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Der ESM als Schatzamt?

Bereits am 13.9.2011 hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) durch seinen Hauptgeschäftsführer ein Thesenpapier mit dem Titel „Ein neuer Vertrag für den Euro“ vorgestellt. Hierin hieß es, dass auf der Basis der bestehenden Verträge eine nachhaltige Stabilisierung des Euroraums nicht zu erwarten sei. Die vielen Rettungsfonds, die bereits bestanden, reichten dem BDI nicht aus. „Europa braucht die Weiterentwicklung des Rettungsschirms ESFS bzw. des geplanten ESM hin zu einem politischen, unabhängigen Fiskalfonds.“

[[image1]]Dieser Vorstoß im Jahre 2011 löste keine nachhaltige Diskussion aus und war den Gewaltigen im deutschen Finanzministerium eher unangenehm, wollten sie doch die Rettungsfonds auf Sparflamme halten. Ihre Überraschung über den BDI-Vorstoß wurde nicht dadurch geschmälert, dass Hauptgeschäftsführer des BDI als enger Mitarbeiter von Minister Schäuble diesen bereits im Innenministerium, sodann als Leiter der Grundsatzabteilung im Finanzministerium gedient hatte.

Nunmehr zwei Jahre später schlägt der BDI, vertreten durch seinen Hauptgeschäftsführer, in dieselbe Kerbe. Angesichts der drohenden und für die Bundesrepublik sowie die unbedingten Euroretter peinlichen Diskussionen über ein drittes Hilfspaket für Griechenland schlägt der BDI in subtiler Form das erneut vor, was bereits vor zwei Jahren angedacht war. Der ESM möge griechische Staatsvermögen erhalten und dafür  Griechenlands Schulden übernehmen.

System der Haftung ohne Grenzen

Die Formel, „Die Griechen kriegen die Schulden erlassen und bringen Staatsvermögen ein“, ist gleich in mehrfacher Weise beachtenswert. Erstens ist sie nichts weiter als das Zugeständnis, dass die griechische Sanierung ein Trümmerhaufen ist und die auf immerhin 150 Mrd. geschätzten Beteiligungswerte des griechischen Staates bislang nicht Gegenstand einer, wie immer gearteten, Privatisierungspolitik gewesen sind. Zum Zweiten wird daran deutlich, welche inkonsistenten, unabgesicherten und politisch unverantwortlichen Vorschläge vom Spitzenverband der Deutschen Industrie vorgetragen werden: Während sich das Bundesverfassungsgericht darum bemüht, den ESM einzuhegen, die Haftungsgrenzen für Deutschland deutlich zu machen und das Prozedere für jedweden Bailout zu parlamentarisieren, schickt sich die Hauptgeschäftsführung des BDI unter seinem neuen Präsidenten Grillo an, über den ESM ein System der Haftung ohne Grenzen zu schaffen.

Mit welchen Mitteln soll der ESM bitteschön den Griechen ihr Staatsvermögen zu welchem Preis abkaufen? Zum einen verfügt der ESM nicht über die hierfür notwendigen  Ressourcen, es sei denn er konzentriert sich ausschließlich auf die Griechenlandrettung. Zum anderen ist davon auszugehen, dass allein die Bewertung des griechischen Staatsbesitzes nicht nur langwierig, sondern besonders undurchschaubar gestaltet wird. Wollten die Griechen ihr Staatsvermögen loswerden, hätten sie dies längst durch eine Vermarktung an der Börse tun können. Nichts davon ist geschehen.

Einflüsterer und Vollstrecker

Das Bemerkenswerte an dem Vorstoß des BDI ist indessen nicht seine geradezu fiskalische Verantwortungslosigkeit gegenüber den deutschen Steuerzahlern und seine fachliche Inkonsistenz, sondern der Umstand, dass es Schäuble wirklich gelungen ist, an die Spitze des BDI für das operative Geschäft einen Mann zu setzten, der ihm schon bisher als Einflüsterer und Vollstrecker treue Dienste geleistet hat und der nunmehr dabei ist, die Deutsche Industrie auf Schäuble einzustimmen. Wundersam an diesem Phänomen ist auch das Gewährenlassen durch den Präsidenten Grillo. Herr Grillo, der – stets elegant gekleidet – den Auftritt liebt und  sich im Vortragen von Sonntagsreden einen Namen gemacht hat, war von Anfang an als Präsident kontrovers. Dies ändert nichts an der Kontinuität der Unterwanderung des BDI auf der Ebene der Hauptgeschäftsführung. Wie lange werden sich die deutschen Unternehmer diese einseitige Politisierung des BDI noch gefallen lassen?

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