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Brüssel macht mal Pause: Im August ist die EU geschlossen

Erster Lokalaugenschein, Dienstag, 04. August  2015: Die Spitzenmeldung auf der Homepage der EU-Kommission ist grade mal 14 Tage alt und lautet: „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“. Abgesehen von zwei erfreulichen Nachrichten vom Vortag –  „EU stellt weitere 116,8 Mio. Euro für Tunesien bereit“ bzw. „Kommission stellt 6 Mio. Euro für humanitäre Hilfe in Libyen bereit“ – ist kaum Aktuelles zu erfahren.

Okay, schön dass die EU und Vietnam ein Freihandelsabkommen schließen, und  super, dass unser fleißiger Kommissar Johannes Hahn die jüngsten Ereignisse in der Türkei kommentiert. Aber sonst ? – lauter Informationen, die bereits alte Hüte sind.

Zweiter Lokalaugenschein, Dienstag, 11. August 2015: In der abgelaufenen Woche wurde die Website lediglich um neun Meldungen aufgemotzt, wobei sich Migrationskommissar Dimitris Avramopolous besonders ins Zeug legte – „Migration: 2,4 Mrd. Euro für die Mitgliedstaaten“. Ansonst war etwa zu erfahren, dass die Kommission ein zentrales Clearing für Zinsderivate vorschreibt, dass die EU Myanmar und Bangladesch wegen der Flutkatastrophe mit 1,5 Millionen Euro unterstützt oder dass Brüssel die Makrofinanzhilfe über 80 Millionen Euro für Jordanien freigibt. Alles in allem ein dürftiges Infoangebot, weil die Kommission, die sich an normalen Tagen auf www.ec.europa.eu oft mit einer Flut an Presseaussendungen zu Wort meldet, um ihre Umtriebigkeit zu dokumentieren, Anfang August beinahe geschlossen in die Ferien abtaucht.

Wie gewohnt ist in der EU-Zentrale auch im heurigen Hochsommer Stillstand angesagt. Mit Ausnahme der gut laufenden Verhandlungen mit Griechenland in Athen spielt sich europaweit so gut wie nichts ab – die Union ist geschlossen, die EU-Granden entspannen sich. Zu den rühmlichen Ausnahmen zählen Cecilia Malmström, die wenigstens am 4. August mit dem vietnamesischen Industrie- und Handelsminister Vu Huy Hoang  wegen des erwähnten Freihandelsabkommens telefoniert hat, und die Hohe Beauftragte Federica Mogherini, die gemäß EU-Website am 5. und 6. August berufsbedingt in Kuala Lumpur, Malaysien, weilte. Präsident Jean-Claude Juncker indes hat sich für die Saure-Gurken-Zeit keinen einzigen offiziellen Termin vorgenommen, weder eine Besprechung noch eine Sitzung oder sonst was. Das Spannendste, was von ihm zuletzt zu hören war, bestand in einer Erklärung am 20. Juli anlässlich des 90. Geburtstags von Jacqes Delors, einem seiner Vorgänger.

Junckers erster Vize, der Niederländer Frans Timmermans, hat derzeit ebenfalls nichts beruflich Relevantes vor – allerdings steht für ihn am 2. und 3. September ein College-Seminar am Programm. Die Budget-Kommissarin Kristalina Georgieva aus Bulgarien hat sich offensichtlich gleichfalls eine Auszeit genommen, weil ihre Agenda für diesen Monat komplett leer ist. Und ganz ähnlich halten es die übrigen Vizepräsidenten Andrus Ansip (Digitaler Binnenmarkt), Maros Sefcovic (Energie), Valdis Dombrovskis (Euro & sozialer Dialog) sowie Jyrki Katainen (Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit) – keine geplanten Meetings, keine Arbeitsessen, keine Sitzungen, keine Verabredungen, also unter dem Strich keine Arbeit.

Sommerpause für alle

Mach mal Pause lautet das kollektive Motto in Brüssel – Urlaub muss ja auch sein. Aber es ist ziemlich merkwürdig, dass Präsident Juncker so viele Vizes benötigt, von denen dann im August kein einziger im EU-Headquarter greifbar ist. Bei den einfachen Kommissaren ist der momentane Terminkalender ebenfalls komplett leer: „No upcoming agenda items“  bzw. „Keine Termine“ lassen  die Herrschaften die Öffentlichkeit auf der EU-Site wissen. Selbst brisante Themenbereiche sind derzeit personell sozusagen vakant, weil zum Beispiel der für Migration zuständige Kommissar Dimitris Avramopoulos halt auch ein bisschen Erholung nötig hat und daher den ganzen August einfach abschaltet. Die einzige rühmliche Ausnahme ist der spanische EU-Kommissar Miguel Arias Canete, zuständig für Klimapolitik und Energie: Auf ihn warten immerhin zwei Termine in der belgischen Hauptstadt – nämlich am 17. und 18. August.

Das bedeutet also: Von den 28 Mitgliedern der Kommission sind aus heutiger Sicht für August lediglich eine Dienstreise (Mogherini) und zwei Termin (Canete) geplant. So gut wie alle machen gemeinsam blau und befinden sich auf Urlaub,  entweder daheim oder in den Bergen respektive an einem Strand. Natürlich lässt auch das EU-Parlament sämtliche Rollbanken runter, als müsse es wie jedes Jahr unabhängig von der Temperaturf unbedingt Hitzeferien einlegen. Parlamentspräsident Martin Schulz und die Seinen befinden sich bereits ab Montag, dem 20. Juli, im Modus „Summer recess“ (also Sommerpause), was bis 30. August andauern wird.

Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Selbstverständlich stehen auch den EU-Kommissaren und den Europa-Parlamentariern vier oder noch mehr Wochen Ferien pro Jahr zu, um sich vom stressreichen und bisweilen schweißtreibenden Job erholen zu können. Es muss ihnen unbenommen bleiben, ob sie sich in der Krachledernen mit Wandern, in der Badehose mit Schwimmen, zu Hause bei der Familie mit Schlafen, Lesen oder sonst wie entspannen, um wieder aufzutanken und frische Kraft zu sammeln. Und man darf ohnedies davon ausgehen, dass beispielsweise Jean-Claude Juncker im Urlaub stets das Handy sogar auf die Toilette mitnimmt, um im Ernstfall minütlich erreichbar zu sein. Aber der Betrieb im EU-Headquarter, der steht wochenlang still.

Die Kernfrage lautet daher: Müssen wirklich alle EU-Politiker im August gleichzeitig in die Ferien abdüsen? –  so als würde das Jahr bloß aus elf Monaten bestehen und einen Sommermonat lang alles andere – ihre Aufgaben, Ideen, Probleme und Projekte – ebenfalls Pause machen. Es ist vollkommen unnötig, unprofessionell und letztlich unsinnig, dass das Berlaymont-Gebäude im August stets verwaist ist und die Union praktisch ohne oberste Führungsschicht dasteht – in jedem Konzern wäre das ein Ding der Unmöglichkeit. Die EU darf einfach eben so wenig wochenlang zusperren wie ein Unternehmen, ein Medium oder ein Krankenhaus, sondern sie müsste in Zukunft bloß eine bessere Urlaubsplanung schaffen.

 

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