Drei Polit-Machos gegen die mächtigste Frau der Welt – dieses Kräftemessen zeichnet sich EU-intern für die kommenden Monate ab. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat mit starkem Gegenwind, vor allem aus Richtung Westen und Süden, zu rechnen. Die Ursachen des unvermeidlichen Tauziehens sind nicht bloß im Pokerspiel um den nächsten Kommissionspräsidenten zu orten, sondern liegen weitaus tiefer.
[[image1]]Es geht um die bislang letztlich von der deutschen Ersatzkaiserin dominierte grundsätzliche Strategie der Europäischen Union, insbesondere um die Frage, wie Brüssel künftig mit den Kernproblemen wie Schuldenkrise, Arbeitslosigkeit und mangelndes Wachstum umgehen solle.
Merkel, die gerne als oberste Sparmeisterin in Erscheinung zu treten und anderen Mitgliedsländern die Spielregeln zu diktieren pflegte, wird es mit einem aus drei unterschiedlichen Kollegen bestehendem Herren-Bündnis zu tun haben, das für eine klare Kursänderung der Union steht und nicht zuletzt aus dringendem Profilierungszwang politisch Gas geben und mehr Einfluss anstreben muss, um die eigene Karriere noch retten zu können.
Der eine Aufständische ist der britische Premierminister David Cameron, ein Mann, der sich sozusagen aus Tradition immer wieder als besserwisserischer EU-Querulant betätigt, schon bisher gegen beinahe alles, was in Brüssel zur Beschlussfassung anstand, argumentiert hat und der nunmehr unter besonderem Stress steht: Cameron, dem bei der EU-Wahl von der antieuropäischen UKIP ein schmerzlicher Denkzettel verpasst wurde, kämpft derzeit mit allen Mitteln gegen Jean-Claude Juncker und droht sogar mit einem Austritt des Königreichs aus der Union. Die Briten werden ohnedies Ende 2017 über die Mitgliedschaft abstimmen – und wie‘s aussieht, wird Cameron dann bereits Geschichte sein.
Als zweiter Rädelsführer wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der französische Präsident Francois Hollande in Szene setzen wollen, der nach den jüngsten Wahldebakeln daheim ebenfalls ziemlich angeschlagen wirkt und zum politischen Auslaufmodell geworden ist. Zuletzt fiel Merkels bisheriges Bussi-Bussi-Pendant jedenfalls lediglich als tüchtiger Eventmanager auf, denn die D-Day-Jahrestags-Feier in der Normandie ist ihm wirklich wunderbar gelungen. Hollande, der massiven Druck der Rechtspopulistin Marine Le Pen spürt, muss – sofern er das Votum seiner Landsleute verstanden hat – eine weitaus EU-kritischere Haltung als bisher einnehmen und zugleich für die angeschlagene Nation Sonderrechte herausholen.
Der Dritte im Bunde – und höchstwahrscheinlich der Anführer des Trios Infernal – ist Italiens neuer Premier Matteo Renzi. Er hat zwar keine Wahlniederlage zu verkraften, vertritt aber ein Land, um das es – so wie um Frankreich – gar nicht gut bestellt ist. Der überaus sendungsbewusste Politiker wird Anfang Juni für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und dabei versuchen, seine Chance als großer Reformer zu nutzen. Bereits bei seinem Antrittsbesuch in London hat er sich mit Cameron auf die Devise „Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern ein besseres Europa“. Renzi wird auf das in seiner Heimat weit verbreitete Vorurteil eingehen, die Union, vor allem die deutsche Kanzlerin, sei mit ihrer Sparwut mitverantwortlich für die wirtschaftlichen Troubles etlicher Staaten weil die verordneten strengen Auflagen Wachstum verhindern würden.
Verbale Giftpfeile gegen Merkel
Renzi weiß naturgemäß auch, dass antieuropäische Lager die EU für die hohen Arbeitslosenraten verantwortlich machen und überzeugt sind, dass drakonische Maßnahmen zur Erfüllung des Stabilitätspakts noch tiefer in die Rezession führen und die Job-Misere verschlimmern würden. Schon deshalb wird er sich für eine Neu-Positionierung der Europa-Politik stark machen und eine Richtungsänderung anpeilen. So etwa hat er bereits ein Aus für die harten Sparauflagen gefordert um den Druck auf die hochverschuldeten Staaten zu senken. Bei seinen Bemühungen, mehr Zeit für das Erreichen der Haushaltsziele zu erhalten, wird Italien mit Sicherheit Frankreich als Unterstützer hinter sich haben, andere krisengebeutelte Länder wohl ebenfalls.
Das Gesprächsklima im Europäischen Rat wird jedenfalls schon bald noch rauer als bisher sein, wobei Kanzlerin Merkel als Anwältin des Sparkurses mit verbalen Giftpfeilen sonder Zahl zu rechnen hat. Auf den Punkt gebracht wird es darum gehen, ob Brüssel künftig die Dinge, beispielsweise den Stabilitätspakt, nicht mehr so tierisch ernst nimmt und die Zügel im Hinblick auf die Haushaltsdisziplin schleifen lässt oder ob es weiterhin strenge Auflagen für Schuldnerländer geben soll, die etwa jede Menge Strukturreformen durchzuführen haben, um eines Tages doch wieder aus der Bredouille gelangen zu können. Falls Renzi und seine Bündnispartner diesbezüglich zu forsch agieren und Merkel allzu viele Konzessionen abringen, könnte das Trio rasch zu einer unheilvollen Allianz werden und – so wie das übrigens auch bei der 1815 zwischen Russland, Österreich und Preußen geschlossenen Heiligen Allianz der Fall war – für jede Menge Zores sorgen. Kleiner Trost am Rande: Der damalige Spuk war relativ bald wieder vorbei …