Sonntag, 22. Dezember 2024
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Die Qual der Vorzugsstimme – zum Vorteil der Wähler

Bild © Creative Commons Pixabay (Ausschnitt)

Um ein Brüssel-Ticket zu bekommen, müssen sich die EU-Kandidaten der ÖVP mächtig ins Zeug legen und liefern sich daher einen Wettstreit.

Die Zeiten, da man noch den Abgeordneten seines Bezirks zum Nationalrat ja selbst zum Landtag gekannt hat, sind längst vorbei. Die Medien konzentrieren sich schon seit Jahren nur noch auf die Spitzenleute, das fängt beim Bundeskanzler an und endet meist bereits beim Minister. Die so genannten Bereichssprecher, meist von den Oppositionsparteien genützt, um auf Augenhöhe mit den Regierungspolitikern streiten zu können, sind breiten Kreisen mehr oder weniger unbekannt. Der persönliche Kontakt Bürger-Wähler wurde im Zeitalter der e-Kommunikation vor allem durch das Posten von Nachrichten in den Social Media ersetzt. Populär ist, wer am meisten angeklickt wird.

Neue Formen der Kommunikation

Und trotzdem oder gerade deswegen sind persönliche Auftritte durchaus gefragt. So etwa reißen sich die diversen Klubs von den Rotariern bis hin zu den Lions um prominente Gesprächspartner. Gerade weil es heute so viele Internet-Plattformen gibt, die es einem ermöglichen das Tages- und damit auch das Politikgeschehen live via Smartphone und das in Echtzeit mitzuerleben, ist der Small-Talk auf Augenhöhe wieder gefragt. Parteiversammlungen im Sektionslokal oder im Wirtshaus um die Ecke haben dagegen ausgedient. Und um ins Fernsehen zu kommen, braucht es nicht nur eines zugkräftigen Themas sondern auch der entsprechend hohen Funktion.

Es geht um die Nachrichtenhoheit

Das Modell von ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz, heuer nach den EU-Wahlen die Entsendung der Kandidaten aufgrund deren Bekanntheit nach der Zahl der Vorzugsstimmen vorzunehmen, ist durchaus geeignet, für mehr Bürgernähe der Politiker zu sorgen. Geht es doch jetzt darum, dafür zu sorgen, möglichst viele Wähler zu überzeugen, dass sie der Kandidatin bzw. dem Kandidaten ihrer Wahl am 26. Mai auch ihre Vorzugsstimme geben. Um das zu erreichen, muss man sich freilich nicht nur anstrengen, das heißt täglich präsent sein, sondern auch mit möglichst vielen Menschen in Kontakt treten. Und das auf allen Ebenen und in allen Medien. Es ist geradezu ein Run auf Nachrichtenhoheit entbrannt.

Nervosität und Unsicherheit

Wer in diesen Tagen mit ÖVP-Kandidaten zur EU-Wahl spricht, wird auf ein hohes Maß an Nervosität und Unsicherheit treffen. Wenngleich es mit Othmar Karas und Karoline Edtstadler zwei Spitzenkandidaten gibt, so hängt auch bei Ihnen die Entsendung von der Zahl der Vorzugsstimmen ab. Karas hat zwar bei den letzten beiden EU-Wahlen mit mehr als 113.000 Stimmen im Jahre 2009 und noch immer 80.000 Stimmen im Jahre 2014 ein prächtiges Ergebnis einfahren und damit der Volkspartei den ersten Platz gesichert, aber diese Ziffern stehen heuer im Traumbuch. Nicht zuletzt auch deshalb, da er sich mit seiner kompromisslosen EU-Hardliner-Politik, auch seinen bewussten Widersprüchen zu populären Positionen der Gesamtpartei wenig Freunde gemacht hat. Er könnte, ja dürfte dafür die Rechnungen von den Wählern präsentiert bekommen. Vor allem aber hat er den Rückhalt seiner Landespartei verloren.

Bauernaufstand gegen den Landeskandidaten

Aus Niederösterreich gehen nämlich gleich drei Kandidaten ins Rennen, die alle ein Mandat erhalten wollen. Derzeit hat die ÖVP allerdings insgesamt nur fünf EU-Parlamentarier und darf bei gutem Wahlausgang mit einem sechsten rechnen, aber auch die anderen Bundesländer wollen nicht leer ausgehen. Die NÖ-Volkspartei hat jedenfalls gleich in ihren ersten Rundschreiben gar keine Wahlempfehlung für Karas ausgegeben, sondern sie bittet um Vorzugsstimmen für Lukas Mandl, der schon seit Monaten täglich auf Facebook seine Runden dreht. Und es wird schwer genug für ihn sein, da Stimmen zu sammeln, zumal er nur in Wien-Umgebung bekannt ist. Dazu kommt, dass auch der mächtige Bauernbund – die vielleicht stärkste Organisation innerhalb der ÖVP – seinen Mann nach Brüssel schicken. Der heißt übrigens Alexander Bernhuber und kommt aus der so genannten Landjugend.

Ein prominenter Name allein reicht nicht

Ein solides Problem hat auch der Seniorenbund. Der bisherige Mandatar und Generalsekretär der Organisation, Heinz Becker, geht in Pension. Um auch die Interessen der 60plus Generation zu vertreten, hat man sich daher ein einigermaßen bekanntes ORF-Gesicht ausgesucht. Den ehemaligen Moderator Wolfram Pirchner. Sein Handikap ist freilich ein besonders, nämlich dass er gewissermaßen auch noch gegen die Landeskandidaten des Seniorenbundes antreten muss. Faktum ist nämlich, dass jedes Bundesland eine eigene Frau bzw. einen eigenen Mann ins Rennen schickt, um die Interessen der älteren Generation zu vertreten. Und wenn es darauf ankommt, dann gibt meine seine Stimme schon eher jemanden, der aus der Heimat kommt und nicht jemanden, der vom entfernten Wien aufgesetzt wurde.

Der Kampf ums Leiberl

Genau damit ist aber auch Karoline Edtstadler konfrontiert. Sie wollte Kurz ursprünglich ünberhaupt als die neue ÖVP-Spitzenkandidatin, was am Widerstand von Karas scheiterte. Sie ist gebürtige Salzburgerin, derzeit aber Staatssekretärin im Innenministerium. Dort steht sie freilich ziemlich im Schatten von Herbert Kickl. Geht es nach der aktuellen parteiinternen Planung – EU-Infothek berichtete bereits darüber  – dann sollte sie in zwei Jahren in die Fußstapfen von Landeshauptmann Wilfried Haslauer treten und sich bis dahin Bekanntheit sowie politische Lorbeeren auf der EU-Bühne holen. Die Frage für sie ist nur, woher kann sie sich die Vorzugs-Stimmen holen? Nachdem sie in Wien arbeitet und wenig daheim ist, fehlt es ihr an Rückhalt in der Salzburger Wählerschaft. Den Vorteil aus diesem Wettstreit insgesamt zieht der Wähler. Nicht nur, dass er die Qual der Wahl hat. Vielmehr müssen die Politiker um ihr sprichwörtliches Leiberl rennen, jetzt zeigen, was sie wirklich auf der sprichwörtlichen Platte haben und um die Wähler kämpfen.

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