Das Ergebnis war erwartet worden. Obwohl auf kommunaler Ebene in Frankreich nichts von nationaler Bedeutung entschieden wird, eignen sich Wahlkämpfe um munizipale Macht immer dafür, der nationalen Regierung und dem Staatspräsidenten eins auszuwischen. Dies haben die französischen Wähler bei einer Rekordabstinenz von fast 40% diesmal bereits im ersten Wahlgang heftig demonstriert.
[[image1]]Dass die Sozialisten Einbußen erleiden würden, hat niemanden verwundert. Dass die rechtsbürgerliche UMP davon nicht überall im gleichen Umfang profitieren würde, stellt auch keine Überraschung dar.
Die politische Landschaft wird indessen dadurch völlig auf den Kopf gestellt, dass in fast 230 Städten die Front National Königsmacher geworden ist. Sie ist in einer Position, um im zweiten Wahlgang durch ihre Wahlempfehlung darüber zu entscheiden, wer in den entsprechenden Kommunen Bürgermeister wird. Offiziell hält sich Marine Le Pen, die Vorsitzende der von ihrem Vater ins Leben gerufenen Front National, zurück. Sie will weder mit den Sozialisten, noch mit der UMP verhandeln. Doch insgeheim wird es zu Absprachen über Stimmtransfers kommen. Für sich genommen ist aber der neue Status der Front National als einer Parteiformation, die man nicht mehr übersehen kann, und die nicht nur ihr Hinterzimmer-Dasein in Städten mit hoher Kriminalität und Arbeitslosigkeit fristet, das neue, unübersehbare politische Datum in Frankreich.
Mehr nach rechts als nach links
Dass es dazu gekommen ist, überrascht den langjährigen Beobachter der französischen Szene nicht. Frankreich ist ein Biotop für rechte Ideen. Die gesamte französische Zivilisationsideologie, von der exception française zum französischen Universalismus, hat mit der Moderne wenig zu tun. Dass in einem solchen auf nationale Einzigartigkeit und zivilisatorische Überlegenheit getrimmten Land wirtschaftlicher Niedergang, Arbeitslosigkeit und unkontrollierte Einwanderung Reaktionen hervorrufen würden, die mehr nach rechts als nach links gehen, vermag nicht zu überraschen.
Während indessen früher immerhin 20% der Wähler eine linksextreme – sprich: kommunistische – Alternative wählten, um ihren Protest gegen das Establishment zu bekunden, geht der Schub heute eindeutig nach rechts. Dies ist für die rechtsbürgerlichen Parteien noch mehr eine Bedrohung als für die gemäßigten Kräfte der PS. Sie müssen sich nun entscheiden, ob sie mit der PS in bestimmten Kommunen, und vielleicht sogar auf nationaler Ebene, koalieren und damit aus dem französischen Links-Rechts-Schema ausbrechen, oder ob sie sich mit der Front National zusammentun.
Richtungskämpfe sind also an der Tagesordnung. Doch diese ändern nichts an der großen strategischen Neuausrichtung unseres Nachbarlandes. Es driftet weiter nach rechts. Darunter wird seine europäische Orientierung leiden. „Europa ohne Frankreich?“ ist also eine bedrohliche, aber realistische Perspektive.