Die Angst, dass die ÖVP-Riege im nächsten Nationalrat vorwiegend aus politisch unerfahrenen Quereinsteigern bestehen wird, hat sich als unbegründet erwiesen. Es ist ein Mix aus Polit-Profis und zum Teil interessanten Newcomern.
In den Wochen bevor ÖVP-Obmann Sebastian Kurz begann, Namen für die ihm zustehenden Plätze auf der Bundesliste zu nennen, gab es in der Volkspartei so manche Unruhe. Die allerdings nicht nach außen getragen wurde. So etwa meint ein ehemaliger Staatssekretär: „Wenn 80 Prozent der bisherigen Mandatare nicht mehr im Parlament vertreten sein werden, dann bin ich ja gespannt, wie der Klub funktionieren soll. Der Sebastian wird sich noch anschauen, wenn er glaubt, ohne Profis und alte Hasen auszukommen“.
Nun steht fest, es wird eine ordentliche Erneuerung der „schwarzen Truppe“ geben, einige werden sich mit den parlamentarischen Gepflogenheiten erst vertraut machen müssen, andere haben aber durchaus Erfahrung und auch das Zeug, sich schnell in die neue Aufgabe einzuleben. Bei einigen wenigen darf man auf ihren Auftritt gespannt sein.
Köstinger: Tausche EU- gegen Wiener Parlament
Beim genauen Hinsehen merkt man, dass Kurz ohne Zweifel darauf Bedacht war, sich Leute zu holen, die eine gewisse Signalwirkung haben und einen Aufbruch in eine neue Zeit signalisieren sollen. Daneben aber gibt es sehr viele Kandidaten, die über ein gerüttelt‘ Maß an Erfahrung verfügen und daher auch für Kontinuität sorgen. Das gilt zum Beispiel gleich für Elfriede Köstinger, die Generalsekretärin, die gleich an zweiter Stelle hinter Kurz auf der Liste steht. Sie verfügt bereits über eine achtjährige Erfahrung im Europäischen Parlament, war zuletzt stellvertretende Leiterin der ÖVP-Delegation und gilt als eine engagierte, kämpferische Parlamentarierin. Sie wechselt quasi nur vom Parlament in Straßburg in jenes in Wien. Und sie wird sicher auch für eine bessere Koordination zwischen den beiden Klubs auf europäischer und österreichischer Ebene sorgen.
Moser: Verfechter des „schlanken Staats“
Zu den drei eigentlichen Highlights zählen der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser, der Populärwissenschaftler und Mathematiker Rudolf Taschner und der türkischstämmige Ex-Grüne Efgani Dönmez. Moser gilt als ein exzellenter Kenner des Staatshaushaltes, des Staatsapparates und der öffentlichen Wirtschaft. Ihm wird es vor allem obliegen, der Forderung von Kurz nach einem „schlanken Staat“ den notwendigen Nachdruck zu verleihen. Auch die Bundesländer und erklärten Föderalisten werden mit ihm so manche Sträuße ausfechten dürfen. Mit Moser ist es Kurz allerdings auch gelungen, einen Schnitt ins Fleisch der FPÖ vorzunehmen. Moser war früher einmal Sekretär im FPÖ-Klub, hat sich aber schon seit einiger Zeit von Strache & Co. abgesetzt.
Dönmez: Verfechter einer strikten Integration
Efgani Dönmez, der türkischstämmige Österreicher, ist schon bei den Grünen nicht durch seine kritische Haltung gegenüber der Erdogan-Politik aufgefallen. Er gehört zu den Verfechtern einer strikten und konsequenten Integration, legt es sich mit Vorliebe mit islamischen Vereinigungen an, die sich nicht mit der österreichischen, europäischen Gesellschaft abfinden. Und er hat es besonders auch auf die islamischen Kindergärten etwa in Wien und Linz abgesehen. Seine jüngste Forderung ist, dass nicht nur die Kinder in der Schule, sondern auch erwachsene Asylanten und Migranten politische Bildung erfahren müsste,
Taschner: Dialog mit der Wissenschaft
Mit Taschner schließlich hat sich Kurz einen Wissenschaftler geholt, der nicht nur ein exzellenter mathematischer Kopf, sondern auch ein ausgewiesener Christdemokrat ist. Er füllt im Zeitalter der Digitalisierung eine wichtige Lücke und könnte sicher – auch aufgrund seines Kommunikationstalentes – zum besseren Dialog von Politik und Wissenschaft beitragen. Er wird übrigens wissenschaftlichen Support durch die steierische TU-Professorin Juliane Bogner-Strauß erhalten.
Schnöll: Der unbekannte Mastermind
Mit einer Reihe weiterer Kandidaten, die als so genannte Quereinsteiger firmieren, will Kurz ganz bewusst bestimmte Defizitbereiche der ÖVP abdecken. Mussten früher einmal die Obmänner der Jungen ÖVP, wie Josef Höchtl und Othmar Karas, geradezu um Nationalratsmandate betteln gehen, so wird nun der neue Obmann der Jungen ÖVP Stefan Schnöll prominent auf der Bundeslisteplatziert. Was übrigens wenige wissen, Schnöll gehört zum engsten Kreis und zum Braintrust des Parteiobmanns. Er hat an der bisherigen Kampagne und Strategie, die Kurz und die ÖVP an die Spitze führte, wesentlich mitgewirkt.
Schwerpunkt Sicherheit und Gesundheit
Ihre Berechtigung haben auch noch einige andere neue Namen. Das gilt vor allem für den Wiener Polizei-Direktor Karl Mahrer, der bei der Wiener Bevölkerung, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat, punkten soll. Nachdem der bisherige Gesundheitssprecher der ÖVP aus dem Parlament ausscheidet, kommen nun aus Oberösterreich gleich zwei Ärzte neu ins Parlament. Sie sollten Leben in die Gesundheitspolitik bringen, die in den letzten Jahren „dank“ des gewerkschaftlichen Sozialministers sehr erstarrt ist. Nach der Frustration im Zuge der Einführung der Registrierkassenpflicht ist die steierische Gastronomin Barbara Wolfgang-Krenn eine bewusst verordnete Beruhigungspille für die Gastronomiesparte.
Sprachrohr für Behinderte
Die Tirolerin Kira Grünberg ist nicht nur eine Ex-Sportlerin, die nach ihrem Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist, sondern durchaus auch Vorbild einer Frau, die es verstanden hat, ein tragisches Schicksal zu meistern. Ihre Kandidatur ist schon allein deshalb notwendig, da der bisherige Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg aus dem Parlament scheidet. Und auch die Frau, die an erster Stelle im Burgenland gereiht wird, wurde nicht nur aus dem Hut gezaubert. Mit ihr versucht man der etwas notleidenden ÖVP-Burgenland ein neues Gesicht zu geben. Dass sich über ihre Nominierung der SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl alteriert hat, spricht für die ORF-Moderatorin Gaby Schwarz.
Opernballlady als Tribut an den Populismus
Die Begeisterung in Grenzen hält sich bei jener Frau, die Kurz als erste Quereinsteigerin aus dem Hut gezaubert hat. Es ist dies Maria Großbauer, die derzeitige Opernball-Organisatorin. Bereits die Nachfolge von Desiree Treichl verdankte sie nur ihrem Umstand, dass sie die Gattin des damaligen Geschäftsführers der Wiener Philharmoniker war. Der übrigens mittlerweile sehr rasch wieder abgelöst wurde. Über die Hintergründe dieser Rückversetzung wurde wie üblich bei dem berühmten Orchester der Mantel des Schweigens gebreitet. In auch der ÖVP gut gesinnten Wiener Kulturkreisen kann man sich schwer vorstellen, welche Akzente in der Kulturpolitik von Großbauer zu erwarten sind. Wie kolportiert wird, soll sogar ERSTE-Chef Andreas Treichl ziemlich verärgert sein, dass man seine Frau übergangen hat.
Und wer schafft Ministerehren?
Spannend wird es noch, wen Kurz mit der Regierungsbildung betraut wird, wer es dann schafft, auch mit einem Ministeramt betraut zu werden. Sicher ist, dass Wolfgang Sobotka auch weiterhin mit Ministerehren rechnen darf. War er doch der wichtigste Mann für Kurz, um ihm vor allem den Rücken in der Flüchtlingsfrage zu stärken und Kern fast schon zur Weißglut zu bringen. Es muss allerdings nicht auch weiterhin das Innenressort sein. Bei Hans Jörg Schelling, die Nummer 3 auf der NÖ-Landesliste, ist man sich nicht ganz so sicher, was die Zukunft bringt. Kurz schätzt durchaus Schelling. Aber es gibt da doch auch noch Josef Moser oder den Kremser Uni-Professor Hans Haber, der immer wieder im Gespräch ist.