Kroatien kommt mit Sicherheit als nächstes dran: Der 28. EU-Mitgliedsstaat kann sich schon darauf gefasst machen, auf Geheiss der Union demnächst Staatsbetriebe verhökern zu müssen. Schließlich schwirrt schon jetzt die Vermutung herum, das Land nähere sich mit Riesenschritten der Pleite. Wie in derartigen Situationen üblich, könnte in absehbarer Zeit die so genannte Troika – also Vertreter der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds – in Zagreb auftauchen, um mit ernster Miene die gewohnten Auflagen vor Rettungsaktionen zu diktieren. Und dabei würde der Ausverkauf von staatlichen Betrieben ganz zu oberst zu finden sein – so wie in Griechenland, so wie Spanien, so wie in Portugal.
[[image1]]Der geforderte Verkauf des Familiensilbers stellt den an sich logischen Versuch dar, EU-Patienten zu bewegen, aus eigener Kraft so viele Milliarden wie möglich in die Staatskassen zu spülen – doch leider glänzt so manches, was in den genannten Ländern als vermeintliches Silber da ist, ganz und gar nicht. In Kroatien, wo ja schon seit zehn Jahren auf Teufel komm raus, doch nicht immer mit der nötigen Fortüne, privatisiert wird, scheint das nicht anders zu sein: Die nationale Fluglinie Croatia Airlines etwa, die neuerdings keine staatlichen Subventionen mehr erhalten darf, befindet sich in einem dermaßen tristen Zustand, dass sie kaum einen Kaufinteressenten finden dürfte.
Wie schwierig und langwierig ein solcher Ausverkauf sein kann, exerziert Spanien vor: Die dortige Regierung musste beispielsweise die Privatisierung der beiden größten Airports des Landes auf Eis legen, weil die derzeitige Wirtschaftslage extrem ungünstig sei, um Madrid-Barajas und Barcelonas Flughafen El Prat zu verscherbeln. Der staatliche Gigant AENA, der 47 Airports betreibt, hat zwar jeden zehnten seiner 14.000 Mitarbeiter rausgeschmissen, pfeift aber immer noch aus dem letzten Loch: Angesichts eines Schuldenberges von 14 Milliarden Euro und sinkender Passagierzahlen wird sich wohl so rasch kein Käufer finden, der die gewünschten sechs Milliarden hinzublättern bereit wäre. Weiters ist der Anfang vorigen Jahres notgedrungen beschlossene Plan der Regierung, rund 50 Staatsunternehmen entweder umzustrukturieren oder zu schließen, nicht viel mehr als eine Absichtserklärung geblieben – zuletzt wurde die Privatisierung der Lotteriegesellschaft von der konservativen Zentralregierung abgeblasen. Das ursprüngliche Ziel, auf diese Weise Budgetdefizit und Staatsverschuldung zu senken, rückt damit in weite Ferne.
Deutlich besser ist die Chose in Portugal gelaufen: Der teilweise Verkauf der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft EDP, die Privatisierung des Stromversorgungsnetzes REN oder die Übernahme des Flughafen-betreibers ANA durch einen französischen Konzern haben im Vorjahr immerhin 6,4 Milliarden Euro in die Staatskasse geschwemmt. Die Deals seien allerdings, meinen Kritiker, zu Schleuderpreisen erfolgt, obendrein ohne Garantien der neuen Eigentümer, was die Zukunft anlangt. Die Stromversorgung des Landes, die inzwischen schon fast vollständig in der Hand chinesischer Staatskonzerne liegt, würde diese Gefahren deutlich machen. Wenn wie geplant weitere Schlüsselbetriebe abgestoßen werden, etwa die staatliche Airline TAP Portugal, Teile der Wasser-versorgung, der staatlichen Eisenbahnen oder der Post, wären nationale Interessen ernsthaft in Gefahr, lautet die Befürchtung der Skeptiker.
Die Schnäppchenjäger sind unterwegs
Die Abneigung gegen Brüssels Privatisierungswünsche ist in den betroffenen Mitgliedsstaaten jedenfalls unüberseh- und unüberhörbar. Schließlich handelt es sich ja nicht in allen Fällen um defizitäre, aufgeblähte und stümperhaft geführte Unternehmen, die dem Land nur Zores bringen. Die portugiesische TAP beispielsweise ist genau das Gegenteil: Sie flog zuletzt, mitten in der schweren Branchenkrise, wieder einen respektablen Gewinn ein und konnte ihren Schuldenstand um nahezu 200 Millionen Euro reduzieren. Der inzwischen versilberte Flughafenbetreiber ANA hat im Vorjahr ebenfalls ein ausgezeichnetes Ergebnis geschafft, sodass dem neuen Konzessionär, der prompt die Flughafengebühren in Lissabon erhöhte, ein beträchtliches Misstrauen entgegen gebacht wird.
Auch Griechenland konnte beim Ausverkauf von Staatseigentum schon zahllose – einige gute und viele schlechte – Erfahrungen sammeln, obzwar sämtliche einschlägigen Aktionen im Zeitlupentempo stattfinden: Ursprünglich sollten bis 2015 auf Wunsch Brüssels Staatsbetriebe im Gesamtwert von 50 Milliarden Euro verhökert werden, um Mittel zwecks Schuldenreduktion flüssig zu machen. Es ging um die staatliche Post ebenso wie die Lotteriegesellschaft, einen Bahnbetreiber und zwei große Wasserverorger, die Telekomfirma und diverse Bergbaubetriebe, eine Waffenfirma und ein paar Häfen, einige Banken sowieso, den Athener Airport und einige Casinos undsoweiterundsofort. Die Website des damit beauftragten Hellenic Republic Asset Development Fund ähnelt seither einem Onlineshop, der finanzststarke Investoren aus dem Ausland motivieren möchte, auf Schnäppchenjagd zu gehen. Der griechische Privatisierungsfonds konnte zwar einige wenige Deals durchziehen, etwa das Glückspielunternehmen OPAP unter dem Marktwert an ein tschechisch-griechisches Konsortium verkaufen oder einen Gasversorger an einen aserbaidschnischen Staatsbetrieb weiterreichen. Etliche Transaktionen sind letztlich jedoch so kläglich gescheitert wie der geplante Verkauf des staatlichen Gasversorgers Depa an die russische Gazprom. Alles in allem sieht die Bilanz dürftig aus: Die erhofften Einnahmen – heuer sollten es 2,6 Milliarden Euro sein – werden nicht annähernd erreicht. Die Troika honoriert Griechenlands Anstrengungen dennoch, indem sie den Hellenen soeben eine weitere Finanzspritze in Höhe von 6,8 Milliarden Euro bewilligt haben – schließlich zeigte sich ihre Regierung Mitte Juni sogar bereit, drei staatliche TV-Kanäle, sieben landesweite Radiosender und 19 regionale Hörfunkprogramme abzudrehen.
Voraus eilender Gehorsam ist auch in Slowenien en vogue: Die dortige Regierung möchte die EU in Schönwetter-Stimmung versetzen und zugleich unbedingt verhindern, nächster Kandidat für den Euro-Rettungsschirm zu werden. Sie hat sich folglich die Privatisierung von 15 Staatsfirmen vorgenommen, um das explodierende Haushaltsdefizit halbwegs in den Griff zu bekommen. Die Nova KBM, zweitgrößte Bank des Landes, soll so wie die Telekom Slovenia, die staatliche Flugfirma Adria Airways und der Flughafen Ljubljana veräußert werden. Die Erkenntnis, dass der hohe Staatseinfluss und der daraus resultierende Mix aus Misswirtschaft und Korruption dem Land nicht gut tut, kommt zwar spät, hoffentlich aber nicht zu spät. Erfreulich ist daran jedenfalls, dass der Wille, zu privatisieren, diesmal nicht von der EU verordnet wurde. Denn: Privatisierungen sind in den meisten Ländern zwar unumgänglich, doch Zwangsprivatisierungen können rasch kontraproduktiv sein …