In vier von neun Bundesländern werden in Österreich die Wahlen entschieden. Für die SPÖ ausschlaggebend ist vor allem Wien. Das macht auch die aktuelle innenpolitische Diskussion erklärlich.
Die gegen die Handhabung der Mindestsicherung in Wien geführte Attacke von Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Regierungsklausur war für die SPÖ ein willkommener Fehdehandschuh. Interessant daran ist, dass Kurz dabei das Wort „Wien“ gar nicht in den Mund nahm. Er wurde nur gefragt, was er dazu sage, dass die Wiener Stadtregierung die vom Bund verordnete Reform der Mindestsicherung nicht umsetzen wolle. Darauf seine wörtliche Antwort: „Ich glaube nicht, dass es eine gute Entwicklung ist, wenn immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten, und in immer mehr Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen.“
Wiener SPÖ auf Konfliktsuche
Bei der Wiener SPÖ sah man die Sache anders. Sie warf dem Kanzler vor, einem erheblichen Teil der Wiener zu unterstellen, faul zu sein. Seither lässt man nicht locker, um täglich Politiker aufmarschieren zu lassen, die Kurz und der ÖVP Wien-Feindlichkeit vorwerfen. Kurzum man will die Wiener Wähler gegen die Bundesregierung aufbringen und für die Sozialdemokratie mobilisieren. Und das ist seit der letzten Gemeinderatswahl auch dringend notwendig. Stürzten doch die Sozialdemokraten in ihrem einstmals so gepriesenen „roten Wien“ von 45 auf 39,5 Prozent ab. Gleichzeitig rückte ihnen die FPÖ mit 30,8 Prozent bedenklich nahe. Und nur mit Ach und Weh schafften sie es mit den Grünen, die 11,8 Prozent der Stimmen erreichten, eine Koalition zu bilden.
Angst vor Verlust des Bürgermeisters
Seither freilich geht es nicht wieder bergauf, sondern bergab. Zu schaffen macht Wien die türkis-blaue Bundesregierung und hier wiederum seitdem Kurz die Führung übernommen hat die ÖVP. Bei den Nationalratswahlen 2017 katapultierte sie sich gleich von 9,2 auf 21,6 Prozent hinauf, während die SPÖ noch einmal absackte, nämlich auf 34,5 Prozent. Ein schmerzliches Ergebnis, wenn man vor allem daran denkt, dass in der Bundeshauptstadt bis 1990 die Sozialdemokraten über eine komfortable absolute Mehrheit verfügten. Nunmehr aber grassiert die Angst, dass es man nach über 100 Jahren (sieht man von den Jahren 1934 bis 1945 ab, also der Zeit des Ständestaats und der NS-Besetzung) den Bürgermeister verliert. Tatsächlich gibt es derzeit, wie die Umfragen zeigen, auch keine Mehrheit mehr für Rot-Grün. Das liegt sowohl an der scheidenden Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou als auch ihrer Nachfolgerin Birgit Hebein.
Eine schwache Nummer
Dazu aber kommt, dass auch der Wechsel an der Spitze der Wiener SPÖ und damit des Rathauses von Michael Häupl zu Michael Ludwig keinen wirklichen Effekt gebracht hat. Im Rathaus gibt man ziemlich unumwunden zu, dass der neue Rathausmann bislang eine eher „schwache politische Nummer“ ist. Es fehlen die kantigen Aussagen ebenso wie wegweisende Stadtprojekte. Zwar ist es gelungen, den innerparteilichen Zwist zwischen dem pragmatischen Flügel (das sind die großen Flächenbezirke, wie Floridsdorf, Simmering und Favoriten) und dem linken Flügel (dazu zählen die Innenstadtbezirke wie Alsergrund und Josefstadt) ruhig zu stellen, aber es mangelt aller Orten an politischem Profil. Was nicht zuletzt auch mit der Performance der Bundespartei zusammenhängt, die es zum Beispiel nicht geschafft hat, anlässlich des 130jährigen Bestehens der SPÖ eine repräsentative Großveranstaltung zustande zu bringen.
Linker Hoffnungsträger
In die Lücke stößt zunehmend der für Soziales und Gesundheit zuständige Stadtrat Peter Hacker. Er legt es sich geradezu leidenschaftlich mit der Sozialpolitik von FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein und neuerdings auch mit Kurz an. Sein Lieblingsthema ist die Migrationspolitik, bei der er eine Art „Willkommenskultur“ vertritt und daher auch zu einem Hoffnungsträger der Jungen in der SPÖ geworden ist. So sehr Hacker, wie selbst Wiener ÖVP und FPÖ-Politiker konzedieren, ein strammer Linker und harter Ideologie ist, mit dem harte Sträuße gefochten werden, so sehr werden an ihm auch gewisse Macherqualtitäten geschätzt. Jedenfalls wächst mit ihm ein Politiker heran, der in der SPÖ zukünftig mehr Gewicht erhalten dürfte. Ob das auch die Wähler beeindruckt, steht auf einem anderen Blatt. Denn gerade in Wien hat sich ein entscheidender Strukturwandel in der Wählerschaft vollzogen. Wien ist keine Industrie- und keine Arbeiterstadt mehr und daher auch offen für andere politische Bewegungen.
SPÖ auf Verliererstraße in den Ländern
Genau genommen, werden in Österreich nur noch in vier von neun Bundesländern die großen Wahlen entschieden. Neben Wien sind dies die Bundesländer Nieder- und Oberösterreich sowie die Steiermark. In den großen Zeiten der Verstaatlichten Industrie konnte die SPÖ auch im Land ob der Enns und in der grünen Mark ein beachtliches Stimmenpotential aufbringen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Gerade einmal auf 27 Prozent kamen die Sozialdemokraten bei den letzten Landtagswahlen in der Steiermark und Niederösterreich, bei nur etwas über 18 Prozent liegen sie in Oberösterreich. In den aktuellen Umfragen hat sich dieser Zustand nur noch weiter verfestigt, so etwa hat der Steirer Hermann Schützenhöfer seinen Vize Michael Schickhofer ziemlich abgehängt. Um einigermaßen bundespolitisch mitspielen zu können, ist ein gutes Wahlergebnis in Wien das Um und Auf. Und von daher krallt man sich daher jetzt auch so sehr an die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung.
Ruck liebäugelt mit SP-Koalition
Nicht ganz durchsichtig ist die Haltung der Wiener ÖVP. Im Landtag arbeitet man zwar sehr eng mit der FPÖ zusammen, so etwa bei der mühsamen Aufklärungsarbeit rund um den Krankenhaus-Nord-Skandal, und auch Parteiobmann Gernot Blümel legt besonderen Wert auf die Zusammenarbeit der Oppositionsparteien, die Rot-Grün im Fokus haben. Gleichzeitig aber geht man aber auf Wirtschafsseite schon wieder eigene Wege. Wie dies auch in früheren Zeit bei Michael Häupl und Walter Nettig der Fall war. So betont der Präsident der Wiener Wirtschaftskammer Walter Ruck bei jeder Gelegenheit den Schulterschluss mit Bürgermeister Ludwig. Das widerläuft nicht nur der Strategie mit der Volkspartei, die die Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene auf zumindest zwei Legislaturperioden angelegt hat, sondern richtet sich auch gegen den österreichischen Wirtschaftskammerboss Harald Mahrer. In zwei Jahren muss er sich einer Präsidentenwahl stellen. Sieht man von der Forderung nach Senkung der Körperschaftssteuer auf 19 Prozent ab, so fiel Mahrer bislang nicht übermäßig auf. Vielmehr kümmert er sich weitaus mehr, so wird berichtet, um seinen Job in der Nationalbank.
Blümels Faible für Türkis-Blau
Ruck will sich daher mit seinen Aktivitäten auf Wiener Ebene in den Vordergrund rücken – und Mahrer herausfordern. Nicht nur das, während Blümel nachgesagt wird, ein gewisses Faible auch für Türkis-Blau in der Bundeshauptstadt zu haben , bastelt Ruck an einem Umstieg von Rot-Grün auf Rot-Türkis. Diese Variante käme aufgrund der jüngsten Umfragen auf weit mehr als 50 Prozent. Bei einem Zusammenschluss von ÖVP und FPÖ wäre derzeit allerdings noch ein dritter Koalitionspartner gefragt. Dafür kämen nur die NEOS in Frage, die jedenfalls keinen SPÖ-Bürgermeister wählen aber derzeit auch nicht in eine Stadtregierung mit der FPÖ einsteigen wollen. Die Schlacht um Wien wird noch einiger Vorbereitungen und einer entsprechenden Kampfaufstellung bedürfen.
Quasi ein Kopf-an-Kopf-Rennen
Dazu passen auch am Wochenende in einer Boulevardzeitung veröffentlichte Umfragen. So wird dort davon gesprochen, dass die Wiener Genossen vom Konflikt mit der Bundesregierung profitieren würden. Die Begründung lautet, die SPÖ unter Ludwig habe ihr Ergebnis um 1 Prozent verbessert und auf 36 Prozent gesteigert. Vergessen wird dabei bloß, dass die Schwankungsbreite bei solchen Umfragen bei 2 bis 3 Prozent liegt….. Sicherheitshalber wird daher auch gleich hinzugeführt, dass SPÖ und Grüne nur auf 44, ÖVP und FPÖ auf 42 Prozent kommen, also quasi Kopf an Kopf liegen.