Selbst stürmischen EU-Befürwortern kann da ziemlich leicht der Kragen platzen. Die Kommission hat allen Ernstes geplant, Restaurants die Verwendung von Olivenöl in nachfüllbaren Fläschchen oder Kännchen zu verbieten. Damit wollte sie, verlautete aus Brüssel, die Verbraucher vor minderwertigen Produkten bzw. hygienischem Missbrauch schützen und zugleich – hört, hört – das Image von europäischem Olivenöl verbessern. Schon ein paar Tage später war der verwunderliche Plan allerdings wieder vom Tisch. Er fiel der grandiosen Erkenntnis zum Opfer, dass die Idee, die immerhin von 15 Mitgliedsländern unterstützt wurde, zu unausgegoren gewesen sei.
[[image1]]Obendrein wäre sie laut Agrarkommissar Dacian Ciolos weder mit dem EU-Parlament noch mit Europas Konsumentenschützern ausreichend diskutiert worden. Die Kommission hat jedoch bereits angedroht, neuerlich einen Vorschlag auszuarbeiten.
Für notorische EU-Kritiker, die sich immer noch an der unglücklichen, folglich unsterblich gewordenen Verordnung bezüglich Gurkenkrümmung weiden, obzwar auch diese längst gecancelt wurde, ist die absolut groteske Olivenöl-Initiative nur ein weiterer frustrierender Wahrheitsbeweis für die Ineffizienz der Brüsseler Machthaber. Die Kommission läuft in der Tat bei Nebensächlichkeiten aller Art gerne zu geradezu weltmeisterlicher Form auf. Dabei ist es ihr offensichtlich völlig egal, wenn sie sich der Lächerlichkeit preis gibt und/oder stürmische Proteste für unbegreifliche Beschlüsse erntet. Wenn es jedoch um die große Linie geht, also die wichtigen Kernthemen wie Arbeitsmarkt, Wachstum oder die Reform der Finanzmärkte, pflegt sie zumeist in einem beinahe provokanten Zeitlupentempo zu agieren. Die Kritik, dass sie dergestalt herzlich wenig bis gar nichts zu Stande bringt, ist daher mit Sicherheit nicht unberechtigt.
Barrosos Mission Impossible
Wie ohnmächtig Barroso & Co. letzten Endes in wichtigen Missionen sind, lässt sich beispielsweise am aktuellen Gerangel Union gegen Frankreich ersehen. Der Kommissionspräsident versuchte kürzlich, der Grande Nation mit einem achtseitigen Memorandum kräftig die Leviten zu lesen – wenn auch mit der nötigen Elegance. In der To do-Liste der Brüsseler Behörde war von dringend fälligen Maßnahmen Frankreichs zur Sanierung des Staatshaushalts die Rede, konkret ging es um tiefgreifende Reformen in zehn Bereichen, darunter das Pensionssystem und der Abbau an Staatsbediensteten. Francois Hollande, der als neuer französischer Präsident seit einem Jahr brav den Nachweis erbringt, dass er völlig überfordert ist, konterte daraufhin beleidigt mit den Worten: „Die Kommission hat uns nicht zu diktieren, was wir zu tun haben“.
Womit das eigentliche Problem deutlich wird: Der Präsident jenes Landes, das als zweitgrößte Volkswirtschaft der Union immer mehr zum europäischen Sorgenkind geworden ist, bringt zwar selbst nichts zusammen, ist aber zugleich gegen jegliche Tipps aus Brüssel immun. Hollande hat seinerzeit im Wahlkampf irrwitzige Versprechen gemacht und dann nur Unsinniges durchgesetzt, etwa die Senkung des Pensions-antrittsalters bei bestimmten Beschäftigungsarten. Im Hinblick auf bescheidene Wachstums- und horrende Defizitprognosen müsste er sich schon längst von seinen politischen Träumereien verabschiedet haben, stattdessen die Ärmel für eine Radikalkur aufkrempeln und die richtigen Weichenstellungen vornehmen.
Ein grotesker Vorschlag
Genau das ist aber nicht zu erwarten: Hollande hat das Land mit seiner linkspopulistisch geprägten Einschläferungstaktik noch tiefer in die Misere geführt als vor ihm Nicolas Sarkozy. Obwohl die Latte für ihn nicht besonders hoch lag, entpuppte er sich als einer der unbrauchbarsten Regierungschefs in Europa. Zu Recht hat etwa der wortgewaltige deutsche Kommissar Günther Oettinger unlängst gepoltert, dass „Frankreich null vorbereitet ist auf das, was nötig wäre“. Keine Spur von einem neuen Geist, den der farblose Sozialdemokrat in den Èlysée-Palast gebracht hätte, im Gegenteil: Der Sarkozy-Nachfolger nervt nicht nur den Großteil der französischen Wählerinnen und Wähler zusehends, er fiel auch bei den eigenen Parteigängern längst in Ungnade.
Das Schlimmste kommt aber erst: Hollande, dessen gespanntes Verhältnis zu Angela Merkel seit Monaten nicht zu übersehen war, konnte sich vor dem EU-Gipfel Ende Juni mit der deutschen Kanzlerin noch rasch auf eine Aktion der grotesken Art einigen. Die beiden haben den übrigen Mitgliedsstaaten und der Brüsseler EU-Hochburg wieder einmal gute Ratschläge erteilt, wie der optimale Weg aus der Krise aussehen müsste – also Sparen ja, aber nicht zu wild, weil damit der erhoffte Aufschwung abgewürgt werden könnte. Daher müsse zugleich gezielt investiert werden, um beispielsweise die Jugendarbeitslosigkeit wirkungsvoll einzudämmen. Aus diesem Grund sei laut dem neuen Duo „Merkollande“ eine bessere Koordination der Wirtschafts- und Steuerpolitik innerhalb der Euro-Gruppe vonnöten. So – und jetzt wird‘s gänzlich absurd: Die beiden haben nämlich unisono vorgeschlagen, dass es künftig für die Euro-Gruppe in Permanenz einen eigenen Präsidenten geben solle – was nichts anderes als die endgültige Entmachtung der EU-Kommission unter José Manuel Barroso bedeutet. Freilich könnte man jetzt einwenden, dass diese ja nichts Weltbewegendes zu leisten im Stande sei, wenn sie etwa das Olivenöl in Restaurants reglementieren möchte. Stimmt schon – aber ein zusätzlicher Präsident – wer immer das wäre – würde den derzeit unbefriedigenden Status Quo wohl nur verschlechtern und die ohnedies in Gang befindliche Aushöhlung der demokratischen Konstruktion der Europäischen Union noch weiter beschleunigen.
Die Kommission und das EU-Parlament würden schlagartig noch schwächer werden – und der abgespeckte Rat, will heißen: die Regierungschefs der Euro-Gruppe als quasi privilegiertes Gremium eindeutig stärker. Dann wäre die EU endgültig gespalten, die Euro-Gruppe eindeutig unter der Fuchtel von Deutschland und Frankreich, jegliche Kooperation der EU27 immens erschwert und Europa schlussendlich keinen Zentimeter weiter. Bleibt lediglich die Hoffnung, dass Merkel und Hollande bald doch noch die Einsicht erleuchtet, dass das meiste in ihrem Positionspapier nicht wirklich durchdacht ist – einen Rückzieher können sie immer machen …