Dienstag, 5. November 2024
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Der „Deal“, der Europas Sparbemühen scheitern ließ

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht Europas Wirtschaftskrise als Folge einer Sparpolitik – die es freilich nie gegeben hat. Denn am europäischen „Wohlfahrtsstaat auf Pump“ ist ja nicht gerüttelt worden. Diesen „Deal“ will Draghi nun mit Zentralbankgeld am Leben halten. Eine Idee, die zur US-Finanzkrise geführt hatte.

[[image1]]Selbst der IWF ändert unter seiner neuen Chefin plötzlich seine Meinung; Nun ist „Sparen“ out und „Spending“ in. Eigentlich wollte Europa Defizite reduzieren, um sich aus der Abhängigkeit der Kapitalmärkte zu befreien. Tatsächlich reduzierte man aber nur staatliche Investitionen, was politisch einfach durchzusetzen war. Europas teure Verwaltungsstrukturen (Frankreich hat 23% Beamte) oder gar sein aberwitziges Pensionssystem wagt niemand anzugreifen.

Grundkonsens EU: Wohlstand auf Pump

Europas Nachkriegsordnung unterliegt einem ungeschriebenen Pakt: Damit sich die ausgebombte Wirtschaft nach dem Krieg erholen konnte, verzichteten Europas aufstrebende Gewerkschaften (mit Ausnahme von England) ab den 1960ern auf Massenstreiks und Demonstrationen zur Durchsetzung überzogener Forderungen. So ermöglichten sie den wirtschaftlichen Aufstieg des Kontinentes. Als Ausgleich hatte man den Arbeitnehmern über staatliche Sozialleistungen einen Lebensstandard zu ermöglichen, der die Verhältnisse damals bei weitem überstieg. Dies gelang nur über eine permanente staatliche Neuschuldenaufnahme.
Berühmt wurde Österreichs (informell organisierte) Sozialpartnerschaft. Klassenkampf gab es nur vor Lohnverhandlungen und Nationalratswahlen (wenigstens bis 2000). Massive Schuldenaufnahmen – meist nach Wahlen – führten aber zu Verschwendung und Prestigeprojekten wie dem Wiener Konferenzzentrum.
In Deutschland ist die Streiklust heute wieder da und auch hiesige Arbeiternehmervertreter üben sich wieder in Klassenkampf-Rhetorik a la 1920. Weil man die Aufkündigung „des“ Deals fürchtet – mangels Finanzierbarkeit.

ÖBB-Tunnel: 400 Prozent Kreditzinsen

Was nur Wenige wissen: Im Unterschied zu Privaten tilgen Staaten nicht: Gibt Österreich 2013 um 6,3 Milliarden Euro mehr aus als es einnimmt, dann muss es 6,3 Milliarden neue Schulden aufnehmen. Für diese wird sie dann jährlich Zinsen bezahlen – so lange es die Zweite Republik geben wird. Bei 4% pro Jahr werden das alleine in den ersten 100 Jahren 400% Zinsen sein.
Damit treten die Wähler Europas ihre persönliche Kaufkraft via Steuern an Politiker ab, die das Geld nun nach eigenem Gutdünken investieren. Dazu nehmen sie zusätzliche Schulden auf. Weil Sozial- Politiker zwar gut reden können (von der drohenden Kluft zum Beispiel), aber nur ausnahmsweise über kaufmännische Erfahrungen verfügen, kommt es dabei zu horrenden Fehlinvestitionen.

Öko-Falle ÖBB

Wer in Niederösterreich Landeshauptmann werden will, muss offensichtlich ÖBB-Nebenstrecken subventionieren. Selbst, wenn durch den Fahrkartenverkauf nur 7% der Kosten hereinkommen. Subventioniert mit Geld, das Steuerzahlern für die Anschaffung spritsparender Autos fehlt. Wer die alten Diesellok-Garnituren gespenstisch leer durch verlassene Bahnhöfe rollen sieht, muss an der Öko-Bilanz solch öffentlich(subventioniert)er Verkehrsmittel mehr als zweifeln.
Vielleicht lauern hinter Stollen ja nur neue Gäste – und so bohrt man für Milliarden Euro in entfernte Berge immer neue Eisenbahntunnels. Der Bürger, der das alles zahlt, lauscht dann Politikern, die von der Umweg-Rentabilität schwärmen. Auch wenn sie noch nie in ihrem Leben irgendeine Rentabilität auszurechnen imstande gewesen waren.

Beamtenstaat Griechenland: Entlassungswelle abgesagt?

Für Europas Schuldenkrise hat man längst die Antwort: Die bösen Banken wären schuld gewesen. Österreich hat heute 220 Milliarden Euro Schulden, 2,5% davon stammen aus der Bankenrettung – 97,5% aber aus der Subventionierung unseres Lebensstils.
Griechenlands panhellenistische sozialistische Partei „PASOK“ hatte nach jeder Wahl bis zu 50.000 Vertragsbedienstete mit Drei-Jahresverträgen aufgenommen, und hatte ihnen im Falle eines Wahlsieges die Verbeamtung versprochen. Heute hat das Land 800.000 Staatsangestellte und es ist kein Geld mehr da, um es Griechenlands Beamten zum Verwalten zu übergeben. So bleiben nur mehr die Beamten.
Mehrere Male hat man der Troika schon versprochen, Beamte abzubauen – allein, es ist politisch undurchführbar.

Wer sich an die Anfänge der US-Finanzkrise zurückerinnert, den befällt das kalte Grausen. Dort stoppte Clinton in den 1990ern die permanente Staats-Neuverschuldung für Sozialleistungen. Stattdessen „sourcte“ man die Staatsverschuldung aus: Man reduzierte die Zinsen für staatliches Zentralbankgeld von 9% auf 1% und sorgte dafür, dass sich möglichst viele Bürger privat verschuldeten. So flutete man das Land mit Geld. Für Amerikas „Kleine Bürger“ waren Bill Clinton (und später auch George Bush) Sozialpolitiker, weil sie sich mit den billigen Krediten nun mehr leisten konnten als unter Bush senior. Folgerichtig nannten die Demokraten dies die „Demokratisierung des Kredites“.
Leider hat die Geldflut einige Begleiterscheinungen: „Easy Money“ geht nicht immer gleich in den Konsum, um dort schnell mal Jobs zu schaffen. Viele Bürger spekulieren damit einfach gerne, was zu Immobilen- und Aktienblasen führt (Was dann freilich nicht dem Wohlfahrtsstaat, sondern dem Kapitalismus angelastet wird). Außerdem müssen Private ihr geborgtes Geld auch irgendwann mal wieder tilgen – was in Krisenzeiten (wie der jetzigen) zu unerwünschten Kettenreaktionen führt.

Strukturen ändern oder „Eurokrise 2.0“

In Deutschland waren es private Banken wie der Raiffeisen- und Volksbanken-Verband, die einst an die rotgrüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder appellierten, die unkontrollierte Schuldenaufnahme zu stoppen. Vor genau 10 Jahren warnte man in einer Petition vor den Turbulenzen, die von der „Aushöhlung des Stabilitätspaktes“ ausgehen würden. Die Warner von Gestern sind die Buh-Männer von heute.
Dabei gab es „bürgerliche Revolutionen“ in Schweden und der Schweiz. Dort scheint es einen neuen Deal zu geben: Man akzeptiert das vorsichtige Zurechtstutzen eines Sozialsystems, wenn das gesparte Geld zur Rückzahlung von Schulden und nicht für staatliche Prestigeprojekte verwendet wird. Mit der Schweizer Schuldenbremse sank die Verschuldensquote auf 38% (Österreich: etwa 85%). In Schweden ging sie von 75% (1994) auf heute 37% zurück – ohne dass im Land der Elche heute Menschen auf der Straße hungern müssten.

In der Krise liegt die Chance für das Neue. 1956 war das letzte Jahr, indem Österreichs Budget einen Überschuss erzielt hatte. Warum sollte 2013 nicht das letzte gewesen sein, in dem das nicht gelingen konnte?

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