In ihrer jüngsten Aussendung erträumen sich die „Katholischen Arbeitnehmer“ mit 35-Stunden- und 4-Tagewochen 50.000 Jobs. Mit Überstundenkürzungen sollen es 100.000 sein[1]. Die Ideen basieren auf falschen Tatsachen, oder leugnen die Realität, in der solche Experimente bereits gescheitert sind.
Fehler 1: Teilzeitjobs
Bereits ein Viertel aller Stellen wären Teilzeitjobs (für Frauen), eine Arbeitszeitverkürzung würde vor allem ihnen mehr Vollzeitmöglichkeiten bringen. Schon hier unterliegt man einer typischen Gewerkschafter-Fehlannahme. Denn die überwiegende Zahl von Teilzeitkräften möchte gar nicht mehr Stunden arbeiten. Im Gegenteil: Was hat man vor 30 Jahren nicht gejammert, dass es zu wenige Teilzeitstellen gebe. Manch Frau kämpft heute um weniger Stunden, um „Familie, Job und Haus“ unter einen Hut zu bringen.
Eine Befragung von 20.000 deutschen Haushalten ergibt regelmäßig, dass ganze 16 Prozent der Teilzeitkräfte lieber Vollzeit arbeiten würden[2]! 84% sind mit ihrem Stundenausmaß zufrieden – die Wut ist nur geschürt.
Fehler 2: Falsche Fakten
„Die französische 35-Stundenwoche hat sich ab 2000 nicht negativ auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt“ – behauptet man allen Ernstes, „2008 wurde sie ohnedies abgeschafft“.
In Wahrheit ist die 35-Stundenwoche der Auslöser für die Job- und Schulden-Krise der mittlerweile hochverschuldeten „Petite Nation“. Schon ein allgemeines Grundverständnis von Mathematik genügt, um Arbeitslosen- und Schuldenraten als „steigend“ zu identifizieren[3]. Ohne Job waren:
2000: 8,6%
2005: 8,9%
2010: 9,3%
2015: 10,3%
Wie von den Katholiken jetzt gefordert, wurden in Frankreich zwar die Wochenstunden gekürzt, nicht aber die Löhne. Damit schnalzten die französischen „Arbeitskosten pro Stunde“ an die Weltspitze (von den hohen Stundenlöhnen träumen auch die Katholischen Arbeitnehmer).
Die Konsequenz war in Frankreich aber weniger erwünscht: Hundertausende „wenig unproduktive“ Stellen gingen verloren und wanderten ins Ausland. Produkte mit hohen Lohnkosten konnten in Frankreich nicht mehr hergestellt werden, ganze Fabriken mussten dicht machen.
Die einzigen Jobs, die mehr wurden (weil sie nicht abwandern konnten), waren die beim Staat. Und genau diese paar Tausend neue Beamten deuten Linke (wie Soziologe Jörg Flecker) als Erfolg. Dabei waren sie der Beginn der Todesspirale: Denn die Kosten für den Staat explodierten. Weil die ohnehin hohen Steuern aber nicht noch weiter erhöht werden konnten, musste Frankreich dies mittels weiterer Schulden finanzieren. Am BIP bemessen betrugen die Schulden:
2000: 58,7%
2005: 67,2%
2010: 81,7%
2015: 96,4%
Dass die 35-Stundenwoche 2008 auslief, ist auch nicht richtig. Es wurden nur theoretische Möglichkeiten geschaffen, sie auszuhöhlen – aber eben nur theoretisch. Leider waren viele Betriebe ohnehin schon fort oder pleite. Bzw. war der Ruf Frankreichs international so ruiniert, dass internationale Firmen mittlerweile einen großen Bogen um das „sozialistische Faultierparadies“ machen. Um es kurz zu sagen: „Frankreich ist kaputt“.
Fehler 3: De-Industrialisierung führt zu Ungleichheit
Die 35-Stundenwoche hat Frankreichs Industrie in rekordhaft hoher Geschwindigkeit ruiniert. Schuf diese vor der 35-Stundenwoche noch 22% des BIPs, sind es jetzt nur mehr 18%. Mit den Industriejobs ging die Mitte der Gesellschaft. Die Kluft zwischen Arm und Reich wuchs. Was jetzt vor allem jene Gewerkschaften und Sozio-/Öko-/Kirchen-NGOs aufheulen lässt, die die 35-Stundenwoche vorher durchgeboxt hatten.
Das „Deutsche Institut der Wirtschaft“ hält knapp fest: „Zwischen 2001 und 2010 gingen in Frankreich (…) fast alle Wirtschaftssektoren stark zurück (z.B. EDV -46%) – während sie in Deutschland stark anstiegen (EDV +18%).[4]“
Fehler 3: Überstunden verteilen
Wie die Kollegen beim ÖGB wollen auch die Katholischen Arbeitnehmer Überstunden für den Betrieb künstlich verteuern, damit diese in neue Stellen umgewandelt werden würden. Wer das fordert, hat seinen (beamteten?) Elfenbeinturm schon lange nicht mehr verlassen. Sonst wüsste man, dass „echte“ Experten Mangelware sind – und die ihre Überstunden als Gehaltsbestandteil ansehen. Kürzt man die, ziehen sie (wie viele andere) weg, etwa in die Schweiz. Wenn große Firmen aber keine guten Leute mehr bekommen, sind die schneller hinter der Grenze, als Gewerkschafter „Solidarität“ buchstabieren können.
Außerdem fallen die meisten Überstunden saisonal an. Soll man für den Top-Mann in den vier Monaten, in denen er 60 Stunden die Woche arbeitet, eine halbe Stelle (mit 20 Stunden) ausschreiben? – Aber welchen Top-Mann würde man für vier Monate finden (einen „Katholischen Arbeitnehmer“?) Und was macht der dann die restlichen 8 Monate – von der Stütze leben (wie „neo-liberal“ ist das denn)?
Fehler 4: Weniger Arbeiten, mehr Stress
Sozial-Utopisten gehen davon aus, dass Menschen, die „weniger Lohnarbeit verrichten müssen“, sich mehr für „ehrenamtliche Tätigkeiten, Kulturpflege, Vereinstätigkeit und politisches Engagement“ einbringen würden. Ganz vorsichtig formuliert: Das ist nicht sicher.
Auch dass der dauernde Produktivitätsfortschritt die Stundenabsenkungen ermögliche, hat sich in Frankreich nicht bewahrheitet. Da die Arbeitnehmer weniger in den Fabriken und Büros saßen, wurde auch weniger produziert. Die Gewinne der Firmen sanken, damit auch die Steuerleistungen.
Um nicht in Konkurs zu gehen, sahen sich viele Firmen gezwungen, die Bänder schneller zu stellen und die Anforderungen zu erhöhen. Im Endeffekt verschärfte die 35-Stundenwochen in Frankreich Arbeitsdruck- und -tempo und führte zu spektakulären Selbstmordserien (wie bei der France Telekom).
Es gibt zwei idealtypische Wege. Weniger arbeiten und entsprechend weniger verdienen. Dann werden weniger Umsätze („BIP“) produziert, weniger Gewinne erzeugt und weniger Steuern abgeliefert. Der Staat muss Sozialleistungen kürzen. Oder die fehlenden Einnahmen durch immer neue Schulden ersetzen. Dann wird aus dem „Modell Frankreich“ schnell das von Griechenland.
Oder den Schweizer Weg: Mehr arbeiten und entsprechend mehr verdienen. Dann gäbe es höhere Umsätze, Gewinne und Steuern für den Staat. Die Steuerlast der Bürger könnte gesenkt werden, weil die Kosten des Sozialsystems auf mehr Arbeitsstunden umgelegt werden könnten. Wer in der Schweiz halbtags arbeitet, hat mehr als der mit „Full time“ im gelobten Frankreich.
Beides, weniger arbeiten – aber so viel verdienen, als wäre man fleißiger gewesen – ist in verantwortungsvollen, „enkel-gerechten“ Systemen leider unmöglich.
[1] Katholische Arbeitnehmer: Arbeit gerechter verteilen, www.religion.orf.at, 21.7.2015
[2] „Chancengerechtigkeit durch Aufstiegsmobilität – Kurzstudie auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)“, IW 2013, S. 31f
[3] „Arbeitslosenquoten wko, Mai 2015
[4] „Industrielle Entwicklung: Deutschland und Frankreich driften auseinander“, DIW Wochenbericht 48/2012, S. 7ff.