Den Wahlkampf hat Sebastian Kurz mit einigen interessanten „Quereinsteigern“ aufgemischt. Um manche dieser neuen Leitfiguren ist es zuletzt ruhig geworden.
Seitdem die Gespräche zwischen der ÖVP und der FPÖ über die Bildung einer neuen Regierung laufen, kursieren täglich neue Namen in den Medien, wer künftighin ein Ministeramt bekleiden könnte. Auffallend ist dabei, dass einige Namen darunter fehlen. Und zwar vor allem von Personen, die der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler Sebastian Kurz im Wahlkampf an Bord der neuen Volkspartei holte. Und damit für eine positive Aufbruchsstimmung in der Öffentlichkeit sorgte. Dabei handelte es sich nicht um die üblichen Quereinsteiger, sondern um sogenannte Leitfiguren. Gemeint sind damit vor allem der langjährige Rechnungshofpräsident Josef Moser sowie der Mathematiker Rudolf Taschner.
Was ist los mit Moser?
Moser hatte sich in den 12 Jahren seiner Prüfungstätigkeit an der Spitze des Rechnungshofes den Ruf eines strengen und gewissenhaften Prüfers erworben, dem man ein hohes Wissen, eine eingehende Kenntnis der staatlichen und föderalen Strukturen sowie das Image der Unbestechlichkeit attestierte. Mit seinem Einstieg in das Kurz-Team wurde er sowohl als Idealbesetzung für den Posten des Finanzministers als auch eines Kanzleramtsministers mit ressortübergreifenden Kompetenzen gehandelt. Inzwischen wurde er offenbar aus der ersten Reihe zurückgenommen und scheinbar nur mit der Führung eines Unterausschusses für die Regierungsverhandlungen betraut. Als Finanzminister kursieren wieder ganz andere Namen, so der bisherige oberste Säckelwart Hans Jörg Schelling (dem allerdings in der Nachfolge von Claus Raidl auch der Posten des Nationalbankpräsidenten winkt) oder der Kremser Uni-Professor Gottfried Haber.
Wird Taschner bloß Seniorenvertreter?
Auch als sich Kurz den bekannten und populären Autor sowie Mathematik-Professor Rudolf Taschner anlachte, wurde sofort von einem neuen Signal in der Bildungspolitik gesprochen. Tatsächlich aber taucht nun in den Regierungsverhandlungen der Name von Andreas Salcher auf, der sich bisher vor allem als Schreiber über Schulfragen bei einer großen österreichischen Tageszeitung in den Vordergrund gedrängt hat. Was mittlerweile übrigens auch zu so manchen kritischen Kommentaren in den Social Media geführt hat. Wie es aussieht, könnte es dazu kommen, dass sich Taschner neben seinem Nationalratsmandat mit der Rolle als Sprecher der Senioren begnügen könnte. Wurde er doch, ebenso wie der Wiener Polizei-General Karl Mahrer, von der Obfrau der Seniorenbewegung, Ingrid Korosec, der Kurz-Truppe schmackhaft gemacht. Beide bilden nun die ältesten Abgeordneten in den Reihen der neuen, türkisen Volkspartei.
Festhalten an Leitfiguren gefordert
Dass Moser und auch Taschner im Augenblick in den Hintergrund getreten sind, wird mit Sorge und Kritik beaugapfelt. Immerhin hat die Nominierung dieser und einiger anderer Leitfiguren die Attraktivität der neuen Volkspartei und des Kurz-Teams erhöht. An diesen Personen nicht nur festzuhalten, sondern ihnen auch einen öffentlichen Aktionsraum zu gewähren, wird zu einer ersten, wichtigen Nagelprobe für Kurz.
Länder und Gewerkschaften als Bremser?
Moser, der sich für einen schlanken Staat, eine Säuberungsaktion bei vielen Mehrgleisigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden stark macht und vor allem weiß, wo im Staatshaushalt mit Einsparungen angesetzt werden muss, gilt nicht unbedingt als Freund der Bundesländer. Sie haben zwar Kurz freie Hand gegeben, als es darum ging, die Partei fit für den Wahlerfolg zu machen, fürchten aber jetzt um die Beschneidung ihres Schrebergartens. Ähnlich halten es die Gewerkschaften mit Taschner, der zwar als gescheit, aber eigeninitiativ gilt. Unterstützung finden Moser wie Taschner freilich beim Leitl-Nachfolger Harald Mahrer, der drauf und dran ist, die Wirtschaft in der Sozialpartnerschaft zu repräsentieren. Mahrer bildet mit Kurz und Elisabeth Köstinger schon seit längerem jenes Dreigestirn, das letzten den Umsturz von der alten zur neuen Volkspartei vorbereitet hatte.
Ruhe um so manche Quereinsteiger
Es sind freilich noch einige andere Personen rund um Kurz, um die es in letzter Zeit ruhig geworden ist. Dazu gehört zum Beispiel der Psychoanalytiker Martin Engelberg, der auf die Kandidatur bei den bevorstehenden Wahlen zur Israelitischen Kultusgemeinde verzichtet hat, um für die ÖVP in den Nationalrat einzuziehen. Dass Maria Großbauer, die junge Opernball-Organisatorin nicht mehr im Vordergrund steht, wird dafür nicht unbedingt als Nachteil gesehen. Sie war die erste Frau, die Kurz im Sommer als Quereinsteigerin aus dem Hut zog, gilt aber eher als eine P.R. Lady und nicht wirklich als eine „Fachfrau“, die mit dem Kulturgeschehen gut sowie eng vertraut ist. Und in diesem schwierigen Milieu daher nachhaltig etwas bewerkstelligen kann.
Kurz denkt am Umbau der Regierungsstruktur
Seitens der Kurz-Vertrauten heißt es dazu, dass man den derzeitigen Personalspekulationen nicht allzu viel Augenmerk schenken solle. Sein eigentlicher Plan sei es nämlich, eine neue Regierungsstruktur und damit neue Ministerien und Kompetenzbereiche zu schaffen. Damit aber würden herkömmliche Posten wie die eines Finanz-, Wirtschafts- oder Sozialministers in der bisherigen Form obsolet. Gedacht wird eher in Richtung sogenannter „Cluster“. Was bei der Einsetzung des obersten Verhandlungsteams vielleicht aber übersehen wurde, war, dass zumindest ein mit Regierungsverhandlungen bereits erfahrener Politiker in der ÖVP-Runde vertreten ist. Die Gefahr, dass die Newcomer von einigen alten „FPÖ-Hasen“ über den Tisch gezogen werden könnten, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Heikle Stimmungslage innerhalb der ÖVP
In der ÖVP ist überhaupt seit einiger Zeit eine besondere Stimmungslage spürbar. So sehr man sich über den Erfolg des Parteiobmannes und darüber, dass nun wieder die ÖVP federführend Regierungsverhandlungen führen kann, freut, so gibt es doch auch einige Kritikaster. Hinter vorgehaltener Hand haben so manche ein Problem damit, dass die Partei radikal verjüngt, die ältere Generation etwas ins Abseits gedrängt wurde und der Parteiobmann inhaltlich wie personell völlige Handlungsfreiheit hat. Tatsächlich bekam freilich Sebastian Kurz von der Partei nur jenen Handlungsspielraum, den sich schon viele seiner Vorgänger gewünscht hatten. So etwa Josef Taus, dessen Forderungskatalog 1979 von den Parteigranden abgelehnt worden war und der daraufhin zurücktrat. Sein Nachfolger, Alois Mock, ließ sich diesen Reformkatalog sogar durch eine Parteiurabstimmung absegnen, musste aber 1990 aufgrund des Drucks einiger Länderfürsten die Parteiführung abgeben.
Daher ist es wichtig, dass Sebastian Kurz jetzt auch in der Regierung Personen um sich schart, die das zustande bringen, was ihm am 15. Oktober den Sieg gebracht hat. Nämlich das Versprechen, für Veränderung zu sorgen. Josef Moser wäre einer, der dazu imstande ist.