Sonntag, 22. Dezember 2024
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China spielt gegen alle Ping-Pong

Barack Obama war vorige Woche beim opulent inszenierten Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (Apec) auf Bali nicht anwesend, und schon ist es passiert: Der smarte Präsident der Volksrepublik, Xi Jinping, hat dort angekündigt, dass China die Führungsrolle im Asien-Pazifik-Raum anstrebe und in weiterer Folge der Weltwirtschaft einen kräftigen Impuls verleihen wolle.

[[image1]]Das Timing war perfekt: Just als der Streit zwischen Republikanern und Demokraten um das Schuldendebakel die Reputation der Vereinigten Staaten ruckartig ramponiert hat und die Weltmacht Nummer Eins wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit zusehends verhöhnt wird, gehen die Chinesen in die Offensive.

Statt Obama, der seine Visite in Malaysia und auf den Philippinen auf Grund der internen Mega-Troubles rund um die zwangsbeurlaubten US-Staatsdienern kurzerhand absagte, tourte der chinesische Präsident munter durch Südostasien. Er verkündete überall seine Visionen, verteilte großzügig Milliarden, in Malaysia schenkte er sogar Pandabären her. Sein Ministerpräsident Li Keqiang wiederum beehrte gleichzeitig Thailand und Vietnam und nahm sodann am großen Asean-Meeting im Sultanat Brunei teil. Obwohl China gar kein Asean-Mitglied ist und noch dazu seit geraumer Zeit mit Malaysia, Vietnam, den Philippinen und anderen Staaten um Gebiete bzw. Bodenschätze im Südchinesischen Meer streitet, gelang der chinesischen Führung ein nahezu perfekter Auftritt.

Das Duo Xi und Li spielt plötzlich mit der asiatischen Nachbarschaft ein wirtschaftspolitisches Ping-Pong – und zwar so gefinkelt, dass alle nur ehrfürchtig staunen können. Mit schmeichelweichen Tönen präsentierte Xi Jinping auf Bali sein Reich als Hort der Stabilität und obersten Problemlöser: „Um auf den Wachstumsweg zurückzufinden“, referierte er, „sollten die Asien-Pazifik-Staaten den Mut haben, das zu tun, was sie nie zuvor getan haben: Gemeinsam ein offenes Wachstumsmodell entwickeln. Dies ist genau das, was China tut“.  In einem Wirtschaftsraum, wo drei Milliarden Menschen leben und fast die Hälfte des Welthandels abgewickelt werde, sei sein Land – und nicht etwa Amerika oder Japan – der logische Motor, weil es – Zitat Xi – „unermüdlich daran arbeitet, Entwicklung und Wohlstand voranzutreiben“.

Die USA, als Weltmacht Nummer Eins bestrebt, immer und überall als Primgeiger aufzutreten, aber auch Japan müssen sich nunmehr notgedrungen mit einer Zuschauerrolle begnügen, denn gegen die Avancen des „großen Bruders“ an die asiatischen Staaten haben sie vorerst keine Chance. Xi unterfertigte beispielsweise eine Reihe von Kooperationsverträgen mit Indonesien, bei denen es um insgesamt 30 Milliarden Dollar geht. Bislang waren die Amerikaner die größten Auslandsinvestoren im Inselreich, wo noch gigantische Investments in die Infrastruktur erforderlich sind. Dass „ein harmonisches Zusammensein“ auch für alle übrigen Staaten opportun sei, unterstrich Chinas Staatspräsident mit der Ankündigung einer „Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank“, die mit mehr als 50 Milliarden Dollar gepolstert werden soll. Die Gründung dieser Institution wird wohl zum einen die Pläne der japanisch dominierten „Asiatischen Entwicklungsbank“ durchkreuzen, zum anderen soll dieser Schachzug den Einfluss der vom Westen beherrschten Weltbank und des Internationalen Währungsfonds in Asien schwächen.

Abfuhr für die EU

Der glasklare Führungsanspruch der Chinesen, die heuer immer noch ein Wachstum von 7,5 Prozent schaffen dürften, ist allerdings mit dezenter Selbstkritik verknüpft: Xi  stellte auf seiner ersten Auslandsreise interne Strukturreformen in Aussicht, die ein „schmerzhafter Anpassungsprozess“  sein und auf Kosten der Wachstumsgeschwindigkeit gehen würden.   Trotz seiner vielfältigen Probleme – etwa der steigenden Arbeitslosigkeit – sei das Reich der Mitte bestens geeignet, künftig die Regie unter den 21 Apec-Staaten, zu denen übrigens auch Russland zählt, zu übernehmen: In den kommenden fünf Jahren werde China mehr als 500 Milliarden Dollar im Ausland investieren, 400 Millionen Touristen über die Grenze schicken und Waren für mehr als 10 Billionen Dollar importieren. Im direkten Vergleich mit dem regierenden Export-Weltmeister stecken alle anderen asiatischen Staaten in weitaus kleineren Schuhen, auch Wladimir Putin kommt bestenfalls die Rolle des netten Onkels aus Moskau zu.

Der russische Präsident muss ebenso wie Brüssel schmerzlich erfahren, wo die Musik tatsächlich gespielt wird. Dabei ist er bezüglich „Networking“ noch besser dran als die mit sich selbst beschäftigten EU-Granden, denn Putin stehen etliche Nachbarländer zur Verfügung, an denen er seine gekonnten Machtspielchen – Zuckerbrot und Peitsche – erproben kann. Sein riesiges Spielfeld ist geprägt durch wirtschaftliche Abhängigkeiten, emotionale Abneigungen, handfeste Feindschaften und jede Menge Unberechenbarkeiten. Die Ukraine zum Beispiel schwankt seit Jahren beharrlich zwischen Ost- und West-Annäherung. Georgien wiederum hat im August 2008 die diplomatischen Beziehungen mit Moskau abgebrochen, galt dort lange als unversöhnlicher Nachbar und macht erst in jüngster Zeit wieder eine freundlichere Miene.

Aserbaidschan indes ist zwar an guten Beziehungen zu Russland interessiert, präferiert allerdings kommerziell viel versprechende Kontakte mit den USA und Europa. Mit Weissrussland und Kasachstan sind die Russen seit 2010 in einer Zollunion verbunden, die mit zahllosen Handelshürden, etwa seitens der USA, konfrontiert ist. Die drei Länder planen seit 2011 eine Eurasische Union, die freilich erst ab 2015 funktionieren könnte. Ob weitere Länder – etwa Kirgistan oder Tadschikistan  – andocken werden, steht noch in den Sternen – mit einer Ausnahme: Armenien hat soeben angekündigt, dem Zoll-Bündnis und später auch der Eurasischen Union beitreten zu wollen.

Ein harter Schlag für die Europäische Union, die mit Armenien immerhin drei Jahre über einen Assoziierungsvertrag verhandelt hat, bei dem ein umfassendes Freihandelsabkommen im Zentrum stehen sollte. Doch plötzlich verzichtet der armenische Präsident Sersch Sarkisjan darauf, vermutlich weil der Druck aus Moskau zu groß geworden war. Immerhin sind in Armenien noch bis 2044 russische Soldaten stationiert, damit der Krieg gegen Aserbaidschan nicht wieder aufflammt. Nicht zuletzt befinden sich etwa die armenische Fluglinie, das Eisenbahnnetz und die Grundstoffindustrien längst in russischer Hand.

Im Fall Ukraine, die sich letztlich für ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU entschieden hat, könnte Brüssel ebenfalls noch ein böses Erwachen erleben. Ein Knackpunkt wird sein, ob sich Wiktor Janukowitsch durchringen kann, seine Vorgängerin Julia Timoschenko aus der Haft zu entlassen und ob er standhaft genug ist, sich von den zahlreichen Fesseln Russlands, das einen Handelskrieg gegen Kiew führt, zu befreien. Putin wird, auch wenn eine EU-Vollmitgliedschaft der Ukraine bestenfalls ferne Zukunftsmusik ist, alles versuchen, das Land vom europäischen Kurs abzuhalten – Stichworte: Polit-Propaganda, Gas-Diplomatie, Wirtschafts-Schikanen, selbst der Einsatz von Gewalt ist nicht auszuschließen.

Kurzum: Im Gegensatz zu den USA, die seit jeher die Welt in Freunde und Feinde aufteilen, und China, das nunmehr seine Trümpfe ausspielt, hat die EU äußerst schlechte Karten, für andere Staaten ebenfalls als eine Art Lokomotive fungieren zu können, um auf diese Weise selbst stärker zu werden. Die Union schafft es nicht einmal, eigene Mitglieder bei der Stange zu halten – siehe Großbritannien – , und zugleich frustriert sie bündniswillige Länder wie die Türkei durch eine beinahe schon provokante  Hinhaltetaktik. Es geht künftig gewiss nicht um die Beschleunigung des Beitrittsprozesses – das wäre sogar fatal und nicht zu verkraften – , sondern vielmehr um die Schaffung zusätzlicher Allianzen. Ohne breite(re) Basis wird die EU nämlich im Kampf der Giganten lediglich das spielen, was sich bereits abzeichnet: eine Statistenrolle.
 

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