Dienstag, 5. November 2024
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Der kreative Umgang der Londoner City mit den Boni-Grenzen

Weil eine Reihe von Banken am größten Finanzplatz Europas mit fragwürdigen Methoden gegen den Geist der EU-Vorschriften verstoßen, gibt es Krach mit Brüssel.

[[image1]]Es sind Zahlen wie diese, die bei den Kritikern das Blut in Wallung versetzen: fast 6000 Banker, Händler oder Finanzberater sind seit 2008 in der Londoner City wegen grober Verfehlungen oder Unehrlichkeit suspendiert oder gefeuert worden. Umgerechnet bedeutet dies, das in den letzten sechs Jahren jeden Tag knapp drei Mitarbeiter wegen Fehlverhaltens ihren Job verloren haben – allein in den letzten zwei Jahren flogen 2312 raus.  Gleichzeitig zeigen der Libor-Skandal um manipulierte Referenzzinssätze und die Untersuchungen um angeblich getürkte Devisenmarkt- und Goldfixings, dass der viel beschworene Kulturwandel in der Finanzbranche auch im Jahr sechs nach der Lehman-Pleite weiter auf sich warten lässt. Falsche Anreize durch Vergütungsstrukturen, die riskantes Verhalten und kurzfristiges Denken belohnten galten den Aufsichtsbehörden als einer der wesentlichen Auslöser der Finanzkrise.

Sonderzuschläge gelten nicht als Boni

Dessen ungeachtet herrscht bei den Investmentbanken an der Themse immer noch die Überzeugung, dass für die Finanzbranche andere Regeln gelten müssen als in anderen Wirtschaftszweigen wenn es um die Sicherung von Spitzenkräften und Talenten geht – und das trifft in besonderem Maße bei der Höhe der Vergütung zu. Seit Beginn diesen Jahres gilt die von der EU beschlossene Regelung, dass die Boni maximal die Höhe des fixen Grundgehaltes erreichen dürfen, mit Zustimmung der Aktionäre können diese variable Erfolgszulagen allenfalls auf das Doppelte des Grundgehalts erhöht werden. Mit dieser Regelung will die EU dem Kasinobanking einen Riegel vorschieben – fragwürdiges Verhalten sollte auf diese Weise nicht länger durch Prämien belohnt werden. Doch nun ist wieder einmal Bonussaison in London und da zeigt sich, dass die Realität mit den hehren Idealen der EU wenig zu tun hat.

Denn die Personalabteilungen der Banken haben bereits eine Reihe sehr kreativer Methoden ersonnen, den von der EU festgelegten „Deckel“ für die flexiblen Vergütungssystem zu umgehen. Viele mogeln sich um die Beschränkungen herum, indem sie hochbezahlte Banker an Schlüsselstellen einfach nicht als „Risikoträger“ einstufen, somit gelten die Obergrenzen nicht für sie. Andere zahlen Bankern, die sie gerne halten möchten sogenannte monatliche Sonderzulagen wie Mietzuschüsse, die nicht als variable Vergütung sondern als Teil des Fixgehaltes gelten und daher nicht unter die neue EU-Regelung fallen. Diese neuartigen Prämien werden einfach als sogenannte „verantwortungsabhängige Zulagen“ deklariert. Derartige Methoden werden zum Beispiel bei der britischen Barclays Bank praktiziert, die bereits hohe Strafen für ihre Rolle im Libor-Skandal bezahlen musste und sogar ihren Chef Bob Diamond feuerte. Aber auch bei der HSBC Bank und Goldman Sachs werden gesetzeskonforme Zulagen gewährt, um Mitarbeiter für mögliche Einbußen durch den Bonusdeckel zu entschädigen. Parallel dazu hat sich der Trend etabliert, den Boni-Deckel einfach durch höhere Fixgehälter auszuhebeln.

Ärger mit der EU

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der für die neuen Bonusdeckel verantwortlich ist, reagierte bereits verärgert über Berichte über die Mogelgehaltspackungen in der Finanzindustrie. Man könne erwarten, dass die Banken sich an die neuen Regeln hielten und nicht nach Wegen suchten, diese zu umgehen, ließ er erklären.  Daher fordert seine Behörde nun von der britischen Bankenaufsicht eine Auskunft – ein entsprechender Bericht wird sogar noch diese Woche erwartet. Außerdem sind neue Leitlinien der EU-Bankenaufsicht Eba geplant. Doch in London, wo Barnier ohnehin keine besonders hohe Reputation genießt, beeindruckt er damit kaum. Sogar der neue Notenbankgouverneur Mark Carney hat bereits öffentlich erklärt, was er von den Restriktionen bei der variablen Vergütung hält: nämlich gar nichts.

Statt dessen werden in London die Klagen immer lauter, der Finanzplatz an der Themse verliere wegen des Bonusdeckels im Vergleich zu New York und Hongkong weiter an Wettbewerbsfähigkeit, wenn es um die Talentsicherung gehe. Derartige Argumente kommen sogar von der Royal Bank of Scotland (RBS), die heute zu 81 Prozent in Staatsbesitz ist. Die RBS wird für das vergangene Geschäftsjahr möglicherweise einen Verlust von acht Milliarden Pfund ausweisen müssen; sie teilte ihm Januar mit, für Altlasten aus der Finanzkrise müssten zusätzliche Rückstellungen von mehr als drei Milliarden Pfund gebildet werden. Trotzdem will die Bank 2015 einer Gruppe von Investmentbankern deren Fixgehälter über eine Million Pfund im Jahr betragen, Boni von 200 Prozent ihres Grundgehaltes auszahlen – vorausgesetzt sie bekommt von ihrem Hauptaktionär, dem britischen Staat, dafür grünes Licht.

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