Mit ihren Vorschlägen für die Zukunft der Eurozone wollten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande beweisen, dass die beiden größten EU-Länder nach wie vor bereit sind zusammenzuarbeiten. Doch der Versuch, die großen Unterschiede zwischen beiden Ländern zu kaschieren, ist schiefgelaufen. Das gemeinsame Papier, das in sich unstimmig ist, hat laute Kritik ausgelöst.
[[image1]]Nicht nur am Inhalt, auch an der Form stören sich viele EU-Partner. Viele fühlen sich an den Oktober 2010 erinnert, als Merkel mit Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy im französischen Badeort Deauville Reformen absprach, ohne die anderen Länder einzubinden.
Besonders schlecht kamen die deutsch-französischen Pläne in den Niederlanden an, wo sie als Versuch gewertet wurden, den Präsidenten der Eurogruppe, den Sozialdemokraten Jeroen Dijsselbloem, aus dem Amt zu jagen. Merkel und Hollande sprechen sich nämlich explizit für einen Vollzeit-Präsidenten als Vorsitzenden der Eurozone aus. Dijsselbloem hat bereits zu verstehen gegeben, dass er an einem solchen Posten nicht interessiert ist.
Kurios ist der Personalvorschlag von Merkel und Hollande schon alleine deswegen, weil der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sich bei der Suche nach einem Nachfolger für Jean-Claude Juncker immer gegen einen Vollzeit-Präsidenten ausgesprochen hatte. Er argumentierte damals, dass der Vorsitzender aus dem Kreise der Finanzminister kommen müsse, und das Geschäft aus eigener Anschauung kennen sollte. In Berlin hieß es damals zudem, dass ein Vollzeit-Präsident nur unnötig neue Strukturen schaffe. Von dieser Sichtweise hat sich Merkel nun verabschiedet.
Kehrwende von Merkel zu Euro-Gipfeln
Gemeinsam mit Hollande hat sich die deutsche Kanzlerin in dem Papier auch ausdrücklich für „regelmäßigere Gipfeltreffen der Eurozone“ ausgesprochen. Auch dieser Vorstoss verblüfft, hatte sich die Kanzlerin in der Vergangenheit doch lange gesträubt, überhaupt Gipfel im Kreise der Staats- und Regierungschefs der Eurozone abzuhalten. Sie fürchtete, dass dies zu einer Spaltung der EU führen könnte. Auch sind Zweifel angebracht, ob Gipfel der Eurozone überhaupt einen Sinn haben. Bei den wichtigen Fragen der Eurogruppe handelt es sich oft um hochtechnische Themen, die die Staats- und Regierungschefs inhaltlich überfordern. Bei den Finanzministern sind die Details oft besser aufgehoben.
Das Duo brüskiert Binnenmarktkommissar Barnier
In Brüssel irritieren die deutsch-französischen Vorschläge zur Bankenunion indes, weil sie den französischen Binnenmarktkommissar Michel Barnier brüskieren. Der will noch vor der Sommerpause seinen Vorschlag zur Bankenabwicklung vorlegen und wird nun vom deutsch-französischen Duo überholt.
Die Vorschläge von Merkel und Hollande zur Bankenunion stehen außerdem direkt im Widerspruch zu den Zielen, die das deutsche Finanzministerium bisher genannt hatte. Die beiden streben einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus „auf der Grundlage der bestehenden Verträge“ an. Seit mehreren Monaten pocht der deutsche Finanzminister Schäuble dagegen darauf, dass die vertraglichen Grundlagen nicht ausreichen, um einen solchen einheitlichen Mechanismus zu schaffen. Er plädierte dafür, in einem ersten Schritt, die nationalen Behörden in einem Netz enger kooperieren zu lassen. Seine juristischen Bedenken haben Merkel und Hollande nun vom Tisch gewischt.
Merkel und Hollande plädieren in ihrem Papier auch für eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik, wobei die Details unklar bleiben. Merkel hat in einem Interview allerdings schon klar gemacht, dass sie nicht gewillt ist, Kompetenzen nach Brüssel abzugeben. Und Hollande verbat sich vergangenen Woche jede Kritik aus Brüssel an seiner Wirtschaftspolitik, obwohl die EU-Kommission mit ihren länderspezifischen Vorschlägen nur ihrer Aufgabe nachkam, Mitgliedsstaaten stärker zu überwachen. Wenn Mitgliedsstaaten jeden Koordinierungsversuch aus Brüssel als Einmischung interpretieren, ist das Konzept zum Scheitern verurteilt.
Unterm Strich, ist es gut möglich, dass nur wenige Punkte des Positionspapiers je realisiert werden. Das wäre kein Schaden für die Eurozone, handelt es sich doch um eine recht beliebige Ansammlung halbgarer Ideen. Merkel und Hollande haben der Union allerdings keinen Dienst geleistet, weil sie die EU-Partner durch ihr Vorpreschen verärgern. Und ohne es zu wollen, bestätigen sie nebenbei all jene Kritiker, die die deutsch-französische Achse in Not sehen. Wenn dieses Papier das einzige ist, das beide Länder zustande bekommen, dann ist es um die Zusammenarbeit der beiden Ländern in Europa tatsächlich schlecht bestellt.