Sieben Monate vor dem geplanten Referendum setzen die englischen Spitzenpolitiker den Befürwortern eines unabhängigen Schottlands die Pistole auf die Brust und schließen eine Währungsunion kategorisch aus. Aber was dann? Den Euro wollen die Schotten nämlich mittlerweile auch nicht mehr.
[[image1]]Über mangelnde Aufmerksamkeit können sich die Schotten und ihr für die Unabhängigkeit kämpfender Chef der schottischen Regionalregierung, Alex Salmond, dieser Tage wahrlich nicht beklagen. Vor wenigen Wochen erst reiste der britische Notenbankchef Mark Carney nach Edinburgh, um dort streng akademisch über das Thema Währungsunion zu dozieren und den Schotten mitzuteilen, dass die britische Notenbank eine Pfund-Zone zwischen einem autonomen Schottland und dem restlichen Königreich für äußerst problematisch hält. Eine Währungsunion ohne Fiskalunion klappe eben nicht – das zeige ja auch die Eurozone. Kurz darauf warnte der Chef des britischen Ölmultis BP, Bob Dudley vor den wirtschaftlichen Folgen einer Abspaltung der Region. Jetzt schlägt die Stunde der Londoner Politiker. Premierminister David Cameron hatte vergangene Woche noch mit warmen Worten für einen Verbleib der Schotten in der mehr als 300jährigen Union geworben: „Hängen Sie sich ans Telefon, kommen Sie zusammen, schicken Sie E-Mails, twittern Sie, sprechen Sie, verbreiten Sie die Botschaft: Wir wollen, dass Ihr bleibt“, so der emotionale Appell des Premiers. Doch nun schickte er seinen Finanzminister George Osborne nach Edingburgh, um Klartext zu reden.
Konservative, Labour und Liberale in seltener Einigkeit
„Wenn Schottland sich vom Vereinigten Königreich verabschiedet, dann verabschiedet es sich auch vom Pfund“, drohte der konservative Finanzminister in einer Ansprache vor Unternehmern. Er warnte zugleich vor schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen, sollten sich die Bürger im September für die Unabhängigkeit entscheiden. Es gebe „keinen rechtlichen Grund“, aus dem das übrige Königreich seine Währung mit einem abtrünnigen Schottland teilen müsse, so der Minister. Denn eine Währungsunion zwischen den ehemaligen Verbündeten sei mit zu vielen Problemen behaftet und könne daher nicht funktionieren. Schützenhilfe erhielt Osborne anschließend sowohl von seinem Finanzstaatssekretär Danny Alexander, einem der führenden Liberaldemokraten, als auch – und das war schon viel erstaunlicher – von seinem Erzrivalen bei der britischen Labourpartei, Ed Balls, der als Schattenfinanzminister der Opposition normalerweise stets scharfe Kritik an Osbornes Politik äußert. Damit wissen die Schotten, dass sie nicht damit rechnen können, das Pfund zu behalten, falls sie mehrheitlich für eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich stimmen, und zwar egal, wer die nächsten Parlamentswahlen gewinnt und dann in die Downing Street einzieht. Der Verlust des Pfundes ist die bislang schärfste Drohung, die London gegen die Unabhängigkeitsbefürworter in Edinburgh ins Feld geführt hat.
Argumente eines Spitzenbeamten
Munition lieferte der höchste Beamte im britischen Finanzministerium, Sir Nicholas Macpherson, der in einem Brief an Osborne dringend davon abriet, den Schotten, so wie es sich der Chef der schottischen Nationalpartei (SNP) Alex Salmond wünscht, auch weiterhin den Gebrauch des Pfundes zu gestatten. Währungsunionen zwischen souveränen Staaten seien per se mit enormen Schwierigkeiten behaftet, wenn ein Mitglied aber nach mehr Autonomie strebe und die Verbindung lockern wolle, dann seien die Voraussetzungen besonders schlecht, schrieb der Beamte. Erfolgreiche Währungsunionsmodelle basierten auf der Prämisse, dass sie nicht umkehrbar seien. Das aber sei bei Schottland nicht gegeben, denn Salmond halte sich die Option offen, später eine neue Währung einzuführen. Zweitens sei der Bankensektor für die kleine schottische Volkswirtschaft unverhältnismäßig groß. Daher laufe das restliche Großbritannien Gefahr, später den größten Teil der Liquiditäts- und Solvenzrisiken schultern zu müssen. Steuerzahler in England, Wales und Nordirland könnten gezwungen sein, den schottischen Finanzsektor und sogar den schottischen Staat insgesamt zu retten, falls der ins Trudeln geraten sollte. Umgekehrt sei es aber nicht vorstellbar, dass Schottland einspringen müsse, um das restliche Königreich mit einer zehnmal so großen Volkswirtschaft vor dem finanziellen Ruin bewahren. Es herrsche damit eine klare Asymmetrie zwischen den beiden Ländern, hieß es in dem Brief, der den britischen Medien zugespielt wurde.
Salmond hat keine Alternative parat
Salmond reagierte scharf auf die Drohungen der Londoner Politiker und warf Osborne vor, er versuche Schottlands Wähler durch „Bluff, Getöse und Drohgebärden“ einzuschüchtern. Schottland von einer Währungsunion auszuschließen würde dem Vereinigten Königreich selbst schaden, sagte er. Doch eigentlich verrieten seine Worte nur große Hilflosigkeit die daraus resultiert, dass er keine Alternative parat hat. Bei der Vorlage seines Weißbuchs für die künftige Unabhängigkeit hatte Salmond im letzten November ausdrücklich dafür plädiert, das Pfund beizubehalten und die Bank of England weiterhin als oberste Autorität in der Geld- und Währungspolitik anzuerkennen. Damit wären die Schotten zwar fiskalpolitisch eigenständig, doch wichtige Instrumente der Wirtschaftssteuerung wie die Festsetzung der Zinsen würden weiterhin von London aus bestimmt. Eine echte Unabhängigkeit wäre das nicht und dennoch klammert sich Salmond weiter an diese Position. Er hat auch kaum eine andere Wahl: Denn obwohl er einst – ebenso wie viele seiner Landsleute – ein großer Anhänger des Euro war, änderte sich diese Einstellung mit dem Beginn der Krise in der Eurozone gründlich. Heute propagiert die SNP längst nicht mehr, dass ein autonomes Schottland sofort dem Euro beitreten würde. Das wäre ohnehin nicht so einfach. Schottland müsste einen Antrag stellen, Beitrittsverhandlungen führen und bestimmte wirtschaftliche und poltische Kriterien erfüllen. Auf dem Silbertablett bekäme Schottland die Mitgliedschaft in der Eurozone jedenfalls nicht serviert.
Sorge der Wirtschaft
Nicht nur BP sondern auch eine Reihe anderer Unternehmen und Finanzinstitutionen und Fondsgesellschaften nördlich der berühmten Hadrians Mauer machen sich Sorgen. Sie schweigen in der Öffentlichkeit, doch in Wahrheit bereitet ihnen die ungeklärte Währungsfrage Kopfzerbrechen. Vor allem die Möglichkeit, dass Schottland weder Pfund noch Euro sondern eine ganz neue dritte Währung einführen könnte, schreckt sie ab. Das betrifft die Finanzdienstleister und Fonds, deren Kunden zum größten Teil in England leben, in besonderem Maße. Das Referendum findet am 18. September statt. Dann werden die Bürger folgende Frage beantworten müssen: „Soll Schottland ein unabhängiges Land werden?“ In jüngsten Umfragen liegen Befürworter eines Verbleibs im Königreich zwar weiter in Führung, allerdings schwindet ihr Vorsprung. Mit rund fünf Millionen Einwohnern hätte ein unabhängiges Schottland etwa die Größe Irlands, wäre allerdings nicht automatisch Mitglied der EU oder der Nato. Sollten die Schotten für die Unabhängigkeit stimmen, müssten die Regierungen in Edinburgh und London unverzüglich ihre Scheidungsgespräche aufnehmen.