Nach der Berlin-Wahl, die in zwei Wochen stattfindet, will die CSU mit Angela Merkel „tabula rasa“ reden. Das erfuhr EU-Infothek aus dem innersten Führungskreis.
Der Haussegen innerhalb der Unionsparteien hängt wieder einmal, wie so oft in der gemeinsamen Parteiengeschichte, schief. Und wieder ist es die CSU die von München aus Druck auf die Parteizentrale der Schwesternpartei in Berlin macht.
Der Grund sind nicht nur die immer schlechter werdenden Umfrageergebnisse (gegenüber der letzten Bundestagswahl hat die Union 25 Prozent ihrer Stimmen verloren, die AfD ihren Stimmanteil verdreifacht) sondern das desaströse Abschneiden in Merkels Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, wo die AfD die CDU auf den dritten Platz verwies. Protestiert wird vor allem, dass man es sich zu leicht macht, nur von einer Wahlniederlage in einem, noch dazu kleinen Bundesland zu reden. Die eigentliche Dramatik sei der Blick auf die politische Landkarte: Von jenen 15 Bundesländern, in denen für die Unionsparteien die CDU zu Wahlen antritt, werden derzeit gerade vier von „schwarzen“ Ministerpräsidenten regiert.
Nicht zusehen, wie es den Bach hinunter geht
Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Gefolgschaft, so wird ganz unverblümt gesagt, wollen sicher nicht bis zu den Bundestagswahlen im kommenden Herbst zusehen, wie die Union „den Bach hinunter rinnt“. Und um auch klar zu sagen, wer daran die Schuld trägt: „Man kann sich doch nicht einfach in ein Schicksal begeben und zusehen, wie eine Protestpartei von den Defiziten der Berliner Republik profitiert.“ Kurzum, wie die Lemminge auf den Untergang zuzusteuern, dagegen wird man sich mit allen Kräften stemmen. Und das bekommt die Kanzlerin zu spüren. Mit Sicherheit am Tag nach der Berlin-Wahl, wo laut letzten Umfragen die CDU ebenfalls Gefahr läuft, den 2. Platz zu verlieren. Offen ist nur noch, wie tief der Fall gehen kann.
Ministerpräsident CSU-Vorsitzender Horst Seehofer.
© Freud (Eigenes Werk), via Wikimedia Commons
Die K-Frage wird im Frühjahr entschieden
Bei der CSU hat man nicht nur den Eindruck sondern auch die Gewissheit, dass viele in der CDU ihre Zukunftssorgen teilen. Schließlich würden allein gut 100 Parlamentarier um ihren Sitz im Deutschen Bundestag bangen. Die Schonfrist, die die Bayern der Kanzlerin gewähren, ist vermeintlich und nur noch von kurzer Dauer. Angela Merkel sollte sich nicht der Illusion hingeben, auf ein „Durchtauchen“ zu setzen, heißt es im inneren Zirkel. Ihr Plan, beim Parteitag der CDU im Dezember eine neuerliche Kanzlerkandidatur bekannt zu geben, wird in München als eine „Anmaßung“ betrachtet. Der Zeitplan der CSU ist ein anderer und man verweist auf Generalsekretär Andreas Scheuer. Er hat bereits deponiert, das für die CSU eines feststeht: „Über das Personal und das betrifft auch die Kanzlerkandidatur wird im Frühjahr entschieden“. Und damit basta.
Merkel beim EPP Gipfel in Brüssel im März 2016.
© eppofficial, via Wikimedia Commons
Mitte-Rechts-Kurs wäre gefragt
Auf der Top-Agenda steht für Ministerpräsident Horst Seehofer ein Abschied von der Willkommenspolitik. Und er verlangt, dass man sich an Österreich ein Beispiel nimmt: „Wir brauchen eine Obergrenze für Flüchtlinge, schnellere Rückführungen, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und eine bessere Integration.“ Aber nicht nur die Flüchtlingspolitik missfällt an der Merkel’schen Politik. Es ist generell ein Linksruck, den man der CDU-Chefin vorwirft und für den man ihre Herkunft aus einer protestantische Theologenfamilie und der DDR verantwortlich macht. Ein Vorwurf, der übrigens schon länger auch in CDU-Kreisen Westdeutschlands immer wieder zu vernehmen war. Geradezu genüsslich zitiert man eine für die Unionsparteien erstellte Studie des Allensbach-Institutes, wonach eine Mitte-Rechts-Politik mit christ-demokratischen Akzenten sehr wohl gefragt wäre.
Der Drang der Bayern an die Spitze
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stand ein bayerischer Politiker an der Spitze der Bundesregierung, nur einmal – 1980 – war der Spitzenkandidat der Unions-Parteien ein CSU-Mann, nämlich Franz-Josef Strauss. Bloß einen beachtlichen Beitrag an „schwarzen Stimmen“ bei Bundestagswahlen zu leisten, aber nur Juniorpartner spielen zu dürfen, ist auf die Dauer kein Zustand. An sich würde es Seehofer reizen, wie kolportiert wird, von der Spitze der Landes- an die Spitze der Bundespolitik zu rücken. Dazu bedarf es aber auch einer gehörigen Unterstützung durch die CDU. Trotz des nicht zu unterschätzenden Unbehagens gerade auch in der CDU, dass die Ära Merkel ein für die konservative Volkspartei unrühmliches Ende finden sollte, wenn nicht noch rechtzeitig ein Turnover gelingt, sind dafür die Chancen minimal. Nicht zuletzt weil Seehofer gleich um fünf Jahre älter ist als Merkel.