Neben Kammer-Boss Harald Mahrer gibt es in Österreich viele weitere Ämter-Kumulierer.
In der Wirtschaft ist es traditionsgemäß gang und gebe: Die Big Bosse, womöglich mit ihrem stressigen Hauptberuf als Generaldirektoren nicht restlos ausgelastet, sammeln in geradezu unersättlicher Manier Titel, Nebenjobs, Funktionen und ehrenamtliche Tätigkeiten. Sie überwachen zum Beispiel diverse Tochterfirmen und Beteiligungen zumeist als Präsident in deren Aufsichtsräten und lassen sich auch kaum bitten, wenn es artfremde Amteln zu übernehmen gilt.
Ein Paradebeispiel als typischer Ämter-Kumulierer ist Walter Rothensteiner, früher General der Raiffeisen Zentralbank und nunmehr seit Juni 2012 Generalanwalt des Raiffeisenverbandes. Der fleißige Spitzenmanager schafft mit 65 noch ein geradezu unvorstellbares Arbeitspensum: Er fungiert bei der Uniqa Holding, der Kathrin Privatbank, der Casinos Austria AG und den Österreichischen Lotterien als Präsident des Aufsichtsrats. Weiters kontrolliert er als stellvertretender Vorsitzender die Geschäfte der Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligungs AG, ist in selbiger Funktion im Aufpassergremium der Österreichischen Kontrollbank tätig, außerdem Mitglied des Generalrats der Oesterreichischen Nationalbank.
Das ist freilich noch längst nicht alles: Rothensteiner, so nebenbei auch Honorarkonsul der Republik Singapore, sitzt als Opernfan im Aufsichtsrat der Wiener Staatsoper, betätigt sich als Vizepräsident der Deutschen Handelskammer in Österreich, kümmert sich als Vizepräsident um das Österreichische Rote Kreuz und hat schließlich noch genügend Zeit, um als Mitglied des Vorstands der HK Privatstiftung aktiv zu werden. Zu dieser Aufzählung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, wäre zu Rothensteiners Ehrenrettung anzumerken, dass der schier omnipräsente Posten-Multi früher wesentlich mehr Funktionen ausgeübt hat. Diverse Mandate, darunter bei der Raiffeisen Bank International, der Raiffeisen Bausparkasse, der Raiffeisen Informatik und der Raiffeisen-Einlagesicherung, hat er jedoch zurückgelegt, möglicherweise wegen beträchtlicher Arbeitsüberlastung.
Die türkise Paradefrau
Zu den emsigsten Workaholics im Lande zählt zweifellos Bettina Glatz-Kremsner, ihres Zeichens bereits seit zwölf Jahren hauptamtliche Vorstandsdirektorin der Österreichischen Lotterien und zugleich seit 2010 Vorstandsdirektorin der Casinos Austria. So nebenbei engagiert sie sich, wie Rothensteiner, regelmäßig als Generalrätin der Nationalbank, ist Aufsichtsratsmitglied bei der Casinos Austria International Holding, sogar Präsidentin bei der niederösterreichischen Stromfirma EVN und langjährige Aufpasserin beim Flughafen Wien.
Glatz-Kremsner ist obendrein im Vorstand der Österreichischen Sporthilfe vertreten, amtiert als Vorstands- und Präsidiums-mitglied im gemeinnützigen „Kuratorium Sicheres Österreich“ und mischt als Vorstandsmitglied bei den Sitzungen des Österreichischen Paraolympischen Komitees mit. Schließlich findet sie noch ausreichend Zeit, als Ungarns Honorarkonsulin für Wien und Niederösterreich präsent zu sein. Fast, aber eben nur fast wäre hier ihre Rolle als Vorsitzende des Kuratorium des Rudolf Sallinger Fonds unter den Tisch gefallen. Wer freilich glaubt, mit all diesen Funktionen müsse jeder 24 Stunden-Tag voll ausgelastet sein, der irrt natürlich: Bettina Glatz-Kremsner ist nicht zuletzt auch politisch tätig, und zwar seit kurzem als Stellvertreterin des türkisen Bundes-parteiobmanns Sebastian Kurz.
Je mehr, desto besser
Es war ned Wien, um Josef Weinheber zu zitieren, wenn nicht auch die Politik ebenso wie die Sozialpartnerschaft ein ideales Biotop für Job-Sammler darstellen würde. Die vielerorts als Unsitte betrachtete Leidenschaft, immer mehr Funktionen an sich zu reißen, ist in allen politischen Lagern verbreitet – nicht nur bei den Schwarzen und den Roten, sondern neuerdings auch bei den Blauen, die bislang kaum Zutritt zu den Futtertrögen der Nation hatten. Und so überrascht es keineswegs, dass beispielsweise HC Strache als Oberblauer gleichzeitig Vizekanzler, Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Bundesparteiobmann der FPÖ, Landesparteiobmann der FPÖ Wien, Bezirksparteiobmann in Wien-Landstrasse, neuer Präsident der Österreichischen Sporthilfe sowie kooptiertes Vorstandsmitglied im Österreichischen Olympischen Comité ist – für den Anfang also gar nicht so schlecht.
Ein viel beschäftigter Mann ist auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: Er gab zwar im Zuge seiner Bestellung zur gewerkschaftlichen Nummer Eins einige Aufgaben ab – so ist er als Boss der bekanntlich überparteilichen Arbeitnehmer-Lobby etwa nicht mehr Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter -, hat aber trotzdem noch sehr viel um die Ohren: Katzian sitzt beispielsweise als SPÖ-Abgeordneter im Nationalrat, was dermaßen beschwerlich sein muss, dass er bei Abstimmungen im Hohen Haus häufiger abwesend ist als alle anderen Kollegen. Ihn deshalb gleich als parlamentarisches „Phantom“ abzukanzeln, mag vielleicht etwas bösartig sein, denn als oberster rot-weiß-roter Gewerkschafter hat man so einiges zu tun:
Katzian ist beispielsweise Mitglied des Vorstandes der PVA (Pensionsversicherungs-anstalt) und legt sich beim Union Network International seit vielen Jahren als Mitglied des Präsidiums und des Weltvorstandes kräftig ins Zeug. Außerdem gehört er dem erweiterten Vorstand der Österreichisch-Russischen Freundschafts-gesellschaft an und zu guter Letzt spielt er schon seit 2007 als Präsident des allerdings nicht besonders erfolgreichen Fußballvereins FK Austria Wien eine sportliche Hauptrolle. So gesehen ist es geradezu ein Glücksfall, dass er nicht auch noch – wie früher einmal – dem Bundesparteipräsidium der SPÖ angehören muss.
Alles für die Fisch
Auf ganz anderen Ebenen dokumentiert die ehemalige VP-Generalsekretärin, NR-Abgeordnete und Volksanwältin Ingrid Korosec ihre politische Bedeutung: Mit demnächst bereits 78 Jahren dient sie in Wiens Rathaus immer noch unermüdlich als Gemeinderätin. Daneben vertritt sie als Präsidentin des türkisen Österreichischen Seniorenbundes und logischerweise als Landesvorsitzende der Wiener Organisation die Interessen von Pensionistinnen und Pensionisten und übt heuer auch gleich das Amt als Vorsitzende im Österreichischen Seniorenrat aus. Als ihr persönliches Kontrastprogramm wirkt sie als Präsidentin der Kinderschutzvereinigung „Die Möwe“.
Lustvoll, aber scheinbar etwas übermotiviert üben auch viele andere politischen Würdenträger aus Vergangenheit und Gegenwart ihre Nebentätigkeiten aus – nicht aus pekuniären Gründen, weil ehrenamtliche Tätigkeiten in der Regel keinen Euro bringen, sondern eher, um an ihrem Image zu polieren und womöglich auch ihre Eitelkeit zu befriedigen. Die schwarze Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat etwa, die eine Consultingagentur besitzt, ist nebenbei nicht bloß Präsidentin der Gesellschaft Österreich-Ungarn, Präsidentin der Österreichisch-Ägyptischen Gesellschaft und Präsidentin der Österreichisch-Tunesischen Gesellschaft, sondern auch Vizepräsidentin des Österreichischen Paraolympischen Komitees.
Der 74-jährige Ex-Minister Werner Fasslabend wiederum kämpft als Präsident der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft sowie als Präsident der Österreichisch-Slowakischen Gesellschaft offenbar gegen den Pensionsschock an. Ein Beispiel noch aus der Abteilung Kuriosa: Der EX-SPÖ-Abgeordnete und nunmehrige Volksanwalt Günther Kräuter werkt nebenberuflich als Präsident des roten VÖAFV (Verband der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine) und kümmert sich zeitgleich als Obmann um dessen Landesorganisation Steiermark.
Der ewige Superstar
Den Vogel schießt wohl der 72-jährige Ex-Minister und Ex-EU-Kommissar Franz Fischler ab, der als vielerorts begehrter Mann nicht nur mit seiner Franz Fischler Consult GmbH und wegen zahlreicher Vorträge im In- und Ausland ständig rotiert, sondern eine Vielzahl anderer Funktionen zeitlich unter einen Hut zu bringen vermag – zum Beispiel die Beratung etlicher Regierungen und der OECD. Auf Fischlers Firmen-Website sind u.a. noch folgende Tätigkeiten aufgelistet:
- Vorsitzender der RISE-Foundation, Brüssel,
- Vorsitzender der Raiffeisen Klima Initiative (RKI),
- Vorsitzender des Aufsichtsrates der Tiroler Museen Betriebsgesellschaft,
- Obmann des Österreichischen Studienförderungsnetzwerkes Pro Scientia,
- Präsident des Kuratoriums des Institus für Höhere Studien (IHS),
- Schirmherr und Beirat des MCI Management Centers Innsbruck, und last but not least
- Präsident des Europäischen Forums Alpbach.
Fazit: Ein Mann, dessen Kompetenz mit nicht weniger als acht Ehrendoktoraten gewürdigt wurde, darf selbstverständlich stolz sein, dass er noch immer so gefragt ist. Die typischen Ämter-Kumulierer hingegen, deren Nebengschaftln längst ein inflationäres Ausmaß erreicht haben, sollten sich einmal ernsthaft die Frage stellen, ob weniger denn nicht mehr wäre. Sie würden diesem Land einen großen persönlichen Dienst erweisen, die traditionelle Gschaftlhuberei etwas einzudämmen…