Die griechische Linkspartei Syriza ist wie ein Komet aufgestiegen und wird wie eine Sternschnuppe verglühen. Das einstige Wahlbündnis aus linksradikalen, trotzkistischen, maoistischen, kommunistischen und antikapitalistischen Gruppierungen ist zwar seit Jänner die stärkste politische Kraft Griechenlands, doch ihre Zukunftsaussichten stehen miserabel.
Und Parteichef Alexis Tsipras, der als neuer Ministerpräsident einen politischen Salto Mortale ohne Netz versucht, weiß zwar das Gros seiner Landsleute noch hinter sich, doch eines Tages wird er von ihnen wohl einen Tritt in den Hintern bekommen. Seine Vision, das Land und dessen Bürger von Schuldenlast und Depression zu befreien, ist im Handumdrehen zur Mission Impossible geworden.
Tsipras hatte den Griechen im Wahlkampf noch das Blaue vom Himmel versprochen, wollte der Bevölkerung eine erfreuliche Perspektive aufzeigen: Statt um praktisch kaum rückzahlbare Mega-Staatsschulden und an Stelle des brutalen Sparkurses der vorigen Regierung sollte es ihm zu Folge wieder um die Menschen gehen, die massive Lohn- und Pensionskürzungen, Streichungen bei Sozialleistungen und eine Arbeitslosenrate von 27 Prozent zu verkraften haben. Doch der unberechenbare Wahlsieger, der mit der Troika nichts mehr zu tun haben wollte, blitzte in Brüssel bei den EU-Kollegen ebenso ab wie sein überheblicher Finanzminister Yanis Varoufakis, der mit professoralen, aber nichts sagenden Vorlesungen nur für verblüfften Ärger zu sorgen vermochte. Das Duo Infernal hatte also, nachdem es den begehrten Schuldenschnitt ad acta legen musste, keine andere Wahl, als klein beizugeben. Andernfalls hätten nämlich die Geldgeber die Konsequenzen gezogen und kein Geld mehr überwiesen, was Griechenland blitzartig in den Staatsbankrott getrieben hätte.
Tatsächlich schickte sein Finanzminister am Montag nachts ein achtseitiges Papier mit Reformvorschlägen an die Geldgeber aus: Darin stand, dass die Regierung den Benzinschmuggel im Land stoppen, den Zigarettenschmuggel bekämpfen, Steuerschulden massiv eintreiben, gegen die Korruption vorgehen und reiche Grieche verstärkt zur Kassa bitten wolle – alles in allem sollen damit sieben Milliarden Euro hereingespielt werden. Wirklich klar und konkret sind diese Pläne jedoch nicht. Kurzum: Ein Tropfen auf einen heißen Stein – quasi nach dem
Motto: Statt weiße Rosen tote Hosen aus Athen.
Der pokernde Syriza-Chef steht jedenfalls doppelt unter Druck – einerseits erwarten seine Landsleute, dass er sich aus den EU-Zwängen befreien, ihre Lebensbedingungen rasch verbessern und das Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln kann; anderseits lässt die Union nicht locker, wenn es ums Sparen, um Reformen und ums Schulden-Abstottern geht. Klar ist jedenfalls: Brüssel hat Griechenland mit den beiden Hilfsprogrammen zwar am Leben gehalten, aber letztlich lediglich die Banken, sowie die Investoren gerettet und zugleich die reichen Griechen verschont – und zwar auf Kosten der kleinen Bürger, die bei dieser griechischen Tragödie die Rechnung zu bezahlen haben. Dass Tsipras als deren Anwalt in den Ring steigen will, ist ihm gewiss hoch anzurechnen, aber es fehlt ihm die richtige Strategie um diese überaus komplizierte Situation bewältigen zu können. Und deshalb muss ihm angesichts des enormen Drucks im In- und zugleich aus dem EU-Ausland bald die Luft ausgehen. Die ersten Zerwürfnisse in seiner eigenen Partei wurden ja bereits gemeldet: Manolis Glezos, 92-jähriger EU-Abgeordneter und Syriza-Doyen, nimmt Tsipras übel, dass er plötzlich zu massiven Zugeständnissen bereit ist und offenbar seine Wahlversprechen aus den Augen verloren hat. Glezos trauriges Fazit: „Zwischen den Unterdrückern und dem Unterdrückten kann es keinen Kompromiss geben“.
Nur reden, nicht handeln
Die prekäre Lage, in die ein noch vor wenigen Wochen gefeierter Wahlsieger gerasselt ist, muss jedenfalls zu denken geben: In Spanien etwa, wo sich eine junge politische Bewegung namens Podemos (auf Deutsch: Wir können) ebenfalls einen Erdrutschsieg erhofft, sollte den Wählerinnen und Wählern bewusst sein, dass ihnen bald ähnliche Unbill blühen könnte. Podemos-Chef Pablo Iglesias – er hat nichts mit zwei berühmten Popstars zu tun, sondern war als gelernter Politikwissenschaftler bis Juni 2014 Universitätsprofessor – hat sich zum Ziel gesetzt, bei den nächsten Wählen Nummer Eins zu werden und damit das Zweiparteiensystem in seinem Land zu sprengen. Die erst vor rund einem Jahr gegründete Partei wird von einer Gruppe Uniprofessoren, Lehrern, Schriftstellern, Journalisten und Sozialaktivisten dominiert und errang schon bei den EU-Wahlen einen respektablen Erfolg. Der politischen Laien-Truppe, die mit der griechischen Syriza sympathisiert, aber auch mit der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung von Ex-Komiker Beppe Grillo, geht es als klassischer Protest- und Anti-Establishment-Bewegung primär darum, der gängigen EU-Politik mit (ultra)linken Positionen entgegenzutreten. Die hohe Arbeitslosigkeit, der rigide Sparkurs oder die Kürzungen des Sozialbudgets – das ist es, wogegen die als linksradikal eingestufte Podemos Sturm läuft.
Insbesonders ihr Frontman Pablo Iglesias, der mittlerweile bereits Kultstatus genießt, hat Gleichgesinnte im Nachbarland Portugal zur Gründung einer ähnlichen Partei inspiriert. Die erst vor wenigen gegründete Movimento Juntos Podemos (also Bewegung: Gemeinsam können wir), angeführt von der Psychologin Joana Amaral Freitas, spekuliert naturgemäß ebenso damit, bei den nächsten Wahlen Nutznießer der weit verbreiteten Unzufriedenheit im Lande zu sein. Als Polit-Novität, die weder am linken noch am rechten Rand angesiedelt sein möchte, sagt sie daher bereits im Embryo-Stadium der jetzigen Regierung unter Premierminister Pedro Passos Coelho den Kampf an. Und sie wird in den kommenden Monaten, ähnlich wie die spanische Schwesterpartei, mit hoher Wahrscheinlichkeit möglichst viele populistische und demagogische Register spielen lassen, um den „Altparteien“ an der Macht den Rang ablaufen zu können.
Optimale Krisenmanager sind diese Galionsfiguren neuartiger Parteien wohl allesamt nicht – das beweist gerade Alexis Tsipras auf unrühmliche Weise. Sie verstehen es bloß, die Gunst der Stunde zu nutzen – sprich: für die Enttäuschungen und Frustrationen der Bevölkerung die traditionellen Parteien mit Regierungsverantwortung verantwortlich zu machen, die sich in Brüssel nicht durchsetzen können. Dabei tun sie gerne so, als würden sie im Stande sein, Antworten auf die aktuellen Probleme vor allem der jungen Generation zu geben. Ihre zahlreichen Versprechen lösen sich, wie sich am Beispiel der griechischen Syriza zeigt, spätestens dann in Luft auf, wenn die smarten Neopolitiker in der politischen Realität angekommen sind – und nicht nur reden, sondern auch handeln müssen. Dann sinkt ihre Performance meist schlagartig auf das spärliche Niveau der herkömmlichen Parteipolitiker, über die sich alle so gerne aufregen….