Donnerstag, 21. November 2024
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Die blauen Albträume

Bild © CC pxhere

Der Fall Landbauer hat alles in den Schatten gestellt – doch die Regierungspartei FPÖ sorgt ständig für Eklats, Pannen und Hoppalas.

Seit Wochen steht die FPÖ nahezu täglich in negativem Konnex in allen heimischen Zeitungen. Offenbar ist die neue Rolle ist für HC Strache und die Seinen so extrem gewöhnungsbedürftig, dass laufend etwas Unangenehmes passiert, was zum einen vielen Wählerinnen und Wählern zunehmend auf die Nerven geht, und zum anderen auch im europäischen Ausland mit steigender Skepsis registriert wird.

Seit die Blauen in der Regierung sitzen, fühlt man sich unweigerlich an das Jahr 2000 erinnert, als die seinerzeitige Truppe Jörg Haiders im Kabinett Schwarz/Blau I einen beschämenden Start hingelegt hatte. So fehl am Platz damals freiheitliche Erstbesetzungen wie Kurzzeit-Justizminister Michael Krüger oder Sozialministerin Elisabeth Sickl  auch gewesen sein mögen, so rasant ging es mit den Blauen bergab. Schon im Herbst 2002 kam es in Knittelfeld zum internen Bruch. sodass die damalige Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer zurücktrat und die FPÖ beim darauffolgenden Wahlgang eine schwere Schlappe hinnehmen musste. Im April 2005 gründete Haider sodann das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), holte die Führungsspitze und die meisten Abgeordneten der Freiheitlichen mit an Bord und versetzte damit den Blauen beinahe den Todesstoß.

Aber so, wie der damalige BZÖ-Vizekanzler Herbert Haupt 14 Autounfälle, einen Flugzeugabsturz und einen Tauchunfall überlebte, schaffte es auch die anscheinend bereits klinisch tote FPÖ, dem Untergang zu entgehen. Was primär mit jenem Mann zu tun hat, der sich vor beinahe 13 Jahren zum blauen Parteiobmann wählen hatte lassen. Heinz-Christian Strache musste bei Null beginnen – im März 2006 saßen lediglich zwei FP-Abgeordnete im Hohen Haus – ,und die Partei infolge der zahllosen Abtrünnigen auch in personeller Hinsicht  neu aufstellen. Jetzt, wo er sein großes Ziel, in der Regierung zu sitzen, erreicht hat, stellt sich freilich heraus, dass die aktuelle freiheitliche Besetzung im neuen Amt ebenfalls ihre liebe Not hat – wie damals beim ersten Versuch mit der Volkspartei.

 

Die Partei im (rechten) Eck

Die Blauen, die nunmehr das Kontrastprogramm ihres früheren Daseins in der Opposition abspulen müssten, sind – kurz vor dem Wahlsonntag in Niederösterreich – vom unappetitlichen Skandal rund um ihren dortigen Spitzenkandidaten Udo Landbauer am falschen Fuß erwischt worden. Dass freiheitliche Funktionäre mit rechtsextremen oder antisemitischen oder neonazistische Aussagen bzw. Gesten gerne für Eklats sorgen, war zwar bekannt, doch musste der inkriminierte Liedertext aus der Wiener Neustädter Burschenschaft Germania als klare Übertretung aller roten Linien bewertet werden.

HC Strache hat zwar am Wien Akademikerball ein überraschendes, jedoch deutliches Signal gesetzt – „Antisemitismus hat in der FPÖ nichts verloren. Wer das anders sieht, soll aufstehen und gehen. Er ist bei uns nicht erwünscht “ – , und er kündigte obendrein die Einsetzung einer Historikerkommission an, die sich mit der ewiggestrigen Schlagseite seiner Partei befassen solle. Freilich: Wie ernst das alles gemeint ist, und ob diese Initiative etwas bewirken wird, muss sich erst weisen.

Die FPÖ muss sich gerade in jüngster Zeit den Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich sozusagen im Schwitzkasten von deutschnationalen Burschenschaften befindet. – Fakten? Noch nie zuvor waren so viele FPÖ-Abgeordnete Angehörige dieser ominösen schlagenden Verbindungen, nämlich rund 20. Naturgemäß sind Burschenschafter auch in mehreren Landtagen – etwa in Wien, OÖ. oder Kärnten – zu finden, bisweilen bekleiden sie in der Landespolitik so wie Oberösterreichs LH-Stellvertreter Manfred Haimbuchner auch Top-Positionen. Und nicht zuletzt sind Burschenschafter – als Generalsekretäre, Kabinettschefs, Pressesprecher oder Fachreferenten – in den Vorzimmern der blauen Spitzenpolitiker beinahe rudelweise präsent, womit ihnen ein beträchtlicher Einfluss auf die Tagespolitik nicht abzusprechen ist. Kurzum: Die alles in allem etwa 4.000 schlagenden Burschenschafter, für die Deutschland alles ist, haben ihre Repräsentanten dank der FPÖ an einflussreichen Stellen platziert, was viele Beobachter ebenso stört wie das Faktum, dass die freiheitlichen EU-Mandatare in Brüssel und Straßburg wie die Rechtspopulisten Marine Le Pen und Geert Wilders ein und derselben Fraktion angehören. So lange dies der Fall sein wird, darf die Strache-Partei kaum darauf hoffen, dass sie nicht mehr als EU-feindlich eingestuft wird.

 

Was war ihre Leistung?

Im zweiten Teil der heutigen Ausführungen wollen wir eine Art Zwischenbilanz ziehen, was die FPÖ-Minister und -Ministerinnen bislang geleistet haben – bzw. sich geleistet haben:

– HC STRACHE hat sich in seiner Funktion als Beamten- und Sportminister am ehesten als Nikotin-Freak profilieren können, indem er gegen das geplante totale Rauchverbot in Gastronomiebetrieben wetterte. Das könnte man, wenn man böswillig wäre, als Opportunismus pur sehen, weil eben auch Raucher Stimmen bringen; der Vizekanzler könnte freilich auch bloß den Gastronomen zu Hilfe geeilt sein. Viel Aufsehen erregte der neuerdings im noblen Palais Dietrichstein residierende FPÖ-Boss allerdings auch mit der Meldung, dass in seinem Büro eine flüchtende mysteriöse Person entwischen konnte sowie Wanzen (sprich: Abhörvorrichtungen) gefunden wurden. Diese entpuppten sich dem Vernehmen nach als Überbleibsel einer veralteten Anlage zur Übertragung von Parlamentsreden ins Ministerbüro, weshalb HC nunmehr für Humoris Causa stehen darf. In jüngster Zeit hat der Witzekanzler, der so nebenbei den ORF-Anchorman Armin Wolf satirischer Weise als „Lügner“ betitelt hat, was ihm eine, womöglich auch mehrere Klagen einbringen könnte, alle Hände voll zu tun, um sich über die miese, posthume Kampagne gegen Toni Sailer aufzuregen oder den rot-weiß-roten Olympioniken à la Marcel Hirscher herzlich zur Goldenen zu gratulieren. Das war’s auch schon, denn in der Energiewoche weilte HC auf Skiurlaub.

– NORBERT HOFER hat als neuer Infrastruktur- bzw. Verkehrsminister mit der Idee brilliert, das Tempolimit auf Autobahnen zu canceln und künftig 140 Stundenkilometer zu erlauben; der Beifall sämtlicher Raster ist ihm seither sicher. Als er Anfang Februar nach einem Transitgipfel in München in einem ORF-Beitrag nicht namentlich erwähnt wurde, kündigte er im Gegenzug an, über die Streichung der ORF-Gebühren nachdenken zu wollen – Motto: Aug’ um Aug’…und man wird sich bei ihm noch wundern, was alles möglich ist. Der eindeutig wildeste – zugleich unprofessionellste – Coup gelang dem blauen Ressortchef selbstverständlich mit der radikalen Umfärbung des ÖBB-Aufsichtsrats: Der Herr Ingenieur hat in einem Aufwaschen gleich sieben Aufpasser der Bahn, darunter die oberste Aufpasserin Gitti Ederer (vormals SPÖ und Siemens) entsorgt und mit einer Ausnahme durch treue FPÖ-Kandidaten ersetzt. Selbstverständlich ging es dabei, wie Hofer pflichtschuldigst zu Protokoll gab, „nicht um Parteipolitik, sondern um Qualifikation und Erfahrung“. Womit wir schleunigst zum nächsten Minister wechseln, nämlich zu

– HERBERT KICKL. Der neue Innenminister war wegen der Formulierung, Asylwerber künftig „konzentriert“ in Grundversorgungszentren unterzubringen, in die Kritik geraten. Der Arme hat sich dabei aber nichts Böses gedacht, sondern wurde einfach nur bösartig interpretiert. Weitere fiel der Minister auf, als er beispielsweise für weniger Radarkontrollen plädierte und die geplante Novelle des Datenschutz-Anpassungsgesetzes lobte, die es Polizisten in Zukunft gestatten werde, personenbezogene Abfragen so gut wie unkontrolliert durchführen zu dürfen, was nicht unbedingt in Jedermanns Interesse sein soll. Ein Sturm an Begeisterung wäre fällig gewesen, weil Kickl eines der zentralen Wiener Probleme endlich einer Lösung zuführen will: Es geht dabei um die berittene Polizei in der Bundeshauptstadt. Eine großartige Idee, aber vielleicht sollte Kickl für größere Krisenfälle auch an den Einsatz von Elefanten denken…

– KARIN KNEISSL fällt als Außenministerin einerseits durch Bescheidenheit auf: Bisher ist noch kein Minister von Gramatneusiedl aus per Zug zum Staatsbesuch aufgebrochen. Anderseits macht sie durch hohes Engagement auf sich aufmerksam: Trotz permanenter Reisetätigkeit (Slowakei, Bulgarien, Italien und Türkei) fand sie genügend Zeitfenster für vier Ballbesuche, sodass auch der Opernball nicht ohne freiheitliche Präsenz in der Staatsloge auskommen musste. Frau Kneissl wird sich jedenfalls bemühen müssen, in all jenen Ländern, die an die Blauen nicht anstreifen wollen, bald möglichst salonfähig zu werden.

– MARIO KUNASEK, der neue Heeresminister, befasst sich vorrangig mit den Eurofightern, denen sein Vorgänger Hans Peter Doskozil das endgültige „Aus“ prophezeit hatte. Die Causa könnte aber ganz anders enden, denn Kunasek tat genau das, was Politiker so gerne tun: Er berief eine neue Kommission ein, die herausfinden soll, ob die Regierung weiter auf stur schalten oder besser die Krallen wieder einziehen soll. Im Übrigen ist von Herrn Kunasek so gut wie keine andere Aktivität an die Öffentlichkeit gedrungen.

– BEATE HARTINGER-KLEIN ist anfangs als Sozialministerin ganz schön im Visier der Medien gestanden: Sie hat sich in Sachen „Notstandshilfe“ verplappert und wurde daraufhin von Kanzler und Vizekanzler zurückgepfiffen, sodass der Eindruck entstand, dass sie in der Sache noch nicht wirklich sattelfest sei. Ihre Reaktion? – Die Ministerin meidet offensichtlich alle Kontakte mit Medien, hat sich weitgehend zurückgezogen, genießt – und schweigt.

PS: Diese Aufzählung erhebt naturgemäß keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Bevorzugt behandelt wurden Themen mit breiter Medienresonanz

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