Donnerstag, 21. November 2024
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Die dunklen Machtspiele von Manuel Barroso

Kein Zweifel, Manuel Barroso, der machtbewusste Präsident der Europäischen Kommission denkt schon an die Zeit nach der Beendigung seines Mandats. Zwar rechnet er sich wenige Chancen aus, offiziell als Kandidat für eine dritte Amtszeit benannt zu werden. Aber so wie die Uhren in Brüssel ticken, kann es gut sein, dass mangels eines konsensfähigen Kandidaten, der von den entscheidenden Mitgliedsstaaten auch unterstützt wird, Barroso mit dem Angebot „Bei mir wisst ihr, was ihr habt“ dennoch ein drittes Mal Chef im Berlaymont werden wird.

[[image1]]Dies kann er nur sehr bedient beeinflussen. Geschick und Fortune muss man haben, um die Umstände bzw. Schwierigkeiten der Wahl eines anderen Kandidaten für sich zu  nutzen. In jedem Falle hat Barroso vorgesorgt. Kaum ist das Ende seines Mandats in Sicht, erklärt er, dass das, was höchst kontrovers unter den Mitgliedsstaaten diskutiert wird, für die allgemeine strategische Linie der EU: Er will alle Balkanstaaten – also das, was Bismarck das „Pulverfass Europas“ nannte – in die EU integrieren.

Doch damit nicht genug: Auch mit der Türkei, von der der kritische Beobachter nach den Demonstrationen in Istanbul im Sommer weiß, was er zu halten hat, soll der Beitrittsprozess forciert werden. Diese Ankündigungen sind nicht überraschend bei einem Mann, der ohne das Mandat eines starken Mitgliedslandes und mit dem schweren Erbe einer gescheiterten Politik in Portugal, in die nationale Politik mit Sicherheit nicht zurückkehren kann, sondern die Weite des großen europäischen Feldes suchen wird.

Doch im Hintergrund, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, hat Barroso eine Art coup d’état ausgeheckt: sein Kabinettschef Johannes Laitenberger soll bereits im neuen Jahr eine Schlüsselfunktion im juristischen Dienst übernehmen. Mit den Befugnissen eines stellvertretenden Generaldirektors  betraut, wäre es die Aufgabe von Laitenberger, für die institutionelle Reform der EU – sprich Kompetenzerweiterungen und Marsch in den Bundesstaat – qualifizierte juristische Vorschläge auszuarbeiten. Was Laitenberger hierfür speziell qualifiziert, mögen die Götter wissen. Der fast 50-jährige Jurist hat nach seinem Examen für einen Industrieverband gearbeitet und nach kurzer Zeit bei einer Anwaltsfirma wurde er für die Europäische Kommission tätig.

Zunächst im Kabinett von Frau Reding, bei der er schnell zum Kabinettschef aufstieg, dann als Sprecher vom Kommissionspräsident  Barroso. Letzterer scheint den ehrgeizigen jungen Mann besonders in sein Herz geschlossen zu haben. Denn er ernannte ihn am 1. November 2009 zu seinem Kabinettschef. Barroso hatte die Vorteile eines noch biegbaren jungen Mannes, der zudem einen deutschen Pass sein Eigen nennen kann, schnell erkannt. Laitenberger sollte eine Brückenfunktion in die deutsche Politik haben und den politischen Instanzen des deutschen Nationalstaats verklickern, dass die Politik der Europäischen Kommission alternativlos sei und natürlicherweise sich in Richtung „Bundesstaat“ entwickeln müsste.

Mit den Ergebnissen war Barroso so zufrieden, dass er nunmehr eine neue Stelle schaffen will, die den „großen institutionellen Sprung nach vorn“ vorbereiten soll. Offiziell wird die zweite Stelle des stellvertretenden Generaldirektors im juristischen Dienst ausgeschrieben. Indessen ist angesichts der Brüsseler Usancen davon auszugehen, dass diese Ausschreibung so zugeschnitten wird, dass an Laitenberger kein Weg vorbeiführen wird. Dass Barroso in der gegenwärtigen prekären Situation der Euro- und Staatschuldenkrise Chancen nur in der Flucht nach vorn sieht, belegt:

Innerhalb der Europäischen Kommission fehlt vollständig der politische Kompass

Seit dem Maastrichtvertrag 1992 sind die Kompetenzen der Europäischen Union bzw. der Europäischen Kommission angewachsen. Ebenso sprunghaft sind die Probleme gewachsen. Es ist, als ob sich niemand dem Zusammenhang zwischen Kompetenzzuwachs und Überforderung des europäischen Projektes stellt. Stattdessen wird das Heil Europas im Bundesstaat gesehen. Dies allein ist nicht nur der Kritik wert. Vielmehr ist die Methode aussagekräftig, mit der dieser Weg vorbereitet wird. Statt im Europäischen Parlament einen Ausschuss über die institutionelle Reform der EU einzusetzen oder ein ordentliches Änderungsverfahren mit einem Konvent zu beantragen, meint Barroso, im Geheimen vorgehen zu können.

Er hat in seiner Amtszeit im juristischen Dienst, der einstmals so etwas wie eine Glaubenskongregation zur Respektierung der römischen Verträge war, zu einem „Service of legal feasibility“ , einem Dienst für juristische Machbarkeit entwickelt. Der Juristische Dienst soll den Integrationsprozess legal akzelerieren. Dieses Projekt ist bereits jetzt gescheitert, denn in wesentlichen Politikfeldern ist die Europäische Union schon gar nicht mehr handlungsfähig. Dies wird im Übrigen auch scheitern müssen, weil die Vorbereitung des von Barroso befürworteten „großen institutionellen Sprungs nach vorn“, einmal mehr das Selbstermächtigungsregime der Brüsseler Bürokratie veranschaulicht. Sie funktioniert wie eine französische Administration.

Alles liegt im Nebel, nichts ist klar. Nur eines wird immer deutlicher: Die Europäische Kommission maßt sich politische Initiativen an, die dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Schäuble „Sie solle doch gefälligst eine Regierung werden“, als überflüssig erscheinen lässt. Die Kommission benimmt sich nicht nur wie eine Regierung, sie ist es. Wie lange noch, darüber mögen die Bürger entscheiden.

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