Dienstag, 5. November 2024
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Das Ende des europäischen Traums

Eine Debatte über das Für und Wider des Euros, wie sie in Deutschland zwischen politischen und ökonomischen  Überzeugungstätern seit Jahren geführt wird, gibt es in Frankreich bislang nicht. Anders ausgedrückt: Die Eurogegner haben gemeinsam, entweder ganz auf der politischen Rechten oder  ganz auf der politischen Linken angesiedelt zu sein und nicht nur Gegner der Gemeinschaftwährung sondern auch Gegner des europäischen Projektes zu sein.

[[image1]]Für Marine Le Pen, die Vorsitzende der Nationalen Front, ist der Kampf gegen den Euro gleichbedeutend mit dem Kampf gegen die europäische Integration. Für Herrn Mélenchon, dem Präsidentschaftskandidaten der französischen extremen Linken, ist der Ausstieg aus dem Euro gleichbedeutend mit der Beendigung des gemeinsamen Marktes.

Zu selten kann man Stimmen hören wie die von Francois Heisbourg[1], der gleich zu Beginn seines Essays aus seiner europäischen Überzeugung kein Geheimnis macht. Mit doppelter Staatsbürgerschaft in Luxemburg und Frankreich ausgestattet, wenngleich mittlerweile fest integriert in das Pariser Elitensystem und mit großen internationalen Aufgaben immer wieder betraut,  liefert er eine messerscharfe politische Analyse über die desintegrative Wirkung des Euros.

Er schaut auf die Realität, wie sie sich seit Einführung des Euros entwickelt hat und stellt nüchtern fest, dass eine Weiterführung des Experimentes die Existenz der Europäischen Union aufs Spiel setzen würde. Deshalb ist die Priorität: Schadenbegrenzung. Für ihn ist die Erhaltung des europäischen Projektes wichtiger als die Weiterführung eines monetären Experiments.

Die Analyse, die von dem brillanten Strategen und Geopolitiker Heisbourg geliefert wird, ist nicht sonderlich originell. Euroskeptiker in Frankreich wie Christian Saint – Etienne oder Jean-Jaques Rosa ganz zu schweigen von Charles Gave haben die Inkonsistenz des Europrojektes zu einem Zeitpunkt gesehen als, Heisbourg der Gemeinschaftswährung noch eine Chance gab.

Indessen liegt die Stärke des Buches im glänzenden Stil der Prosa, die es auch einem nicht ökonomischen Leser erlaubt nachzuvollziehen, warum Länder mit  unterschiedlichen Volkswirtschaften und  unterschiedlichen Konzepten über Geld- und Währungspolitik wie Deutschland und Frankreich nicht in eine Währungsunion gezwungen werden können. Hinzu kommt die große geopolitische Kultur von Heisbourg, die es ihm erlaubt, die unterschiedlichen Bedingungen von Währungsunionen zu beschreiben, einerseits die Währungsunion unter den Vorbedingungen der Hegemonie, so wie sie im französischsprachigen Afrika mit dem CFA-France praktiziert worden ist oder die bundesstaatliche Währungsunion, wie sie von den Vereinigten Staaten von Amerika praktiziert wird. Seine Schlussfolgerung ist nüchtern und schlicht: keine dieser politischen Vorbedingungen wurde beim Euro erfüllt. Von daher ist es kein Wunder, dass das Euroexperiment scheitern muss.

So brillant seine Analyse ausfällt, so wenig überzeugend ist seine Empfehlung

Wenngleich die Stimme von Heisbourg für alle auch in Frankreich vernehmbar sein sollte und der Beginn einer redlichen Debatte über die Chancen und zunehmenden Risiken des Euroexperiments sein könnte, hat das Buch auch Schwächen.  Diese liegen in der Rezeptur, die der Nicht-Ökonom Heisbourg vorschlägt. So brillant seine Analyse ausfällt, so wenig überzeugend ist seine Empfehlung, den Euro ganz einfach “kalt“, wie er sagt, fallen zu lassen. Es ist schon erstaunlich, dass ein Mann mit der geopolitischen Kultur und der politischen Erfahrung wie Heisbourg es sich an dieser Stelle so leicht macht. Zum Einen verwechselt er die Beendigung des Euroexperiments mit der Rückkehr  zu nationalen Währungen.[2] Warum zurück zu einer Währungspluralität, die bereits in der Zeit vor der Währungsunion dadurch überwunden war, dass es einen natürlichen D-Mark Raum gab, zu dem nahezu alle Leistungsbilanzüberschussländer einschließlich Österreich gehörten. Gerade Österreich legt sicherlich keinen Wert darauf, eine eigenständige Geldpolitik zu betreiben und hat sich in der Zeit vor der Währungsunion erfolgreich an die D-Mark angelehnt.

Die Rückkehr zu nationalen Währungen und nationalen Geldpolitiken, obschon von prinzipiellen Gegnern der Europäischen Union wie Lord Wolfson gefordert und gefördert, wäre ein Rückschritt, der noch hinter die Zeit des Maastricht Vertrages führen würde. Im Übrigen hält sich Heisbourg bei der Beendigung des Euro-Projektes viel mit den logistischen Schwierigkeiten eines Einsammelns der Euroscheine sowie eine Neuausgabe von nationalen Banknoten auf. Dies ist gewiss eine Schwierigkeit. Doch hat die Vergangenheit gezeigt, dass die damit verbundenen technischen und logistischen Probleme überwindbar sind.

Das was Heisbourg im Wesentlichen ignoriert, ist die Notwendigkeit einen solchen Schock, wie das Ende des Euros, politisch wie wirtschaftlich abzufedern, das heißt die Beendigung der Währungsunion nicht mit einer Bruchlandung zu verbinden, sondern dieses Modell ausgleiten zu lassen. Hier hätte Heisbourg, durch eine Beschäftigung mit den detailliert vorgelegten Vorschlägen für die Nutzung von Parallelwährungen in einem Übergangszeitraum, noch einige Kenntnisse vermitteln können.  Wer gerade den politischen Schaden bei der Beendigung des Euroexperimentes begrenzen will, muss auf die sanfte Beendigung der Währungsunion mehr Gedanken verwenden.

Deutschland und Frankreich mögen gemeinsam das Ende der Währungsunion proklamieren

Damit sind wir beim Kernvorschlag von Heisbourg, Deutschland und Frankreich mögen gemeinsam das Ende der Währungsunion proklamieren. Dass gegenwärtig keine der beteiligten Regierungen in Deutschland und Frankreich bereit wären, einen solchen Schritt zu wagen, schließt es nicht aus, über die politische Notwendigkeit einer Tandementscheidung nachzudenken. Indessen haben die politischen Eliten links und recht des Rheins sich so obsessiv in das Europrojekt vernarrt, dass auch die gemeinsame Beendigung des Experiments mit der Frage verbunden wäre, wer hierfür die Schuld trägt. Denn mit dem Auslaufen des Euroexperiments müssten auch sämtliche Transfermechanismen rückabgewickelt werden, von denen sich die Südländer noch Milliardenhilfen versprechen. Gewiss gibt es in Deutschland vernünftige Ökonomen im Finanzministerium als auch in der Bundesbank, die über einen Plan B nachdenken. Indessen existiert auf französischer Seite weder im Finanzministerium noch im Präsidialamt und ganz zu schweigen in der Banque des France eine Person mit dem Format, einen tabubrechenden Vorschlag über die technische Abwicklung der Währungsunion auch nur auf den Tisch zu legen. Wir sind also von einer deutsch-französischen Initiative zur Abwicklung der Währungsunion noch weit entfernt.

Heisbourgs Vorschlag ist hier deshalb illusionär, weil die Beendigung des Währungsexperiments notwendigerweise mit der Frage verbunden wäre, wer denn der Sündenbock hierfür ist. Der Schaden auf allen Seiten ist zu groß, als dass diese Frage politisch von demokratischen Politikern geklärt werden möchte. Dass der Schaden einer Weiterführung des Euroexperiments, wie Heisbourg überzeugend ausführt, noch größer werden könnte, vermag gerade demokratische Politiker nicht zu veranlassen, im Interesse einer Schadenbegrenzung ein Experiment zu beenden, das sie sich vor zwanzig Jahren auf ihre Fahne geschrieben haben. Trotz dieser Kritik gilt: der Vorstoß von Heisbourg ist mutig, stilistisch glänzend und bringt eine Diskussion in Frankreich in Schwung, die überfällig ist.



[1] „Francois Heisbourg – La Fin Du Rêve Européen “

[2] (vgl. Heisbourg S. 166 f.)

 

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