Donnerstag, 26. Dezember 2024
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Die Deutschland-Abschaffer unter sich

Mit seiner Entscheidung, nach seinem unfreiwilligen Sturz 1982, der Tagespolitik zu entsagen und Herausgeber der Zeit zu werden, stellte Helmut Schmidt sein überlegenes strategisches Räsonieren unter Beweis. Klaus Bölling, sein alter Weggefährte, war es damals, der ihm davon abriet, erneut in die Arena des Wahlkampfes zu steigen, und stattdessen mit der in acht Jahren Kanzlerschaft erworbenen Reputation eine neue Karriere zu beginnen.

[[image1]]Für Schmidt hat sich sein Engagement für Die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes gelohnt. Mächtiger als jemals zuvor, und mittlerweile auch allseits akzeptiert, dekliniert er seine unterschiedlichen Glaubensbekenntnisse in diversen Formaten, und erzielt dabei immer noch hohe Aufmerksamkeit.

Die Eingebundenheit in der hanseatisch-linksliberalen Wochenzeitung des Holtzbrinck-Konzerns, Die Zeit, hat indessen Schmidts Denken über die vergangenen 30 Jahre merklich verändert. Andernfalls könnte man sich nicht erklären, dass sich der ehemalige Heeresreserveoffizier Schmidt mit dem gegenwärtigen Autolobbyisten und früheren berufslosen Politaktivisten Fischer an einen Tisch begeben hat, um über Europa zu sprechen. Getreu dem Stil seines Blattes wird das Gespräch, in dem sich Schmidt und Fischer viele Komplimente sagen, von einem Zeit-Redakteur moderiert, der noch dazu ein ganz elogenhaftes Vorwort geschrieben hat. Herausgekommen ist zum einen die in dem Gespräch belegte, endgültige Abkehr Helmut Schmidts von seiner ehemals zeitgeist-kritischen Position, und seine radikale Integration in jenen Mainstream, der – wie es Joschka Fischer und mit ihm viele andere mehrfach formuliert und postuliert haben – „Deutschland in Europa aufgehen“ lassen möchte.

Insofern dokumentiert das Buch den erstaunlichen Sinneswandel eines Mannes, der sich sowohl als Verteidigungsminister, aber auch als Bundeskanzler, mehrmals und sehr couragiert mit dem damaligen Zeitgeist – z.B. Kriegsdienstverweigerung und Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss – angelegt hatte. Dabei werden auch alte und weiter bestehende Rechnungen beglichen. So die mit der Bundesbank, einer Institution, die Helmut Schmidt gewachsen war, und deren Repräsentanten er nicht herumkommandieren konnte. Mit seinem Parteifreund Karl Klasen habe er die Bundesbank benutzt, um unter Verpfändung einiger Tonnen Gold den Italienern in ihrer Schuldenkrise einen Riesenkredit zu gewähren und sie damit aus dem Sumpf zu ziehen.

Dies seien die Anfänge von Eurobonds gewesen

Man müsse nur heute erneut nach diesem Verfahren vorgehen, um Europa aus der Schuldenfalle zu führen. Zwar erkennt Schmidt die institutionellen Probleme der EU mit ihren 28 Kommissaren in Brüssel und findet hierfür auch deftige Worte. Jedoch dürfe all dies nicht zu einer Ajustierung des europäischen Projektes, das für Joschka Fischer sakrosankt ist, führen. Fischer ist stolz darauf, aus dem Aufsatz des jungen Schmidt von 1948 zum Ruhrstatut zitieren zu können. Bekanntlich hatte der Aufsatz von Schmidt, den die Sozialdemokraten nur unwillig abgedruckt hatten, bei dem nicht wenig national eingestellten Culmer Landsmann Kurt Schumacher große Bedenken ausgelöst. Dass auch damals das Ruhrstatut bzw. die Diskussion um seine Internationalisierung aus französischer Sicht nichts weiter als die Neuauflage des Ruhrbesetzungs-Plans von 1923 – wenn auch in eleganterer Form – war, wollte der junge Schmidt nicht wissen, und tut Joschka Fischer ohnehin nichts an.

So ergeben sich nicht nur interessante Debatten-Beiträge Schmidts, die über die Jahre eine im hanseatischen Snobismus gefärbte Europa-Einstellung dokumentieren, sondern eine Fülle von Gemeinsamkeiten zwischen zwei Individuen, die für sich genommen wenig verbinden sollte. Schmidt und Fischer sind sich einig: Ohne Frankreich ginge gar nichts, der Euro sei unumkehrbar, ein neuer Plan zum Schuldenerlass für Athen müsse her.

Dies alles nimmt der kritische Leser nahezu ungläubig zur Kenntnis. Deutschland und seine Rolle werden bestenfalls dort erwähnt, wo es um finanzielle Lasten, historische Pflichten und Schuldbewusstsein geht. Mit welchem Recht behauptet Helmut Schmidt, dass nach der Schoah die Deutschen das Recht verwirkt hätten, auch nationale Interessen zu vertreten? Scheinbar ist ihm nichts zu billig, um diese These zu perpetuieren, nicht einmal die neue ideologische Bruderschaft mit dem grünen Autolobbyisten Joschka Fischer.

Im Ergebnis ändert es nichts daran: Schmidt will den Deutschen den Schneid nehmen und die Zukunft verbauen. Insofern liest sich das Buch wie ein Postulat zur Abschaffung des selbstbestimmten Deutschlands.

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