Mittwoch, 13. November 2024
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Corona Virus – Was sind die tieferen Ursachen dass Italien in Europa zum Virus-Herd wurde?

Bild © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt)

Derzeit kann Italien mit Mitleid rechnen, weil es in Europa das derzeit vom Corona-Virus am stärksten betroffene Land ist. Wenn freilich diese Pandemie abgeklungen ist und man die Behandlung in den Griff bekommen hat, wird es sich die Frage stellen lassen müssen, warum gerade hier der Ausbruch und das so stark erfolgte.

Eine heikle Frage, für die Zeit nach dem Virus

Noch immer konzentriert sich Italien – absolut zu Recht – darauf, den Kampf gegen den Virus mit aller Kraft zu führen, um den totalen Kollaps zu verhindern, vermeidet es aber den tieferen Ursachen nachzugehen, warum es zum Virenherd in Europa wurde. Denn das wird zu einem zentralen Thema, wenn wieder einigermaßen der Alltag eingekehrt ist. Bei der Beantwortung dieser Frage, wird man sehr schnell darauf kommen, dass nicht unwesentlich auch Politiker, ja selbst große Unternehmer involviert sind. Auch sie wurden Profiteure eines Systems, das seit Jahrzehnten die Wirtschaft und Gesellschaft dieses Landes bestimmt. Das Schlüsselwort lautet: Mafiöse Zustände, die das öffentliche Leben, die Wirtschaft, ja auch Teile der Politik wie mit einem Spinnennetz überzogen haben.

Wie eine Krake umklammert die Mafia das Land

Und dabei stößt man immer wieder auf die Mafia – in ihren unterschiedlichen Organisationsformen von der neapolitanischen Camorra über die kalabresische ’Ndrangheta und apulische Sacra Corona Unita  bis zur sizilianischen Stidda Sie hat ausgehend vom Süden, also von Napoli bis Sizilien eine Schattenwirtschaft aufgezogen, die mittlerweile längst den noch florierenden Norden erfasst. Das hat sich sowohl bei der EXPO in Mailand 2015 gezeigt und ist jetzt auch beim Bau des Hochwasserschutzes in Venedig sichtbar geworden. Millionen, ja Milliarden verschwanden in dunklen Kanälen. Vom Süden Italiens ist es bekannt, dass dort die ohnedies marode öffentliche Versorgung ohne der Mafia gar nicht mehr gewährleistet wäre.

Wie Euro-Förderungen am Weg in den Süden versickern

Schon seit der großen Finanzkrise 2008 und der Griechenlandkrise 2010 macht sich Europa ernsthaft Sorgen um die Stabilität des Landes. Eine Folge davon ist, dass unter anderem vergessen wurde, nachhaltig in das Gesundheitssystem zu investieren. Weil es dort nichts zu verdienen gibt, sondern bloß die notwendige medizinische Betreuung aufrecht zu erhalten gilt. Dies betrifft insbesondere den Süden , wo es schwere Mängel in der medizinischen Grundversorgung und der Ausstattung der Krankenanstalten gibt. Dazu gibt es eine interessante Studie, die die Wirtschaftszeitung 24Ore veröffentlicht hat:  von jedem Euro der von der EU nach Italien fließt, landen in Südtirol 98 Prozent bei dem zu fördernden Projekt, von Kalabrien bis Sizilien sind es nur noch 45 Prozent. Und wo landet der Rest?

Warum der Norden vom Corona Virus mehr befallen ist

Dass in der jetzigen Situation weniger der Süden sondern vor allem der Norden des Landes besonders vom Corona Virus betroffen ist, lässt sich auf Italiens Wirtschaftsstruktur zurückführen. In der Lombardei, der Emiglia Romagna, in Venetien schlägt das wirtschaftliche Herz Italiens. Und das zum Teil wiederum, weil man um Produktionskosten zu sparen, wettbewerbsfähig zu sein, in vielen Bereichen auf billige, ausländische Arbeitskräfte gesetzt hat. Die italienische Modeindustrie – siehe den Bericht von EU-Infothek – hängt von den Nähstuben ab, in denen tausende Chinesen zu Niedrigstlöhnen schuften. Aber auch in manch anderen Wirtschaftszweigen geht es nicht unähnlich zu.

Ausreden decken zu, helfen nicht weiter

Dazu kommt, dass die nördliche Region wesentlich mehr als der südliche Teil des Stiefels international vernetzt ist, viel Handel mit China betreibt. Innenpolitisch war und ist diese Disparität zwischen Nord- und Süditalien auch immer wieder Grund für Kontroversen und Diskussionen, die aber nie wirklich ausgetragen und einer Lösung zugeführt wurden. Ohne Zweifel nicht zu vergessen ist, dass Italien nicht nur Handel über den Flugweg führt, sondern zahlreiche Häfen hat, die auch für den europäischen Handel eine große Rolle spielen. Man macht es sich aber zu leicht, wie in einer Reihe von Publikationen nachzulesen ist, wenn man jetzt nach Ausreden sucht, so etwa dass Italien ein Tourismusmagnet ist, das Virus auch anderswo in Europa hätte ausbrechen können und in den italienischen Großstädten, wie etwa Rom, in denen sich Millionen von auch chinesischen Touristen tummeln, es bislang die geringste Zahl von Infiszierten gibt.

Der ignorierte „Patient O“

Faktum ist, dass der erste Fall schon Mitte Januar in Italien aufgetaucht ist. Und das unmittelbar nach dem chinesischen Neujahr. Aber irgendwie nicht wirklich ernst genommen wurde. Dieser „Patient 0“ hätte eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung und frühzeitigen Bekämpfung gespielt. Kaum war der Virus so richtig dabei, sich auszubreiten, begannen sich auch die Schwächen Italiens zu offenbaren. Und dabei wird wohl kein Weg an der Rolle der Mafia (vielleicht auch im Zusammenspiel mit der chinesischen Mafia) vorbeiführen, die aber vorerst noch unter den Tisch gekehrt wird. Denn die Mängel in der medizinischen Infrastruktur, die einmal mehr offenkundig gewordenen Substrukturen in manchen Teilen der Wirtschaft, haben auch eine Ursache.

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