Donnerstag, 14. November 2024
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Corona: Diese App soll die Ausgangssperren ersetzen. Kann das funktionieren?

Bild © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt)

Demnächst soll eine App melden, wenn du in die Nähe von Corona-Infizierten gekommen bist. Das sind ihre Risiken und Nebenwirkungen.

Irgendwann muss das Leben nach Covid-19 weitergehen. Kontaktsperren und Vollbremsung der Wirtschaft lassen sich nicht ewig aufrechterhalten. Die Preisfrage lautet derzeit: Wie lässt sich verhindern, dass sich das Virus danach wieder rasant ausbreitet?

Ein Vorschlag, der derzeit in Forschung und Politik diskutiert wird: »Smartphones nutzen, um die Ausbreitung des Virus nachzuverfolgen.« Damit könnten Infizierte schneller isoliert und die Ausbreitung vermindert werden – ganz nach südkoreanischem Vorbild. Denn das asiatische Land hat die Pandemie anscheinend im Griff.

Während Deutschland rund 4.000–5.000 Neuinfektionen pro Tag meldet, hat sich Südkorea bei 100 eingependelt.

Dazu musste die Regierung »nur« die eigenen BürgerInnen durchleuchten und ihr Bewegungsprofil anhand von Kreditkartendaten, Überwachungskameras, Handydaten und einer staatlichen Tracking-App verfolgen. Dass letztere die Infizierten und Reisende sogar an den digitalen Pranger stellt, nimmt Südkorea dabei in Kauf.

Ein Albtraum für alle, denen Datenschutz und Privatsphäre am Herzen liegen.

Nun soll eine Anti-Corona-Software auch in Europa eingesetzt werden. Diese Woche wurde ihre Funktionsweise erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie setzt auf Freiwilligkeit und sparsamen Umgang mit den gesammelten Informationen der Bürgerinnen und Bürger – und möchte KritikerInnen damit den Wind aus den Segeln nehmen.

Dabei könnte sie aus einem einfachen Grund ein Rohrkrepierer werden und wenig bringen.

Das soll die neue Anti-Corona-Lösung der EU werden

Die europäische Antwort auf die koreanische Totalüberwachung heißt Pan European Privacy Protecting Proximity Tracing (kurz Pepp-PT). Dahinter steht ein Konsortium von 17 europäischen Organisationen und Firmen rund um das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, die einen gemeinsamen Software-Standard erarbeiten. Damit sollen die einzelnen EU-Länder später eigene Tracking-Apps entwickeln. Die deutsche App wird das Robert Koch-Institut voraussichtlich kurz nach Ostern veröffentlichen.

Wer sie nutzt, muss nur das Bluetooth des eigenen Smartphones einschalten und wird dann nachträglich alarmiert, wenn er oder sie sich in der Nähe einer auf das Coronavirus positiv getesteten Person aufgehalten hat. So kann anschließend die Selbstquarantäne beginnen und mit dem Nachweis auf einen Kontakt ein Covid-19-Test stattfinden. Die dahinterstehende Technologie (genannt »Proximity Tracing«) funktioniert dabei nach Aussage der EntwicklerInnen ohne die Abfrage von Daten, durch die Personen identifiziert werden könnten.

Tatsächlich spricht vieles dafür, dass bei Pepp-PT die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen wird. Immerhin will das Konsortium als Sicherheitsmaßnahme gegen Missbrauch jede einzelne App überprüfen, die mit dem Standard entwickelt wird. Auch dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber (SPD), die Entwicklung begleitet, ist löblich. Ob die Versprechen gehalten werden und Transparenz sowie Kontrolle ausreichen, muss aber die finale Software erst noch zeigen – unabhängige DatenschützerInnen und JournalistInnen tun jedenfalls gut daran, bei jeder App genau hinzuschauen, die ein Großteil der Bevölkerung für medizinische Zwecke nutzen soll.

Die scheinbar bürgerfreundliche Herangehensweise hat aber auch eine kritische Schwäche: Sie könnte einfach nicht gut genug wirken. Zwar würden laut einer repräsentativen Umfrage 70% der Deutschen eine Pepp-PT-App installieren. Doch die Nutzung ist genauso freiwillig, wie die eigenen Daten bei einer positiven Diagnose hochzuladen. Damit funktioniert das System für diejenigen, die sowieso schon solidarisch und vorsichtig sind. Es übergeht allerdings vor allem ältere Menschen, die kein Smartphone besitzen oder mit der Technik hadern (die gehören immerhin zur größten Risikogruppe). Und es bietet dazu keinen verlässlichen Schutz gegen menschliche Unvernunft und sogenannte »Superspreader«, die das Virus an Hunderte andere weitergeben – weil sie etwa die Gefahr nicht ernst nehmen.

Immerhin warnt das Robert Koch-Institut davor, dass viele Deutsche Covid-19 noch auf die leichte Schulter nehmen. Und nicht von ungefähr grassieren hierzulande neben dem Coronavirus auch Wissenschaftsskepsis und Verschwörungsglauben.

Und wenn das mit der freiwilligen Nutzung nicht klappt, dürfte bei EntscheidungsträgerInnen schon bald die Idee aufkommen, die Pepp-PT zu einer »Zwangsapp« umzuwandeln – und mit anderen Daten zu ergänzen. Südkorea macht es vor.

Gerade jetzt heißt es: wachsam bleiben!

Was DatenschützerInnen derzeit wirklich besorgen sollte, ist der Wille mancher Politiker, Überwachung und eingeschränkte Bürgerrechte im Kampf gegen das Coronavirus einzusetzen. So schwärmte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) noch vor wenigen Tagen im Interview mit dem Tagesspiegel vom »guten Vorbild« Südkorea und den dort herrschenden Maßnahmen.

Und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wollte ursprünglich die Auswertung von Handydaten im reformierten Infektionsschutzgesetz unterbringen. Das war zwar recht schnell vom Tisch, doch an anderer Stelle will der Minister neue Daten einkassieren: Gesundheitsministerien sollen Zugriff auf Fluggastdaten erhalten – und zwar ohne konkreten Verdacht. Dass die »Rasterfahndung am Himmel« an sich heftig umstritten ist und gerade durch den Europäischen Gerichtshof überprüft wird, scheint in der Krise nicht weiter zu stören.

Ein weiteres besorgniserregendes Element ist die Zeit, denn sie spielt gegen die Freiheit: Je länger die Pandemie anhält, desto mehr Handlungsdruck wird auf der Exekutive lasten und desto attraktiver werden Lösungen wie die in Südkorea erscheinen. Dazu dürfte auch die Bereitschaft der Bevölkerung steigen, radikalere Maßnahmen wie einen Verlust von Privatsphäre zu akzeptieren. Und BürgerrechtlerInnen werden immer mehr Mühe haben, die schwer zu begreifenden Konsequenzen von steigender Überwachung gegen die konkrete Bedrohung eines Virus zu verteidigen.

Genau deshalb heißt es jetzt: wachsam bleiben. Denn einmal in Ausnahmesituationen akzeptierte Maßnahmen und aufgegebene Rechte sind nachher nur schwer wieder zurückzudrehen.

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2 Kommentare

  1. Liebe Redaktion,

    Ich möchte nicht einen einzelnen Beitrag kommentieren.
    Ich möchte mich aber einmal bei Ihnen bedanken für Ihre
    wertvolle journalistische Arbeit.
    Sie steht im Gegesatz zu dem, was uns sonst vorgesetzt wird, zumindest
    vom Großteil der Medien und Veröffentlichungen. Ich empfehle
    Ihre Arbeit an meine Familie und meinen Freundeskreis weiter!

    Herzlichen Dank und bitte machen Sie so weiter!

    Viele Grüße
    Franz H.

  2. Das wird noch lustig mit dieser blöden ‚App‘. Muss jetzt jeder ein Smartphone haben? Wann kommt das Gesetz dazu? Denn ich zum Beispiele habe zwar ein Handy, aber kein Smartphone. Auf einem Handy kann man keine Apps installieren.
    Und nein, ich brauche kein Smartphone, deswegen habe ich auch keines. Hr.Sobotka sollte wenigstens versuchen, mal nachzudenken und über seinen Tellerrand hinaus schauen.
    Es gibt auch viel alte Leute, die nicht dumm sind, oder technisch unfähig, aber die kein Smartphone haben, und auch keines wollen, da viele die Schrift dort kaum noch lesen können.

    Diese konfuse Ge- und Verbotsorgie einer völlig irre gewordenen Junta sollten wir so bald als möglich stoppen.

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