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Das Ibiza-Video und seine juristischen Folgen

Das Ibiza-Video / Bildmontage: EU-Infothek / Quelle: Spiegel, SZ / Süddeutsche Zeitung

Bericht von Ernst A. Swietly über die Veranstaltung des Wiener Akademikerbundes am 5. Juli 2017

Die überraschende Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos im Mai 2019 durch die österreichischen Massenmedien hat zur lebhaften Diskussion über dessen staatspolitische, parteipolitische und juristische Folgen geführt. Die staats- und parteipolitischen Folgen haben wir zum Teil bereits erlebt und werden sie im heurigen Herbst in den Medien weiterverfolgen können. Über die juristischen Folgen hat Rechtsanwalt Dr. Adrian Hollaender, Sohn des einstigen Staatsoperndirektors Ian Hollaender, vor dem Wiener Akademikerbund referiert. Seine prägnante4 Schlussfolgerung lautet: Die Hoffnung, den Haupt-Mitwirkenden des Videos – den FPÖ-Politikern Johann Gudenus und H. C. Strache – durch strafrechtliche Aktionen beizukommen, ist gering bis Null. Es handle sich juristisch um „einen Sturm im Wasserglas“.

Im Einzelnen erklärte Dr. Hollaender: „Es sind keine kriminellen Delikte bei den beiden Politikern erkennbar; auch nicht Amtsmissbrauch, denn zur Aufnahmezeit des Videos, Sommer 2017, hatten beide noch kein Regierungsamt.“ Er zerpflückte in der Folge die rechtliche Relevanz der „Ibiza-Affäre“, die die türkis-blaue Regierungskoalition in die Luft gesprengt hatte, und erörterte alle theoretisch denkbaren juristischen Tatbestände, die den beiden Politikern vorgeworfen werden könnten und meinte „die politische Wirkung des Ibiza-Videos ist ganz anders als die juristische.“

In der Folge ging Hollaender auf die grundsätzliche Möglichkeit der Klagbarkeit von Politikern bezüglich Bestechlichkeit und Untreue ein und meinte, „die rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten in diesen Punkten sind sehr bescheiden“. Denn weder Strache noch Gudenus könne man diesbezüglich treffen. Die juristische Verfolgbarkeit des Ibiza-Videos reduziere sich demnach auf den Tatbestand der „unbefugten Tonaufnahme und deren Wiedergabe an Dritte“ nach § 120 Strafgesetzbuch. „Das juristische Substrat beider Dinge ist minimal und hält sich in engen Grenzen. Denn auch Täuschung komme laut befragten Staatsanwälten nicht zur Anwendung, und die Hinweise auf strafbare Handlungen seien rechtlich bisher nicht fundiert.

Im Folgenden einige Kernsätze aus der juristischen Argumentation von Dr. Hollaender unter den zwei möglichen Perspektiven des Videos:

„Erster Fragenkomplex: Die Korruptions-Staatsanwaltschaft in Wien will angeblich wegen Untreue bezüglich der im Video von Strache genannten Firmen ermitteln. Untreue ist, wenn ein Geschäftsführer eines Betriebes Geldmittel wissentlich in missbräuchlicher Weise einsetzt. Parteispenden oder Zuwendungen an Parteien sind grundsätzlich keine missbräuchliche Verwendung von Firmengeld, sofern sie dem Firmenzweck entsprechen. Veruntreuung wäre, wenn eine Kassiererin in die Firmenkasse griffe und das Geld an Freunde oder Bekannte verschenkte. Wenn das ein Geschäftsführer machte, würde man strafrechtlich von Untreue sprechen. Bisher ist aber nicht einmal erwiesen, dass überhaupt Geld geflossen ist. Im Video wurde das verneint. Wenn so etwas dennoch erwiesen werden kann, ist zu erwägen, ob es eine zweckwidrige Geldverwendung war. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft müsste dem nachgehen, ob Geld geflossen ist, und wenn ja, dann müsste sie herausfinden, ob damit dem Firmenzweck entsprochen worden ist oder nicht. Erst wenn letzteres erwiesen werden kann, handelte es sich um eine strafrechtlich verfolgbare Handlung.“

Dr. Hollaender ging weiters auf das mögliche Delikt der Bestechung ein: „Das halte ich auch nicht für erwiesen, denn dann müsste es sich um einen konkreten unzulässigen Zweck für den Geldfluss handeln, wo z. B. ein Beamter dazu gebracht werden soll, eine parteiliche Handlung zu setzen. Zum Zeitpunkt des Entstehens des Videos waren weder Gudenus noch Strache Beamte; daher konnten sie eine solche Handlung nicht setzen. Es gibt zwar neuerdings eine Änderung in den Korruptionsgesetzen, wonach auch ein Amtsträge bzw. ein Abgeordneter bestochen werden kann, nur durch ein ganz bestimmtes parteiliches Abstimmungsverhalten im Parlament. Das stand aber im Ibiza-Video nicht zur Debatte. Dort ging es darum, dass wenn einer der beiden Politiker Organträger werden sollte, dann würde er dem einen Unternehmen den Auftrag geben und dem anderen nicht. Das ist vom Ansatz her hier nicht gegeben, weil beide Herren zur Aufnahmezeit keine staatlichen Organträger gewesen sind. Ein Amt, das man nicht hat, kann man auch nicht missbrauchen.

Weiterer Fragenkomplex: Die Herstellung des Ibiza-Videos. Was kann strafbar an ihm selbst sein? Sind die Aufnahme und ihre Verbreitung eine Straftat? Es könnte ja auch sein, dass Strache und Gudenus nicht nur Mitwirkende, sondern auch Opfer dieses Videos geworden sind. Hier ist es ebenso schwierig, etwas rechtlich Relevantes festzumachen. Es gibt das Delikt der unberechtigten Tonaufnahme. Sie ist aber nur dann verboten, wenn man etwas aufnimmt, was nicht für einen selbst bestimmt ist, um es einem Dritten zugänglich zu machen, der sogenannte Lauschangriff. Das geheime Aufnehmen ist an sich nicht verboten, sondern ist es nur dann, wenn man es einem Dritten unbefugt zugänglich macht. Angeblich haben die Herren Strache und Gudenus bereits eine einschlägige Anzeige erstattet. Sie müssten dann aber die gesamte Kette des Aufnehmens und unberechtigten konspirativen Weitergebens an Dritte aufbrechen und nachweisen. Das wird nicht gerade einfach sein. § 120 Strafgesetzbuch käme hiebei zum Einsatz. Es ist plausibel, dass die Medien, die das Video in Umlauf gebracht haben, es auch in Ibiza aufgenommen haben. Sie besitzen höchstwahrscheinlich das Medienprivileg und können verschweigen, woher sie das Video haben. Bei der Verfolgung kommt es auf die detaillierte Aussage dieser Medien an, wer die Aufnahmen dort präpariert und auf welchem Wege sie sie an die Öffentlichkeit weitergereicht hat. Das wäre aber jedenfalls ein geringfügiger Ansatz für die Aufdeckung einer möglicherweise deliktischen Handlung als Bestimmungstäter und/oder Mittäter.“

Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Heinz-Dietmar Schimanko hat im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video ebenfalls juristische Überlegungen und Analysen angestellt. Er hat minutiös alle einschlägigen Deliktmöglichkeiten ausgelotet, insbesondere die Täuschung nach § 108. Der zugefügte Schaden ist jedoch auf einen sehr engen Bereich reduziert, daher ist das Recht auf die eigene Stimme, auf das eigene Bild nur bei Freiheitsrechten greift. Die Anwendung dieses Täuschungsparagraphen ist in seiner Wirkung zuletzt sehr gering geworden. Somit ist auch mit diesem Punkt wenig zu erreichen, besonders im Fall prominenter Politiker. Außer wenn es sich um den höchst-persönlichen Privatbereich des Betroffenen handelt, sei in diesem Punkt kaum etwas juristisch zu erreichen.

Übrig bleibt nach Ansicht von Dr. Hollaender demnach der § 120 Strafgesetzbuch und über den Zivilrechtsweg das Recht am eigenen Bild, § 78 des Urheberrechtsgesetzes, das bei Politikern als Personen des öffentlichen Lebens sehr eingeschränkt ist. Übrig bliebe die Unterlassungsklage gegen jene Menschen, die das Ibiza-Video veröffentlicht haben; aber diese haben es nicht aufgenommen, veröffentlicht haben es die Medien, und diese sagen nicht, von wem sie es haben. Die eigentlichen Urheber sind nicht ausforschbar und deren Beziehungen zu den Medien sind nicht aufzudecken. Es ist zwar offenkundig, dass die Herren Strache und Gudenus vom Trio in der Villa in Ibiza getäuscht worden sind, liegt auf der Hand, aber die inneren Beziehungen zwischen Video-Auftraggebern, Herstellern/Aufnehmern und Weitergebern an die Medien werden kaum erforscht werden können.

Das juristische Substrat beider juristischer Argumentationsstränge ist geringfügig; somit erweist sich der große politische Ibiza-Skandal als strafrechtliches Nullum. Das Gesamtergebnis ist demnach ernüchternd.

3 Kommentare

  1. Kann mir nicht vorstellen dass da kreative Juristen keine Straftatbestände finden! Bei den me too Anschuldigungen werden Prominente nach 30 Jahren unzüchtige Handlungen und Vergewaltigungen vorgeworfen, Delikte falls überhaupt begangen nie nach so langer Zeit beweisbar sind – und Menschen – siehe Toni Sailer in den Dreck gezogen! Dann werden Fallen aufgestellt, Leute durch den Einsatz von Alkoholika oder Drogen in verfängliche Situationen gebracht und dann zivilgesellschaftlich ruiniert! Sind wir schon wieder im Mittelalter? Da wurden Hexen so lange gefoltert bis sie gestanden mit den Teufel geschlafen zu haben ( in der Regel mit Details ausgeschmückt um diverse Voyeure zu befriedigen)und dann von „anständigen Juristen“ zum Tode verurteilt – schließlich hätten sie ja nicht gestehen müssen..
    Einerseits werden Staatsverweigerer mir 10 – 15 jährigen unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt, andererseits kann man die Republik de facto sprengen, und da ist nichts dran!
    Könnte florierendes Geschäft werden! Schnappt sich irgendeinen VIP, setzt ihm unter Drogen, veröffentlicht das dann – zivilgesellschaftliches Projekt ( würde gerne einige Videos vom Junker bei seinen Therapien veröffentlichen) und ruiniert so den Politiker / Unternehmer!
    War gestern positiv überrascht vom Interview mit dem Innenminister; der ist kein Karrierist, will nicht Minister werden und muss kaum Rücksicht auf Parteien und seine Karriere nehmen!
    Der spricht von einen der größten Kriminalfälle Österreichs! Von der politischen Seite gart nicht zu reden!
    Anmerkung: Seines Wissens hat BVT vom Video erst nach der Veröffentlichung erfahren! Wäre Grund die gesamte Spitze sofort zu feuern, wenn diverse österreichische Politiker schon seit Jahren, und selbst deutsche Komiker seit Monaten davon wissen!

  2. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Videos war den Produzenten wohl genau bekannt, dass ihr Handeln juristisch kaum eine Relevanz haben wird. Zumal damals die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) noch keine Geltung hatte. Man wird sich vorher sicherlich juristischen Rat eingeholt haben. Zweck des Videos war einzig und allein die politische Zerstörung zweier Spitzenpolitiker einer demokratisch gewählten, aber ungeliebten Partei. Und das ist gelungen! Auch für mich ist schwer vorstellbar, dass man die Hintermänner jemals ausforschen wird können. Letztlich wird sich zeigen, ob es jenen Hintermännern mit dem Ibiza-Video tatsächlich gelungen ist, den allgemeinen Rechtsruck in der EU nachhaltig zu stoppen.

  3. Shithole, würde Trump sagen. Rechtssituation, die selbst die ärgsten Bosheiten duldet. Jämmerlich.

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