werden von externen Steuerprüfern sowie von einem mit unabhängigen Experten besetzten Wirtschaftsrat regelmäßig geprüft. Im letzten Rohbericht ist wörtlich von der „Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der ergänzenden Bestimmungen der Geschäftsordnung“ sowie einer „ordnungsgemäßer Buchführung“ die Rede. Genau dagegen laufen die sechs Domkapitelherren Sturm.
Vergleich mit der Erntezeit
Interessant ist es in diesem Zusammenhang zurückzublättern. Als Schwarz 2001 zum Bischof von Gurk-Klagenfurt ernannt wurde, geschah dies nicht zuletzt auch, weil er als Sanierer nach Kärnten geschickt wurde. Sein Vorgänger Egon Kapellari hatte neben seinen kirchlichen Verpflichtungen und religiösen Aufgaben besonderes Interesse an Kunst, Kultur, Literatur. Das hatte auch Spuren beim Mensalvermögen hinterlassen. In den letzten 17 Jahren gelang es Schwarz dann wieder so manches unter anderem an Waldbesitz zurück zu erwerben, den Besitzstand wiedererzustellen und damit das „Familiensilber zu sichern“, wie dazu heute nachdrücklich betont wird.
Im Zuge der Sanierung kam es auch zu einer an sich notwendigen Renovierung des Bildungshauses St. Georgen. Kosten, die nun Schwarz zum Vorwurf gemacht werden, die aber er mit seiner Herkunft aus der Landwirtschaft begründet werden und bis heute seine Wirtschaftsphilosophie prägen: „Wenn man eine Aussaat macht, kostet das Geld und dann kommt später die Erntezeit. Bei der Erntezeit denkt man nicht mehr daran, dass die Aussaat Geld gekostet hat. Wenn man wirtschaftet, wenn man Manager eines Betriebs ist, dann muss man Jahre haben, in denen man investiert und Jahre in denen man Gewinne macht“.
Verletzung des Konkordats
Die Leiterin eben dieses Bildungshauses ist gewissermaßen ein weiteres „Corpus delicti“. Ihr warf man vor, den Bischof durch „Gutdünken und Launen“ abhängig gemacht zu haben und sie wurde daher vom neuen Diözesanadministrator gleich fristlos entlassen. Das allerdings ließ sie nicht auf sich sitzen. Und tatsächlich einigte man sich vor Gericht auf einen Vergleich. Was allerdings den Klagenfurter Richter nicht hinderte, eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft Graz wegen des Verdachts der Untreue zu richten. Dort reagiert man sehr vorsichtig und spricht von einem „Routinevorgang“. Ob dem so ist, wird mittlerweile bezweifelt. Das Agieren des Kärntner Richters könnte nämlich ein Eingriff in die kirchliche Autonomie und damit eine Verletzung des Konkordats gewesen sein, das anlassgebende Vorgehen Guggenbergers noch zum Sündenfall werden.