Kurz vor dem Finale – und wie gehabt kaum Widerstand gegen die türkis/blaue Koalition. Am meisten murren noch verärgerte Schwarze.
Noch-Kanzler Christian Kern, zurzeit wie vom Erdboden verschluckt, und seine rote Chaos-Truppe bereiten der sich formierenden türkis-blauen Regierung absolut keine Probleme. Neos-Chef Matthias Strolz und seine pinken Gefolgsleute im Parlament verhalten sich momentan so lethargisch wie eigentlich niemals zuvor. Die schwer geschockte Liste Pilz ist ohne ihren Namensgeber in eine trostlose Apathie verfallen, und die gestrauchelten Grünen geben sowieso keinen Muckser mehr von sich. Nicht zuletzt hat’s anscheinend auch den Gewerkschaften die Red’ verschlagen.
Das heißt: Sebastian Kurz und HC Strache verspüren bei ihrer finalen Polit-Packelei zwecks Formulierung eines Regierungsprogramms relativ wenig bis kaum Gegenwind. Am ehesten kommt Kritik an diversen Ankündigungen noch aus den eigenen Reihen, sprich: von schwarzer Seite, wo der Frust sukzessive zu wachsen scheint. So etwa hat die von der FPÖ stammende Idee, die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern abzuschaffen, einen massiven Aufstand der Wirtschaftsbündler und Wirtschaftskämmerer ausgelöst. Mit der Konsequenz, dass diese Pläne in der radikalen Form bereits wieder vom Tisch sind. Auch das von beiden Koalitionspartnern ventilierte Vorhaben, die Anzahl der Krankenkassen drastisch zu reduzieren, provozierte umgehend landesweit unüberhörbaren Widerspruch, wobei sich schwarze Landeshäuptlinge wie der Tiroler Günter Platter besonders in Szene setzen konnten.
Und dann die Offensive gegen das Rauchverbot in der Gastronomie, die der FPÖ-Chef im Alleingang durchgeboxt hat: Diesbezüglich hagelt es nicht nur von Seiten der Ärzte, von einschlägigen Experten und diverser Institutionen aufgeregte Proteste, auch Politiker wollen künftig gegen diese unverständliche Entscheidung ankämpfen, darunter an vorderster Front schwarze Landesräte wie Christopher Drexler (Stmk), Christine Haberlander (OÖ) oder Beate Palfrader (Tirol).
Für Sebastian Kurz ist jedenfalls eines klar: Die einzige Opposition, die seiner künftigen Regierung zu schaffen macht, kommt aus den eigenen Reihen. Und das dürfte wohl auch noch länger so bleiben. Die Volkspartei, vom 31-jährigen Shootingstar im Blitztempo an die Spitze katapultiert, wird (wiewohl sie sich als „neue Volkspartei“ zu vermarkten versucht) alte Unsitten unter Garantie kultivieren. Und es damit dem Kanzler in spe keinesfalls leichtmachen.
Schluss mit lustig
Wie bislang üblich, werden die sechs VP-Bünde – vom ÖAAB bis zum Seniorenbund – um jede Nuance an Macht und Einfluss kämpfen. Naturgemäß werden auch die nunmehr türkisen Landesorganisationen, die immerhin sechs Landeshäuptlinge stellen, dem Parteichef nicht kampflos die politische Bühne überlassen und in den Hintergrund treten. Vielmehr werden sie in gewohnter Manier mitreden bzw. mitentscheiden wollen, ihre eigenen Machtspielchen spielen, gegen die Parteizentrale opponieren und bisweilen intrigieren… Tja, das wird für Neo-Boss Kurz bedeuten: „Schluss mit lustig“.
Als nächster Kanzler wird der gute Sebastian, dem durchaus eine Neigung zu autoritärem Gehabe zu attestieren ist, bald die Erfahrung machen, dass die Volkspartei mit Sicherheit keinen Alleinherrscher duldet. Kurz wird den Laden jedenfalls niemals als unumstrittener Solist führen können wie ein Viktor Orban die ungarische Fidesz oder wie Recep Tayyip Erdogan die türkische AKP. Anders als bei den Freiheitlichen, die zurzeit nicht nur einen ziemlich entspannten, sondern auch einen geschlossenen Eindruck machen, weil das Trio Strache/Kickl/Hofer alle Dinge fest im Griff hat und sonst niemand mitmischen darf, wird der ÖVP-Chef alle Hände voll zu tun haben, um die zahllosen Sonderwünsche seiner Parteifreunde abzuwehren.
Derartige Begehrlichkeiten gibt es traditioneller Weise in personeller Hinsicht: Bislang war es bekanntlich so, dass die niederösterreichische Landespartei in der Bundesregierung prominent vertreten sein musste, die oberösterreichischen Schwarzen ihren Ministerposten kriegen mussten, die Steiermark größten Wert auf einen Top-Job in Wien gelegt haben, und so weiter, und so fort. Wenn Sebastian Kurz nun die Ministerriege demnächst im Alleingang fixiert und beispielsweise die Casino Austria-Vorstandslady Bettina Glatz-Kremsner zur Finanz- oder Wirtschaftsministerin kürt, dann gute Nacht, denn dann wird’s VP-intern gewiss Granada spielen. So wie’s aussieht, haben die schwarzen Landesfürsten die ministerielle Karriere von Ex-Rechnungshof-Präsident Josef Moser schon beendet, ehe sie begonnen hat: Der Wunschkandidat von Sebastian Kurz sei für ihren Geschmack kein Fan des Föderalismus.
Die Euphorie nach dem Wahltriumph vom 15. Oktober, den die Schwarzen gewiss dem bisherigen Außenminister verdanken konnten, wird sich also relativ rasch wieder verflüchtigen. Dann könnte es in der Volkspartei wieder heißen: „Business as usual.“ Sollten dann auch noch die Sozialdemokraten unter Christian Kern (oder eben unter einem anderen Boss) ihre Rolle als Oppositionspartei halbwegs intus haben und der nächsten Bundesregierung einigermaßen Paroli bieten können, dann dürfte Sebastian Kurz alsbald seine blauen Wunder erleben: Und dies zwar nicht mit der FPÖ, dafür aber mit internen und externen Kräften, die das Regieren zur äußerst mühsamen Angelegenheit machen könnten…