Donnerstag, 21. November 2024
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Der bestohlene Staat: Die Europäer mogeln immer mehr Steuern am Fiskus vorbei

Sowohl Schwarzarbeit (bei Bürgern) als auch Steuerflucht (bei Firmen) nehmen zu. Einerseits mangelt es am Unrechtbewusstsein, anderseits am Willen, verantwortungsvoller mit Steuergeld umzugehen.

98% der Österreicher halten nichts von harten Strafen für Pfuscher. 85% sind der Meinung, der Staat würde mit ihrem Steuergeld verschwenderisch umgehen und 70% haben selber schon „was schwarz gemacht“. Eine Mehrheit gibt dem Staat die Schuld: Es wären die hohen Steuern, die Schwarzarbeit erst attraktiv machen würden. Außerdem würden hinterzogene Bar-Beträge schnell in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen.
Ähnlich dürften auch Europas Firmen denken. Die steigenden Belastungen (etwa durch Österreichs neues Steuerpaket) treibt sie immer stärker in Steueroasen. Und so wie Baumärkte auf das Schwarzgeld der Handwerker hoffen, so suchen auch hochseriöse Regierungen das Steuergeld der Firmen.

Kampf um Konzerne

Konzerne produzieren größer, effizienter, zahlen doppelt so hohe Löhne wie das Handwerk und steigern die Massenkaufkraft durch kostengünstige Produkte. Erst sie haben jene kritische Größe, um bei den großen Weltthemen mitforschen und mitentscheiden zu können. Europas überbordende Staatsapparate (mit all den hohen Steuern und unzähligen Marktregelungen) haben Konzerne wie Google, Apple und Microsoft hierzulande erfolgreich verhindert.

Die Versuchung, wenigstens fremde Headquarters anzusiedeln, hat Europas Regierungen in einen Steuerwettbewerb eintreten lassen, der nur Verlierer kennt. Ausgerechnet das Europa-kritische England bedient sich besonders unverschämt an fremden Geldern.

Steuerparadies Nordsee

Grundsätzlich gilt in Europa: Wer außerhalb seines Wohnsitz-Landes noch weitere Einnahmen erzielt, bei dem wird bei der Feststellung der heimischen Steuerstufe auch das Auslandseinkommen berücksichtigt. Die Progression steigt also.
Nicht so in England: Wer als reicher Ausländer seinen Wohnsitz nach London verlegt, muss nur die in England erzielten Einkünfte versteuern, auf die Erhöhung der Progression durch die Auslandsgewinne wird gegen eine pauschale Abschlagszahlung von 30.000 Pfund verzichtet („Remittance Basis Charge“). Da nimmt man als Milliardär das Nieselwetter gerne in Kauf.

Briefkasten-Insel

Von Firmen (Briefkasten mit sauberer Anschrift genügt) und deren Welteinkommen verlangen die britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey nur 20 Prozent Einkommensteuer – gedeckelt bei 220.000 Pfund. Das zieht Zehntausende Firmen auf die winzigen Eilande, unzählige Milliarden an Steuerverpflichtungen verpuffen in salziger Luft. Ein überaus rigides Bankengeheimnis verhindert überdies, internationalen Geldströmen auf die Spur zu kommen.

Englands Nationalstolz: Der Finanzsektor

Warum Großbritannien die europäischen Sozialhaushalte um Hunderte Milliarden Euro betrog, liegt im traumatischen Untergang des britischen Empires („Rule, Britannia!“). Den Wegfall der Kolonien und den späteren Niedergang der englischen Industrie sollte ein mächtiger, nationaler Finanzsektor kompensieren.

Hier war man wieder wer: Londons Börse ist die Nummer eins in Europa, und international die Nummer Vier. Der vermeintliche Aufholkampf der Frankfurter füllt Zeitungsblätter dort für viele Tage. Die Steuergeschenke waren der Preis, um die großen Player nach London zu kriegen.

Süßes Leben in Bulgarien

Natürlich rittern auch Andere um internationale Talente und deren Geld: Polyglotte könnten sich von Bulgarien angezogen fühlen. Das EU-Land hat mit einer 10-Prozent-Flatrate die tiefsten Einkommenssteuern Europas. Und das Leben in Sofia ist noch wirklich erschwinglich.

Bigottes Luxemburg

Firmen, die sich im deutschfranzösischen Zwergstaat niederlassen, können mit günstigen Pauschal-Steuer-Modellen rechnen. Europas Präsident (und Luxemburgs ehemaliger Premierminister), Jean-Claude Juncker, hätte das beinahe den frisch gewählten Kopf gekostet. Aber eben nur fast.
Ähnlich auch in Amsterdam: Nach außen zeigt man gern den Weltverbesserer, um nach innen gutgehenden Konzernen Steuerschlupflöcher anzubieten: So zahlt Starbucks Deutschland fast keine Steuern, weil jede Filiale in Höhe ihres Jahresgewinnes eine Lizenzgebühr an die Europazentrale in Amsterdam überweist – wo diese aufgrund eines speziellen Gesetzes dann steuerfrei ist. Google Europa kommt so auf eine Steuerquote von nur drei Prozent.

Starker oder schwacher Staat?

Europas überbordende Wohlfahrtsysteme bremsen seit jeher die Wirtschaftsdynamik Europas. Nicht zufälligerweise ist der Google-Konzern in den privatwirtschaftlich organisierten USA groß geworden, um nun von Europas staatlichen Behörden kleingemacht zu werden. Marktliberale Länder wie die Schweiz haben viele, erfolgreiche Konzerne („Nestle“) hervorgebracht und profitieren so von Spitzengehältern und niedrigen Individualsteuern.
Vielleicht sollte man TTIP auch einmal unter dem Gesichtspunkt sehen, europäischen Großfirmen Vorsprünge zu verschaffen.

Wer nimmt, muss auch geben

Was war zuerst: Die hohen Steuern oder die Schwarzarbeit (bzw. Steuerflucht)? In den USA meint man: beides.
Deshalb zahlen US-Bürger einerseits um ein Drittel weniger Steuern als Europäer, um andererseits schon bei kleinen Steuervergehen in die Zelle zu wandern. Und es ist die Administration Obamas, die Schweizerische Banken mit Milliardenstrafen eindeckte, wenn sie von US-Steuerflüchtlingen profitierten.

Die Registrierkassenpflicht in Österreich kann nur der Anfang sein. Die Verpflichtung, den Kassabon auch auszuhändigen, muss folgen. Und am Ende müssen strengere Strafen stehen – für Kellner wie für Pizzabäcker. Oder niedrigere Steuern.

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