Peking weitet seinen wirtschaftlichen Einfluss massiv aus. Und findet zu viele offenen Ohren.
Dass Peking in vielen asiatischen Nachbarländern, aber auch in Afrika und sogar in Mittelamerika (siehe die durch Nicaragua geplante Wasserstraße, die parallel zum Panama-Kanal verläuft) wirtschaftlich Fuß gefasst hat, wird bereits als ein Faktum hingenommen. Der Ausbau der neuen Seidenstraße, dessen Bahnverbindung bis vor die Tore Wiens geplant ist, hat bereits das Interesse der Politik und Wirtschaft in weiten Kreisen Europas geweckt. Besonders angetan sind derzeit die einstigen Volksdemokratien in Ost- und Südosteuropa. So traf sich erst vor etwa zehn Tagen die so genannte 16-+1 Gruppe in Skopje. Dabei handelt es sich um eine 2011 gegründete Kooperationsplattform zwischen elf osteuropäischen EU-Ländern, fünf Balkanstaaten und China.
Peking will Einfluss auf EU gewinnen
Rund drei Milliarden Euro will China in den nächsten Jahren allein in Osteuropa und auf dem Balkan investieren. Für die Länder dieser Region ist dies ein willkommener Geldregen, vor allem auch, weil diese Finanzierungen nicht wie bei EU-Projekten einen mühsamen Genehmigungsprozess durchlaufen müssen. Was dabei freilich im Überschwang der Gefühle vergessen wird, ist die Tatsache, dass damit langzeitliche Rückzahlungen und vor allem entsprechende Abhängigkeiten verbunden sind. Ein spezielles Problem dabei ist, dass Peking damit versucht, über diese Staaten Einfluss auf Europa zu gewinnen beziehungsweise Druck auf die EU-Politik ausüben zu können.
Wirtschaftskammer möchte zur 16+1 Gruppe stoßen
Wie EU-Infothek aus zuverlässigen Kreisen mitgeteilt wurde, würde auch die Wirtschaftskammer Österreich der Kooperationsplattform 16+1 gerne beitreten. Ein Vorhaben, zu dem es allerdings von Seiten der Bundesregierung eine klare Absage gibt. Die Wirtschaftsberater von Bundeskanzler Sebastian Kurz raten bei aller Freundlichkeit gegenüber China zur Vorsicht. Das gilt insbesondere auch für die Errichtung eines Endbahnhofes der Breitspurbahn vor den Toren Wiens, um die Waren von Peking bis in die Mitte Europas zu transportieren. Nicht zufällig hat Niederösterreich die erste Euphorie wieder gebremst. Zunächst muss es – so Kurz – eine Marktöffnung Chinas für Produkte aus der EU geben, ehe man dann daran denken kann, weitere Vereinbarungen zu schließen. Zudem sieht man derzeit in diesem Projekt eher eine Einbahnstraße, mit der China den europäischen Markt mit seinen Wirtschaftsgütern und das zu Dumpingpreisen überfluten will.
Schwarzenberg sieht aggressive Phase Chinas
Kurz geht sogar so weit, im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft im November in Brüssel einen China-Gipfel zu veranstalten. Daran will auch der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang teilnehmen. Primär geht es aber darum, die nach dem Brexit verbleibenden 27 EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie zu bringen und Extratouren, so vor allem der Ost- und Südosteuropäer zu verhindern. Der tschechische Elder-Statesman Karl Schwarzenberg hat es auf den Punkt gebracht: „Die Chinesen arbeiten sehr zielbewusst. Wir müssen deshalb mit China selbstbewusst umgehen. Ich mag nicht zusehen, wie europäische Politiker nach China pilgern und dort voll Bewunderung am chinesischen Hof unterwürfig vorbeischauen. Verstehen Sie mich nicht falsch: China hat eine große und uralte Kultur und ist ein großartiges Land, nichtsdestotrotz hat es gerade eine aggressive Phase, und dem sollten wir selbstbewusst entgegentreten.“
Mega-Investitionen in Balkan-Verbindungen
Beim 16+1 Meeting wurde offenkundig, dass Peking an einer beispiellosen Offensive in Europas östlichem Hinterhof arbeitet. Schon seit einiger Zeit streckt die asiatische Großmacht ihre Fühler in den derzeit dynamischsten Wachstumsregionen Europas aus. China lockt die Osteuropäer mit Krediten für den Ausbau ihrer rückständigen Infrastruktur: Ein Netz aus Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Flug- und Seehäfen, Pipelines und Kraftwerken soll entstehen. Das Glanzstück ist der geplante Ausbau der Bahnverbindung Belgrad-Budapest zur Hochgeschwindigkeitsstrecke. Damit soll die Fahrzeit für die 350 Kilometer von derzeit acht auf drei Stunden verkürzt werden. 2020/21 soll mit dem Bau begonnen werden. Geplant ist ferner eine Verlängerung von Belgrad über Sofia nach Piräus. Und das hat einen guten Grund: Griechenlands wichtigster Hafen ist bereits im Besitz einer chinesischen Reederei.
Kanal von der Donau zur Ägäis
Schlussendlich steht noch ein geradezu historisches Projekt auf der chinesischen Agenda. Griechenland, Mazedonien und Serbien wollen einen neuen Schifffahrtsweg von der Donau bis in die Ägäis eröffnen. Ausgehend 50 Kilometer östlich von Belgrad soll die Donau über ihren Nebenfluss Morava mit dem Fluss Vardar/Axios verbinden, der westlich von Thessaloniki in die Ägäis mündet. Im Verlauf der rund 500 Kilometer sind allerdings größere Geländestufen zu überwinden. Der Bau von Schleusen, Kanalquerungen, Kanalbrücken ja sogar Kanaltunnels ist erforderlich, um so eine der längsten künstlich geschaffenen Wasserstraßen zu schaffen.
Ein weiterer Weckruf für Europa ist angesagt
Und wieder einmal sind es chinesische Investoren, die ihr Interesse für Bau und Finanzierung bereits angemeldet haben. Die Kosten belaufen sich auf etwa 20 Milliarden Euro, die Bauzeit wird mit nicht einmal 10 Jahren berechnet, kürzer als jene für den Brenner-Basis-Tunnel. Griechenlands Regierungschef Alexis Tspiras findet Gefallen an diesem Vorhaben, weil es Griechenland – ebenso wie die Verlängerung der Hochleistungsbahn bis nach Piräus – näher an das Zentrum Europas heranbringen würde. Gleichzeitig wird aber Stimmung gemacht, dass sich die EU dieses Vorhaben nicht von China aus der Hand nehmen darf. Man spricht von einen „Weckruf“, den die Pekinger Offensive endlich auslösen soll. Verlangt wird eine Investitionsinitiative der EU, die allerdings erst die nächste Kommission auslösen könnte. Wenn man sich dazu entschließt.